Transkript
EHA 2016 – 21st Congress of European Hematology Association, Kopenhagen, 9. bis 12. Juni 2016
Chronische lymphatische Leukämie (CLL)
Neue Substanzen im Rampenlicht
Wichtige Studienresultate zur Therapie der CLL mit dem Bruton-Tyrosinkinase-(BTK-) Hemmer Ibrutinib und dem Anti-CD20-Antikörper Obinutuzumab wurden auf einer Kurzpräsentation für die Fachmedien als Highlights vorgestellt. In die weitere Diskussion zur Bedeutung für die klinische Praxis flossen erste Resultate mit dem BTK-Hemmer der neuen Generation, Acalabrutinib, sowie dem BCL-2-Hemmer Venetoclax ein.
Prof. Graeme Fraser, Hamilton/Kanada. Da in den bisherigen Studien mit zunehmender Ibrutinib-Therapiedauer eine weitere Vertiefung des Ansprechens feststellbar gewesen sei, sei auch in diesem Fall eine Langzeiterfassung von Tiefe und Dauer des Ansprechens von Interesse. Prof. Fraser konnte im Anschluss auch die Daten über ein medianes Follow-up von 2 Jahren präsentieren (2).
Ibrutinib mit guten Resultaten bei del17p
Prof. Jeffrey Jones, Columbus (USA), stellte Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ibrutinib (Imbruvica®) bei CLLPatienten mit Deletion 17p (del17p) vor (1). Einleitend erinnerte er: «Patienten mit Deletion 17p weisen eine aggressive Erkrankung mit einem schlechten Verlauf auf. Ihr medianes Überleben nach dem Einsatz initialer chemotherapiebasierter Behandlungsoptionen liegt meist nur bei 2 bis 3 Jahren.» Für die vorgestellte Analyse waren die Daten von 234 mit Ibrutinib behandelten CLL-Patienten mit del17p aus drei Studien kombiniert worden. Die Hälfte der Patienten wurde dabei für mindestens 28 Monate behandelt. Die Gesamtansprechrate betrug 84% (Abbildung). Nach 30 Monaten lagen das geschätzte progressionsfreie Überleben (PFS) bei 55% und das geschätzte Gesamtüberleben (OS) bei 67%. «Diese Werte liegen höher, als wir sie aus Untersuchungen mit anderen Therapieoptionen bei dieser Patientengruppe kennen», sagte Prof. Jones. Die Auswertung verschiedener Subgruppen zeigte im Weiteren, dass Patienten mit keiner oder nur einer Vortherapie, solche mit normaler LDH sowie Patienten ohne komplexen Karyotyp oder «bulky disease» hinsichtlich PFS und OS am meisten von der Behandlung mit Ibrutinib profitieren konnten. Nebenwirkungen, die zu einem Abbruch der Therapie führten, wurden bei 36 Patienten (15%) registriert. Zum Zeitpunkt der Analyse führten 110 Patienten (45%) die Behandlung weiterhin fort. Jones
schlussfolgerte: «Ich konnte Ihnen hier die bisher umfangreichste Sammlung an Erfahrungen mit Ibrutinib bei Patienten mit Deletion 17p präsentierten. Die Resultate liefern weitere Evidenz für die klinische Aktivität von Ibrutinib und seinen Einfluss auf das Überleben bei einer schwierig zu behandelnden CLL-Population.»
Ibrutinib plus Bendamustin/ Rituximab: 2-JahresFollow-up
Die internationale, doppelblinde, plazebokontrollierte Phase-III-Studie HELIOS untersuchte Ibrutinib (Ibr) plus Bendamustin und Rituximab (BR) im Vergleich zu Plazebo (Plb) plus BR bei vorbehandelten Patienten mit CLL. «Die erste Analyse dieser Studie nach einem medianen Follow-up von 17,0 Monaten zeigte für Ibrutinib plus BR ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben», erklärte
Ibrutinib-Kombination: überlegene PFS- und OS-Daten Wie sich zeigte, erwies sich Ibr plus BR weiterhin gegenüber Plb plus BR als überlegen. Das durch die Prüfärzte ermittelte mediane PFS war unter Ibr plus BR noch nicht erreicht, lag dagegen im Vergleichsarm bei 14,2 Monaten (HR: 0,199, p < 0,0001; 2-Jahres-PFS 74,8 vs. 20,9%). Das mediane OS ist in beiden Behandlungsarmen noch nicht erreicht. Auch die Gesamtansprechrate lag bei den mit Ibr plus BR behandelten Patienten höher. Auch in dieser Studie verbesserte sich das Ansprechen mit Weiterführen der Ibrutinib-Therapie. So nahmen die CR/CRi-Rate (komplettes Ansprechen/ komplettes Ansprechen mit unvollständiger Erholung der Zellzahl) und der Anteil an MRD (minimal residual disease, minimale Resterkrankung) sowie negativen Patienten im Laufe der Zeit zu. «Unter den Patienten mit einer MRD-Negativität Patienten progressionsfreies Überleben (%) Gesamtüberleben (%) geschätztes 30-Monats-PFS geschätztes 30-Monats-OS Total (n = 243) *CR = CR + CRi Monate seit Studienbeginn Monate seit Studienbeginn CR: komplettes Ansprechen; CRi: komplettes Ansprechen mit unvollständiger Erholung der Zellzahl; nPR: noduläres partielles Ansprechen; PR-L: partielles Ansprechen mit Lymphozytose Abbildung: Gesamtansprechrate (ORR), progressionfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) der mit Ibrutinib behandelten CLL-Patienten mit Deletion 17p (adaptiert nach [1]). 26 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2016 EHA 2016 – 21st Congress of European Hematology Association, Kopenhagen, 9. bis 12. Juni 2016 von unter 0,01% haben die mit Ibrutinib plus BR Behandelten das mediane progressionsfreie Überleben noch nicht erreicht. Dies im Gegensatz zu den Patienten unter Plazebo plus BR, bei denen das progressionsfreie Überleben 22,1 Monate betrug, so der Redner. Das Sicherheitsprofil von Ibrutinib in der HELIOS-Studie entsprach denjenigen in anderen Studien. Fraser fasste zusammen: «Die Daten dieses 2-Jahres-Followups bestätigen die wichtige Rolle von Ibrutinib bei bereits vorbehandelten CLL-Patienten.» Acalabrutinib – BTK-Hemmer der zweiten Generation Mit Acalabrutinib befindet sich mittlerweile bereits ein Bruton-Tyrosinkinasehemmer (BTK) der zweiten Generation in klinischer Prüfung. Wie Prof. Dr. William Wierda, Houston (USA), erklärte, ist Acalabrutinib ein hoch selektiver, potenter BTK-Hemmer. «Das Design dieser Substanz soll gewährleisten, dass die nicht zielgerichteten Effekte so gering wie möglich ausfallen.» In der Phase-I/IIStudie ACE-CL-001 werden Wirksamkeit, Sicherheit und Pharmakodynamik einer Acalabrutinib-Monotherapie bei verschiedenen Patientenpopulationen (unbehandelt, rezidiviert/refraktär, mit IbrutinibIntoleranz, mit Richter-Syndrom) untersucht. In der Phase I der Studie erhielten die Patienten 100 bis 400 mg Acalabrutinib einmal täglich, in der Phase II dann 100 mg zweimal täglich. Bei rezidivierten/refraktären Patienten (60 Patienten auswertbar) erreichte Acalabrutinib bei einem medianen Followup von 14,3 Monaten schliesslich eine ORR von 95% (100% bei del17p) mit einem partiellen Ansprechen (PR) von 85% (3). Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen (43% der Patienten), Durchfall (39%) und Gewichtszunahme (26%). Die meisten Ereignisse waren dabei vom Grad 1 und 2. Studien auch bei unbehandelten Patienten Erfolg versprechend Auch bei bisher unbehandelten Patienten (bis anhin 72 evaluierbar) erreichte Acalabrutinib hohe Ansprechraten (97,2% partielles Ansprechen [PR] + PR mit Lymphozytose) (4). «Bei einem medianen Follow-up von 10,5 Monaten gab es keinen Patienten mit Progress oder einer Richter-Transformation, und das mediane PFS wurde noch nicht erreicht», erklärte Prof. Wierda. «Die Monotherapie zeigte zudem ein gutes Sicherheitsprofil mit den häufigsten Nebenwirkungen Kopfschmerzen, Durchfall und Arthralgie.» Basierend auf diesen Daten wurde nun eine globale Phase-III-Studie bei unbehandelten CLL-Patienten gestartet. In dieser Studie werden eine AcalabrutinibMonotherapie (100 mg BID) und Acalabrutinib plus Obinutuzumab mit Obinutuzumab plus Chlorambucil verglichen. Der primäre Vergleich erfolgt zwischen den beiden Armen mit Obinutuzumab. GREEN-Studie: Sicherheit von Obinutuzumab bestätigt Prof. Véronique Leblond, Paris, stellte vorläufige Resultate der laufenden PhaseIIIb-Studie GREEN vor (5). Diese untersucht die Sicherheit und die Verträglichkeit von Obinutuzumab (Gazyvaro®) allein respektive in Kombination mit einer Chemotherapie (Obinutuzumab plus Fludarabin-Cyclophosphamid, Obinutuzumab plus Chlorambucil, Obinutuzumab plus Bendamustin) sowohl bei unbehandelten als auch bei vorbehandelten CLL-Patienten. Die präsentierte Analyse umfasst 825 Patienten (485 bisher unbehandelte und 340 rezidivierte/ refraktäre Patienten) in einem medianen Alter von 66 Jahren. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 12,7 Monate, die mediane Obinutuzumab-Expositionsdauer 20,3 Monate. Als häufigste Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 5 traten hämatologische Veränderungen, primär Neutropenien, auf. Ein Tumorlyse-Syndrom (TLS) wurde bei 51 (6,2%) der Patienten festgestellt, am häufigsten bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand unter Obinutuzumab plus Bendamustin (10 vs. 5,2% bei «fitten» Patienten mit der gleichen Behandlung). In 2 Fällen verlief das TLS tödlich. Beide Patienten hatten Obinutuzumab plus Bendamustin als Erstlinientherapie erhalten und wiesen aufgrund ihrer hohen Tumorlast und/oder einer eingeschränkten Nierenfunktion bei Studienbeginn ein erhöhtes Risiko auf. Insgesamt stimmten die vorläufigen Sicherheitsdaten der GREEN-Studie mit dem be- kannten Sicherheitsprofil von Obinutuzumab mit/ohne Chemotherapie bei ähnlichen Populationen ub̈ erein. Venetoclax nach Ibrutinib respektive Idelalisib erfolgreich Als Poster wurden in Kopenhagen ver- schiedene Arbeiten mit dem BCL-2- Hemmer Venetoclax präsentiert. Hierzu gehörte die Arbeit von Coutre und Kolle- gen zum Einsatz von Venetoclax (20 mg täglich, über 5 Wochen aufdosiert auf 400 mg pro Tag) bei CLL-Patienten, bei denen es nach einer Behandlung mit Ibrutinib (Imbruvica®) beziehungsweise Idelalisib (Zydelig®) zu einem Rezidiv ge- kommen war oder die sich als refraktär erwiesen hatten (6). Es wurden die Re- sultate der auswertbaren Daten von 48 Patienten gezeigt (38 mit Ibrutinib, 10 mit Idelalisib vorbehandelt). Vene- toclax konnte bei dieser schwierig zu be- handelnden Klientel eine ORR von 61% (Patienten mit Ibrutinib vorbehandelt) re- spektive von 50% (Patienten mit Idelalisib vorbehandelt) erreichen. In einer Blutun- tersuchung mittels Durchflusszytometrie erwiesen sich 8 von 27 Patienten in Wo- che 24 als MRD-negativ (10–4). Alle diese Patienten waren mit Ibrutinib vorbehan- delt. Die Sicherheit der Behandlung er- wies sich als gut. Die meisten Patienten führen die Therapie weiter. Das Anspre- chen sowie auch der Verlauf werden wei- ter erfasst. I Therese Schwender Referenzen: 1. Jones J et al.: Evaluation of 243 Patients with Deletion 17p Chronic Lymphocytic Leukemia Treated with Ibrutinib: A Cross-Study Analysis of Treatment Outcomes. Haematologica 2016; 101 (Suppl 1): Abstract #S429. 2. Fraser G et al.: Ibrutinib Plus Bendamustine and Rituximab in Previously Treated Chronic Lymphocytic Leukemia/Small Lymphocytic Lymphoma (CLL/SLL): 2-Year Follow-Up Including MRD from the Helios Study. Haematologica 2016; 101 (Suppl 1): Abstract #S430. 3. Byrd JC et al.: Acalabrutinib (ACP-196) in Relapsed Chronic Lymphocytic Leukemia. N Engl J Med 2016; 374: 323–332. 4. Wierda B et al.: Acalabrutinib, a Second-Generation Bruton Tyrosine Kinase (BTK) Inhibitor, in Previously Untreated Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL). Haematologica 2016; 101 (Suppl 1): Abstract #S431. 5. Leblond V et al.: Preliminary Safety Data From the Phase 3b Green Study of Obinutuzumab (G) Alone or Combined with Chemotherapy for Previously Untreated or Relapsed/ Refractory Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL). Haematologica 2016; 101 (Suppl 1): Abstract S427. 6. Coutre S et al.: Venetoclax is Active in CLL Patients Who Have Relapsed After or Are Refractory to Ibrutinib or Idelalisib. Haematologica 2016; 101 (Suppl 1): Abstract #P599. 28 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3 – KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2016