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AIU
Update zum Management der atopischen Dermatitis
Keine Angst vor Erdnüssen, spezifischen Immuntherapien und Calcineurininhibitoren
Foto: Gilles San Martin – wikimedia commons
Die atopische Dermatitis ist aufgrund ihres chronisch-rezidivierenden Verlaufs und ihres quälenden Juckreizes eine belastende Erkrankung, welche die behandelnden Ärzte wie auch die medizinische Forschung immer noch vor Herausforderungen stellt. Die Fortschritte der letzten Jahre fasste Prof. Peter Schmid-Grendelmeier, Zürich, auf dem diesjährigen Allergy and Immunology Update (AIU) in Grindelwald zusammen.
Das Management der atopischen Dermatitis (AD) basiert auf drei Säulen: Prävention durch Allergenvermeidung, medikamentöse Therapie und spezifische Immuntherapie. Neue Erkenntnisse gibt es in allen drei Bereichen. Dabei zeigt sich: Vieles, was als tabu oder gefährlich galt, hat sich im Laufe der letzten Jahre doch als vorteilhaft erwiesen: Erdnüsse auf dem frühen Speiseplan, topische Calcineurininhibitoren (CNI) und Immuntherapien gegen perenniale Allergene.
SIT hilft auch der Haut
Während sich die spezifische Immuntherapie (SIT) bei
Heuschnupfen etabliert hat, wird sie bislang bei Patienten
mit AD kaum durchgeführt. Vor wenigen Jahren wurde die
AD sogar noch als Kontraindikation angesehen.
Wissenschaftliche Daten belegen die Wirksamkeit der sub-
kutanen Immuntherapie bei AD-Patienten mit Hausstaub-
milbenallergien, wie Schmid-Grendelmeier unter anderem
anhand einer aktuellen Metaanalyse deutlich machte (1).
Darin wurden die Ergebnisse aus 8 randomisierten und
plazebokontrollierten Studien mit insgesamt 385 Patienten
unterschiedlicher Altersgruppen ausgewertet. Sie fanden
Hausstaubmilben (Dermato- einen signifikanten Therapieeffekt für die subkutane (SCIT,
phagoides pteronyssinus): In 6 Studien), aber nicht für die sublinguale Immuntherapie
einer Metaanalyse wurde die (SLIT, 2 Studien). Allerdings waren die SLIT-Studien noch
Effektivität der spezifischen
mit älteren Präparaten durchgeführt worden. Die neueren
Immuntherapie bei AD-
Sublingualtabletten konnten hier noch nicht erfasst wer-
Patienten mit Hausstaub-
den. Alle Studien zusammen zeigten einen positiven Ein-
milbenallergie bestätigt.
fluss der Immuntherapie, wobei Patienten mit höheren
Schweregraden der AD auch mehr profitierten. Darüber
hinaus profitierten erwachsene Pa-
tienten mehr als Kinder. Der Effekt
TIPPS ZUR HAUTPFLEGE BEI AD:
wurde relativ schnell, bereits nach wenigen Monaten, registriert. Ba-
• Alkalifreie Seifen
sierend auf dieser Metaanalyse, ist
• Duschen mit
also die spezifische Immunthera-
weichem Strahl
pie mit Hausstaubmilbenallerge-
• Baden: nicht zu
nen bei Patienten mit AD effektiv.
heiss (32 °C), nicht
Die Auswahl der Patienten für eine
Foto: © fotolia.com – Smileus
zu lang (5–10 Min.),
SIT sollte sich an den folgenden
aber regelmässig
Kriterien orientieren:
• Abtrocknen: tupfen
• Nur Patienten mit einer klaren
statt rubbeln
klinischen Diagnose einer AD soll-
• Eincremen
ten für eine SIT ausgewählt wer-
den.
• Sie sollten einen positiven Pricktest oder spezifische IgE gegen Hausstaubmilben aufweisen.
• Diese nachweisbaren Sensibilisierungen sollten nach Einschätzung des behandelnden Arztes bei den Betroffenen auch eine klinische Relevanz haben.
Bei Patienten, bei denen sich die AD während der Wintermonate verschlechtert, ist eine höhere Hausstaubmilbenexposition als Ursache dieser Verschlechterung naheliegend. Selbstverständlich werde die Immuntherapie auch nicht als erster Schritt bei Patienten mit milder Dermatitis empfohlen, betonte Schmid-Grendelmeier. Vielmehr sei es eine Option bei Patienten, die auf die konventionelle Therapie nur unzureichend ansprächen. Wenn aber diese Kriterien erfüllt sind, dann ist die allergenspezifische Immuntherapie eine Option, die nach seiner Einschätzung häufiger als bis anhin erwogen werden sollte.
Hautpflege ist absolute Pflicht
In der Therapie der AD sollte nach einem Stufenplan vorgegangen werden (2). Die erste Stufe bildet dabei die Hautpflege, die bei jedem AD-Patienten absolute Pflicht ist, wie Schmid-Grendelmeier betonte: «Wir müssen die Hautpflegeprodukte regelmässig anwenden und bereits bei kleinen Kindern damit beginnen.» Dafür steht ein breites Spektrum an Hautpflegeprodukten zur Verfügung. Zur Hautreinigung sollten pH-neutrale und alkalifreie Seifen eingesetzt werden. Beim Duschen sollte der Wasserstrahl möglichst wenig Druck haben, das Wasser sollte also eher rieseln als spritzen, denn die harten Spritzer können zu Juckreiz führen. AD-Patienten, die baden, sollten dies nicht zu heiss und auch nicht zu lange tun. Schmid-Grendelmeier empfiehlt eine Badetemperatur von 32 °C und eine Badedauer von 5 bis 10 Minuten. Eine schnelle Temperaturänderung fördert den Juckreiz noch mehr als die Höchsttemperatur. Regelmässiges Baden hat sich bewährt. Nach dem Baden sollte die Haut nicht zu fest abgerubbelt, sondern mehr durch sanftes Tupfen getrocknet werden – und natürlich anschliessend sofort eingecremt werden. Ein besonderer Tipp von Schmid-Grendelmeier ist die Zugabe von Bleichmitteln zum Badewasser, deren positiver Effekt auf den Symptomenscore (EASI) auch schon in plazebokontrollierten Studien gezeigt werden konnte (3). Es sollte allerdings darauf geachtet werden, dass man hierzu Natriumhypochlorid (1 EL pro Liter Wasser) und nicht Kaliumhypochlorid verwendet. Die ursprüngliche
2 • CongressSelection Allergologie/Immunologie/ORL • Juli 2016
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Idee war, durch Natriumhypochlorid die Konzentration von Staphylococcus aureus auf der Haut zu reduzieren, doch ist der genaue Wirkungsmechanismus nicht wirklich nachgewiesen. Das Bleichebad wird zweimal wöchentlich empfohlen.
Rehabilitation für topische Calcineurinhemmer
Erst die weiteren Schritte beinhalten antiinflammatorische Therapien, die je nach Aktivität und Intensität der AD in unterschiedlichen Potenzen und entweder topisch oder, in der obersten Therapiestufe, auch systemisch erfolgen. Topische Steroide bilden nach wie vor die Basis der Therapie. Die einmal tägliche Applikation ist ausreichend. Zur Aufrechterhaltung der einmal erzielten Ekzemabheilung hat sich die intermittierende Therapie mit mehrtägigen Therapiepausen bewährt. Mit modernen Substanzen lässt sich so ein guter Effekt erzielen, während gleichzeitig das Risiko einer Hautatrophie auch bei mehrwöchiger Therapie sehr niedrig bleibt. Als Alternativen stehen topische Immunmodulatoren wie die Calcineurininhibitoren (CNI) zur Verfügung. Ihr Nebenwirkungsprofil unterscheidet sich von demjenigen der Kortikosteroide:Sie führen zu keiner Hautatrophie, dafür wird bei Applikation ein mildes Brennen als Nebenwirkung angegeben (Erwachsene bis zu 17%, Kinder < 3%). Für Tacrolimus wurde auch die Induktion einer Rosazea beschrieben, was wohl auf die Salbengrundlage zurückzuführen ist. Eine andere, bei Tacrolimusanwendern beobachtete Nebenwirkung ist eine Alkoholintoleranz. Für Pimecrolimus wurden keine systemischen Nebenwirkungen beschrieben. Die Blackbox-Warnung, dass CNI Hautkrebs oder Lymphome induzieren könnten, gilt mittlerweile als widerlegt. Für die Anwendung von Pimecrolimuscreme in der Pädiatrie liegen mittlerweile auch Studiendaten zur Behandlung von 2430 Kindern im Alter von 3 bis 12 Monaten vor (4). Diese Studie hat bestätigt, dass der CNI auch in dieser Altersgruppe effektiv und sicher ist. In einem aktuellen Review wurden Effektivität und Sicherheit von Pimecrolimus nochmals hervorgehoben (5). Die Autoren dieses Reviews betonen darin ihre Einschätzung, dass
Take Home Messa es
® Für AD-Patienten mit einer schweren atopischen Dermatitis, die eine eindeutige
Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben aufweisen, ist die spezifische Immuntherapie eine sinnvolle Therapieoption mit einer hohen Erfolgsaussicht.
® Eine gute Hautpflege bildet die Basis im Management von Patienten mit AD in
allen Schweregraden.
® Für die topische symptomatische Therapie hat sich Pimecrolimus bei Patienten
aller Altersgruppen als sicher und effektiv erwiesen.
topische CNI für die Behandlung empfindlicher Hautareale bei Babys geeignet sind. Basierend auf den neueren, umfangreichen Untersuchungen zur Sicherheit der topischen CNI, empfehlen die Autoren darüber hinaus, die entsprechenden Warnhinweise über ein angebliches Malignomrisiko aus den Fachinformationen zu entfernen. Dies würde AD-Patienten den Zugang zu effektiven Medikamenten mit einem umfassend dokumentierten Sicherheitsprofil erleichtern (5).
Adela Žatecky
Referenzen: 1. Bae JM et al.: Efficacy of allergen-specific immunotherapy for atopic dermatitis: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. J Allergy Clin Immunol 2013; 132 (1): 110–107. 2. Akdis CA et al.: Diagnosis and treatment of atopic dermatitis in children and adults: European Academy of Allergology and Clinical Immunology/American Academy of Allergy, Asthma and Immunology/ PRACTALL Consensus Report. Allergy 2006; 61 (8): 969–987. 3. Huang JT et al.: Treatment of Staphylococcus aureus colonization in atopic dermatitis decreases disease severity. Pediatrics 2009; 123: e808. 4. Sigurgeirsson B et al.: Safety and efficacy of pimecrolimus in atopic dermatitis: a 5-year randomized trial. Pediatrics 2015; 135 (4): 597–606. 5. Luger T et al.: Pimecrolimus in atopic dermatitis: consensus on safety and the need to allow use in infants. Pediatr Allergy Immunol 2015; 26 (4): 306–315.
Quelle: Symposium «Dermatology and Food Intolerance» am Allergy and Immunology Update (AIU), 5. Februar 2016 in Grindelwald.
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