Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Neurologie
Schlechter Geruchssinn – ein Risikofaktor für Alzheimer?
Am internationalen Alzheimer-Kongress in Toronto wurde eine Studie vorgestellt, wonach eine schlechte Geruchserkennung als einfacher, billiger und nicht invasiver Vorhersagetest für eine spätere AlzheimerErkrankung geeignet sein könnte. In der Studie wurden 84 ältere Personen untersucht, die eingangs entweder leichte kognitive Defizite oder eine normale Gedächtnisleistung aufgewiesen hatten. Von allen Patienten lag ein PET-Scan des Gehirns oder eine Liquoranalyse nach Lumbalpunktion vor. Nach mindestens sechs Monaten wurde die weitere Entwicklung mithilfe des Geruchstests UPSIT (University of Pittsburgh Smell Identification Test) evaluiert. Bei insgesamt 67 Prozent der Teilnehmer war ein Rückgang der Gedächtnisleistung
zu verzeichnen. Sowohl ein positiver BetaAmyloid-Status als auch ein niedriger Score im UPSIT zu Beginn der Studie waren mit einem Verlust der Gedächtnisleistung assoziiert. Bei einem UPSIT-Score von Ͻ35 Punkten war die Wahrscheinlichkeit dafür dreimal höher als bei einem Score Ͼ35 (bei maximal 40 möglichen Punkten, p = 0,019). Schon früher hatte man festgestellt, dass Verstorbene, bei deren Autopsie im Gehirn Alzheimer-typische Veränderungen gefunden wurden, zu Lebzeiten ein verringertes Geruchsvermögen hatten. Es wäre wünschenswert, einen einfachen Test wie etwa die Blutdruckmessung in der Praxis verfügbar zu haben, um einem Patienten oder dessen Angehörigen die Furcht vor
Gedächtnisverlust oder einer AlzheimerErkrankung nehmen zu können, schreibt Prof. Helmut Schatz von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Er befürchtet jedoch, dass man mit einem Geruchstest in der Praxis mehr Schaden als Nutzen anrichten und Ängste schüren würde. In der Diskussion am Kongress wurde unter anderem noch darauf hingewiesen, dass man bei abnehmendem Geruchssinn unbedingt einen Vitamin-B12oder Kupfermangel ausschliessen müsse.
RBO/DGEO
DGE-Blog von Helmut Schatz zum Abstract 03-12-01 anlässlich der Alzheimer’s Association International Conference (AAIC) 2016 in Toronto.
Gynäkologie
Apps eher bei Kinderwunsch als zur Verhütung sinnvoll
Apps wie «Period Tracker» oder «Ladytimer» werden millionenfach heruntergeladen. Ob sie tatsächlich halten, was sie versprechen, wird in einer Pressemitteilung anlässlich einer einschlägigen Studie jedoch bezweifelt. Eine benutzerfreundliche Bedienung und das Werbeversprechen, die Zuverlässigkeit durch die Auswertung der Daten von Millionen von Usern zu erhöhen, überzeugen Prof. Matthias Weber, Universität Mainz, nicht: «Wir brauchen klinische Studien, die uns zeigen, ob die Frauen durch die Anwen-
dung der Apps ihr persönliches Ziel erreichen.» Bei einem Kinderwunsch hat der Experte keine Einwände gegen die Apps. Möchte man aber eine Schwangerschaft verhindern, sollte man sich besser auf bewährte Verhütungsmethoden verlassen. Das Gleiche gilt auch für sogenannte Zykluscomputer, die seit Jahrzehnten auf dem Markt sind. Einige davon ermitteln über Parameter wie Scheidentemperatur oder Konsistenz des Zervikalschleims die Wahrscheinlichkeit des Eisprungs, andere über die Bestimmung der elektrischen Leitfähig-
keit des Speichels oder die Kohlendioxidkonzentration. Am besten evaluiert sind Geräte, die mit Harnteststreifen arbeiten. Doch selbst diese können zwar die fruchtbaren Tage mit hoher Sicherheit erkennen, bieten aber keine Garantie zur Vermeidung einer Schwangerschaft beziehungsweise eine 100-prozentige Sicherheit, ob der Eisprung stattfindet oder nicht. RBO/DGEO
Pressemitteilung DGE vom 4. August 2016 zu Freundl G et al.: Zykluscomputer und -Apps. Gynäkologische Endokrinologie 2016; 14: 93–104.
Gastroenterologie
Vor Darmspiegelung an zwei Tagen abführen
Um den Darm optimal für eine Koloskopie vorzubereiten, sollten Patienten auf zwei Tage verteilt eine Polyethylenglykol-Lösung (PEG) als Abführmittel zu sich nehmen und bereits vier Tage vor dem Termin auf ballaststoffreiches Gemüse und Vollkornprodukte verzichten. Am Vortag der Darmspiegelung beginnt dann das Fasten. Am frühen Abend sollten Patienten dann die erste Dosis des Abführmittels zu sich nehmen. Am nächs-
ten Morgen – etwa drei Stunden vor der Untersuchung – steht die zweite Dosis an. Dass sich mit dem Verteilen der PEG-Lösungen auf zwei Tage die besten Ergebnisse erzielen lassen, zeigte eine bereits im vergangenen Jahr publizierte Metaanalyse. Ein Genuss sei die PEG-Lösung, unabhängig von zusätzlichen Geschmacksstoffen, nie, gab Prof. Alexander Meining, einer der Kongresspräsidenten der Tagung «Viszeralmedi-
zin 2016» in Hamburg, zu: «Ich rate dazu, sie so schnell wie möglich – am besten eiskalt – zu trinken.» Parallel sollten die Patienten jeweils zwei Liter klare Säfte, Wasser oder Früchtetees trinken, wobei süsse Getränke auch gegen den Hunger helfen. RBO/DGVSO
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Viszeralmedizin (DGVS) vom 3. August 2016 und Martel M et al.: Split-dose preparations are superior to day-before bowel cleansing regimens: a metaanalysis. Gastroenterology 2015; 149(1): 79–88.
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ARS MEDICI 16 I 2016
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Infektiologie
Solarmoskitofalle gegen Malaria
Rückspiegel
Eine mit Solarenergie betriebene Moskitofalle ohne Insektizide dezimierte die Mückenpopulation auf der kenianischen Insel Rusinga um 70 Prozent. Die Malariainfektionen gingen in der Folge um 30 Prozent zurück. Dies ist das Resultat einer Studie, die von Forschern der Universität Wageningen, des Kenyan International Centre of Insect Physiology and Ecology (ICIPE) und des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts (Swiss TPH) durchgeführt wurde. Die Fallen könnten sich auch als wirksames Mittel gegen die Ausbreitung der Dengue- und der Zika-Epidemie erweisen. Die neu entwickelte Falle ködert die Insekten mit einem menschenähnlichen Duftstoff, nämlich einem Gemisch aus Milchsäure und anderen über die menschliche Haut ausgeschiedenen Stoffe. Das funktioniert nicht nur mit dem Überträger der Malaria, der Anopheles-Mücke, sondern auch mit anderen Mücken, wie beispielsweise Aedes aegypti, die Zika- oder Dengueviren übertragen.
Insgesamt installierten die Forscher 4500 Fallen. Ein mit Solarenergie betriebener Ventilator erzeugt einen Luftstrom und saugt die Tiere in die Falle ein. Die Moskitofallen senkten nicht nur die Zahl an Malariainfektionen. Sie brachten der Bevölkerung auch mehr Lebensqualität, denn die für den Betrieb der Falle benötigten Solarpanel liefern genügend Strom für eine Deckenbeleuchtung im Innern des Hauses. An einer Batterie lassen sich zudem Mobiltelefone aufladen. Auch dank dieses Zusatznutzens stiessen die Moskitofallen auf hohe Akzeptanz. RBO/Swiss TPHO
Pressemitteilung des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts (Swiss TPH) vom 9. August 2016 zu Homan T et al.: The effect of mass mosquito trapping on malaria transmission and disease burden (SolarMal): a stepped-wedge clusterrandomised trial. Lancet 2016, published online 10 Aug 2016.
Gastroenterologie
Zwischenbilanz der Darmkrebsvorsorge-Kampagne
Im Frühling führten 771 Mitgliedapotheken von pharmaSuisse eine schweizweite Darmkrebsvorsorge-Kampagne durch. Die Hausund Kinderärzte Schweiz, die Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie, die Krebsliga Schweiz, die Kantone Bern und Uri sowie die Krankenversicherung CSS unterstützten die Kampagne. In den beteiligten Apotheken konnten sich über 50-jährige gesunde Personen bezüglich der Darmkrebsvorsorge beraten lassen. Falls sie kein speziell erhöhtes Darmkrebsrisiko hatten, wurde ihnen angeboten, mit einem Stuhltest zu Hause ihren Stuhl auf okkultes Blut zu testen. Hochrisikopersonen wurden zum Arzt geschickt. 22 501 Personen führten zwischen 1. März und 16. April 2016 einen Stuhltest durch, bei 7 Prozent von ihnen war der Befund positiv, sodass weitere Abklärungen notwendig waren. «Die Zahl von rund 7 Prozent positiven Stuhltests stimmen mit den Daten anderer Vorsorgeprogramme überein», so Prof. Urs Marbet, Gastroenterologe
und Leiter des wissenschaftlichen Beirats der nationalen Darmkrebsvorsorge-Kampagne. Er zeigte sich erfreut darüber, dass die Kampagne offenbar die gewünschte Zielgruppe erreichte, nämlich «gesunde Menschen zwischen 50 und 75 Jahren, die aktiv im Leben stehen, nicht an Darmkrebsvorsorge denken und nicht regelmässig einen Hausarzt aufsuchen». Ein positiver Stuhltest ist bekanntermassen noch kein Grund zur Panik. Etwa in 1 von 18 Fällen ist tatsächlich ein Darmtumor die Ursache. Der Schlussbericht zur Kampagne soll im Herbst 2016 vorliegen. Darin sollen dann Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit des Screenings mittels Stuhltest auf okkultes Blut beurteilt werden.
RBO/pharmaSuisseO
Pressemitteilung von pharmaSuisse vom 9. August 2016.
Vor 10 Jahren
HPV-Vakzine
In den USA wird im Juni 2006 mit dem tetravalenten Gardasil® die erste HPV-Vakzine zugelassen. In der EU folgt die Zulassung im September, in der Schweiz im November. Harald zur Hausen, der die Bedeutung von Papillomviren für das Entstehen von Zervixkarzinomen mit seinem Team am Deutschen Krebsforschungszentrum entschlüsselte und damit den Grundstein für die neue Vakzine legte, erhält zwei Jahre später den Nobelpreis für Medizin.
Vor 50 Jahren
Cholesterinwert korrekt messen
Im «British Medical Journal» machen die Mediziner D.J. Stoker und Victor Wynn gemeinsam mit dem Laborfachmann Gill Robertson darauf aufmerksam, dass die Körperposition beim Blutabnehmen einen erheblichen Einfluss auf gewisse Messwerte haben kann. Nach einer Viertelstunde Stehen und nachfolgender Blutabnahme ebenfalls im Stehen liegen die gemessenen Cholesterinwerte um rund 13 Prozent über den Werten, die nach Blutabnahme im Liegen festzustellen sind. Ähnlich verhält es sich mit den Plasmaproteinen und dem Hämatokrit. Weniger stark beeinflusst wurde die Kalziummessung mit zirka 7 Prozent höheren Werten bei Blutabnahme im Stehen.
Vor 100 Jahren
Hypertonie und Hirnschlag
Rauchen sei eine der Hauptursachen des essenziellen Bluthochdrucks, heisst es in einer Übersichtsarbeit in ARS MEDICI. Auch andere, noch heute gültige Erkenntnisse und Präventionsaspekte im Zusammenhang mit der Hypertonie werden beschrieben, darunter auch die Bedeutung des Bluthochdrucks als Risikofaktor für Hirnschlag. Zur Prophylaxe empfiehlt man Abnehmen, massvolles Essen und leichten Ausdauersport, gibt aber auch den einen oder anderen exotisch anmutenden Ratschlag wie beispielsweise diesen: «Der geistige Arbeiter muss den Kopf vor der Wirkung der strahlenden Lampenwärme schützen.»
RBO
ARS MEDICI 16 I 2016