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VITAMIN D
Vitamin D in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen
ARMIN ZITTERMANN*
Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Wirkungen von Vitamin D weit über die klassischen Effekte auf den Kalzium- und Knochenstoffwechsel hinausgehen. Ebenfalls wurde deutlich, dass eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung in der Bevölkerung weitverbreitet ist und die Mengen an Vitamin D, die zur Erreichung adäquater Blutspiegel notwendig sind, deutlich höher liegen, als in der Vergangenheit vermutet wurde. Es verdichten sich die Hinweise, dass ein Mangel an Vitamin D als ein nicht klassischer Risikofaktor für die Morbidität und Mortalität im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen angesehen werden muss. Allein aus diesem Grund erscheinen Massnahmen zur Verbesserung der Vitamin-D-Versorgung dringend geboten.
Laut WHO waren im Jahr 2002 weltweit 12,6 Prozent aller Todesfälle Folge einer ischämischen Herzkrankheit. Wie die WHO weiterhin in ihrer Studie «Global burden of disease» feststellte, wird im Jahr 2020 die ischämische Herzkrankheit immer noch die erste Stelle der Todesursachen in der Welt einnehmen (1). Die Zahl der Todesfälle wird im Vergleich zum Jahr 1990 bis zum Jahr 2020 bei Frauen um 80 Prozent und bei Männern um 100 Prozent zugenommen haben (2). Die Mortalität aufgrund zerebrovaskulärer Ereignisse wird sich weltweit in diesem Zeitraum bei Frauen um 78 Prozent und bei Männern um 106 Prozent erhöht haben. Dieser sehr deutliche weltweite Anstieg kardiovaskulärer Erkrankungen in den kommenden Jahren ist nicht nur auf den zunehmenden Anteil älterer Menschen an der Weltbevölkerung, sondern auch auf die zunehmende weltweite Urbanisierung zurückzuführen (2, 3).
*Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, Herzund Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Ruhr-Universität Bochum, Bad Oeynhausen, Deutschland
Ebenso wie die kardiovaskulären Erkrankungen hat der Vitamin-D-Mangel das Ausmass einer Pandemie erreicht. Der Serumspiegel an 25-Hydroxyvitamin D (25[OH]D) liegt weltweit im Mittel bei 54 nmol/l (4) und in Europa bei lediglich 45 nmol/l (5). Damit liegen bereits im Mittel die Konzentrationen deutlich unterhalb des Wertes von 75 nmol/l, der als unterer Grenzwert für eine adäquate Vitamin-DVersorgung angesehen wird (6). Im Alter steigt der Anteil an Personen mit unzureichender Vitamin-D-Versorgung gegenüber jüngeren Erwachsenen noch an (7). Insbesondere Heimbewohner weisen aufgrund mangelnder Vitamin-D-Synthese in der Haut durch die meist fehlende oder unzureichende Sonnenexposition sowie durch eine altersbedingte Abnahme der Vitamin-D-Produktion sehr häufig eine defizitäre Vitamin-D-Versorgung (25[OH]DKonzentrationen < 25 nmol/l) auf (7). Da die UV-B-Intensität der Sonne im Winterhalbjahr (Mitte Oktober bis Mitte April) sehr stark abfällt und in einigen Monaten ganz fehlt, ist in Europa die Vitamin-DVersorgung im Winter schlechter als im Sommer (7, 8). In vielen europäischen Ländern ist auch die Mortalitätsrate im Winter höher als im Sommer. Diese saisonalen Unterschiede beruhen insbesondere auf einem Anstieg von kardiovaskulär und respiratorisch bedingten Todesfällen im Winter (9). Neben den saisonalen Unterschieden gibt es in manchen Ländern geografische Unterschiede nicht nur bei der Vitamin-D-Versorgung, sondern auch bei kardiovaskulären Ereignissen. So ist in Schottland der Anteil an 25(OH)D-Spiegeln im Blut unter 40 nmol/l doppelt so hoch wie in England und Wales (8). Die Rate an ischämischer Herzerkrankung ist in Schottland ebenfalls doppelt so hoch wie im Süden Grossbritanniens (10). Daten aus den USA deuten darauf hin, dass es in den letzten 15 Jahren zu einer Verschlechterung der Vitamin-D-Versorgung bei Erwachsenen gekommen ist (11). Erschreckend ist auch, dass die Stadtbevölkerung selbst in sehr sonnigen Ländern wie in Ungarn im Sommer kaum höhere Werte als im Winter aufweist (50,2 nmol/l versus 49,4 nmol/l), obwohl die 13 2/09 VITAMIN D Sonnenscheindauer im Winter im Schnitt nur 30 Minuten, im Sommer aber 570 Minuten pro Tag beträgt (12). Dies deutet auf eine absolut unzureichende VitaminD-Synthese in der Haut bei Städtern hin. In Bezug auf die Vitamin-D-Versorgung ähnelt die Situation der erwachsenen Bevölkerung derzeit sehr stark derjenigen von Säuglingen und Kleinkindern zur Zeit der Industrialisierung und Urbanisierung. In Europa und Nordamerika litten damals insbesondere in den Städten 40 bis 60 Prozent und mehr der Kleinkinder an Rachitis (13). Autopsien, die im Jahr 1909 an Kinderleichen durchgeführt wurden, ergaben sogar, dass diese Kinder zu 96 Prozent an Rachitis gelitten hatten (14). Dies verdeutlicht den engen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel, Morbidität und Mortalität. Erst effektive Prophylaxemassnahmen, die zu einer Beseitigung des Vitamin-D-Defizits führten, konnten die Rachitis in Europa und Nordamerika weitgehend ausmerzen. Bei der erwachsenen Bevölkerung sind wir von einer Optimierung der Vitamin-D-Versorgung derzeit allerdings noch weit entfernt. Vitamin D und kardiovaskuläre Morbidität In den letzten Jahren wurde eine Reihe gross angelegter Studien publiziert, die das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen in Abhängigkeit von der Vitamin-D-Versorgung untersucht haben. Bei Probanden der «Framingham-Offspring»-Studie, die insgesamt 1739 Teilnehmer umfasste, ging eine 25(OH)DKonzentration von < 37,5 nmol/l mit einem um 62 Prozent erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Koronarinsuffizienz oder Herzinsuffizienz gegenüber Personen mit 25(OH)D-Konzentrationen oberhalb dieses Wertes einher (15). Bei Teilnehmern der «Health Professionals Follow-up»-Studie war das Risiko für einen Herzinfarkt bei einem 25(OH)D-Spiegel < 37,5 nmol/l mehr als doppelt so hoch als bei Personen, deren 25(OH)D-Spiegel als adäquat angesehen wurden (> 75 nmol/l), selbst nachdem Unterschiede im Lebensstil und traditionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren mitberücksichtigt worden waren (16). Auch im Rahmen der US-amerikanischen
NHANES-III-Studie war das Risiko für koronare Herzerkrankung und Herzinsuffizienz bei Personen mit 25(OH)D-Spiegeln unter 50 nmo/l um den Faktor 3,5 gegenüber Personen mit 25(OH)D-Spiegeln über 75 nmol/l erhöht (17). Die Teilnehmer mit 25(OH)D-Konzentrationen unter 52 nmol/l wiesen auch ein um 30 Prozent höheres Risiko für Hypertonie, ein um 98 Prozent höheres Risiko für Diabetes mellitus und ein um 47 Prozent höheres Risiko für Triglyzeridspiegel über 150 mg/dl gegenüber Personen mit 25(OH)D-Spiegeln über 93 nmol/l auf (18). Eine kürzlich publizierte Befragung deutet darauf hin, dass eine schlechte Vitamin-D-Versorgung nicht erst die Folge von kardiovaskulären Erkrankungen ist, sondern bereits ursächlich an deren Auftreten beteiligt ist. So gaben Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, die nach ihren Lebensgewohnheiten in Kindheit, Jugendalter und jungem Erwachsenenalter befragt wurden, an, dass sie bereits in jungen Jahren weniger häufig Mitglieder in einem Sportklub waren und seltener Sommerferien machten als gesunde Kontrollpersonen (19). Beides kann zu einer guten Vitamin-D-Versorgung beitragen. Interessant war auch, dass die Personen, die später an Herzinsuffizienz litten, im Verlauf ihres Lebens häufiger vom Land oder von der Kleinstadt in die Grossstadt zogen – die Urbanisierung stellt offensichtlich einen Risikofaktor für die Entstehung der Erkrankung dar. Die Vitamin-DPunktzahl, die beide Gruppen erreichen konnten und die einen Hinweis zur Vitamin-D-Versorgung in jungen Jahren gab, lag bei den Patienten signifikant niedriger als bei den gesunden Kontrollen. Gestützt wird die Hypothese über den Zusammenhang zwischen einer unzureichenden Vitamin-D-Versorgung und dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse auch durch experimentelle Daten: So sind in den Gefässendothelzellen und den Zellen glatter Gefässmuskeln nicht nur Vitamin-D-Rezeptoren vorhanden. Diese Zellen sind auch in der Lage, aus der Vorstufe 25(OH)D das eigentliche Vitamin-DHormon Calcitriol selbst zu synthetisieren, was die Bedeutung von Vitamin D im Herz-Kreislauf-System unterstreicht. Mäu-
se, bei denen der Vitamin-D-Rezeptor ausgeschaltet wurde (sogenannte Vitamin-D-Rezeptor-Knockout-Mäuse), entwickeln sowohl eine Hypertonie als auch eine Herzinsuffizienz und weisen darüber hinaus auch eine erhöhte Blutgerinnungsneigung auf. Ein enger Zusammenhang besteht auch zwischen einem Mangel an Calcitriol und dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit Niereninsuffizienz (20). Bei dieser Erkrankung sinken die Calcitriolspiegel parallel zum Abfall der glomerulären Filtrationsrate ab. Gleichzeitig mit dem Absinken der Calcitriolspiegel steigt bei diesen Patienten die altersstandardisierte Rate an kardiovaskulären Ereignissen um ein Vielfaches des Wertes der Normalbevölkerung an. Die Patienten weisen auch massive arteriosklerotische Gefässveränderungen auf, unter anderem in Form von Verkalkungen. Die Verkalkungen können zu Thrombosen, Gefässrupturen und Herzinfarkt führen. In einem Tiermodell für Niereninsuffizienz, bei dem das Ausmass der Kalzifizierung der Aorta untersucht wurde, konnte durch Gabe physiologischer Mengen an Calcitriol die Verkalkung der Aorta aufgehalten werden. Bei zwei Patientengruppen mit hohem und moderatem Risiko für ischämische Herzkrankheit waren die Blutspiegel von Calcitriol invers mit dem Ausmass der Gefässkalzifizierung assoziiert (21). Mittlerweile ist eine Reihe von biochemischen Veränderungen bekannt, die bei Vitamin-D-Mangel zur Pathogenese kardiovaskulärer Erkrankungen beitragen. Hierzu zählen die vermehrte Synthese proinflammatorischer Zytokine wie Tumor-Nekrose-Faktor-(TNF-)α und Matrixmetalloproteinasen. Letztere sind am Umbau der Gefässe beteiligt und tragen zur Destabilisierung und Ruptur arteriosklerotischer Plaques bei. Bei Vitamin-DMangel werden offensichtlich auch die unerwünschten Wirkungen der AGE (advanced glycation end products) auf das Gefässsystem verstärkt. AGE entstehen im Zusammenhang mit einer Hyperglykämie und tragen zur Entwicklung vaskulärer Komplikationen bei. Ein Mangel an Vitamin D kann auch die Synthese verschiedener gefässprotektiver Sub-
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stanzen wie Interleukin 10, Matrix-GlaProtein, Osteopontin und Typ-IV-Kollagen hemmen. Kürzlich sind erste randomisierte, plazebokontrollierte Studien zum Einfluss von Vitamin D auf kadiovaskuläre Risikomarker publiziert worden. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und 25(OH)D-Spiegeln unter 50 nmol/l konnte acht Wochen nach einer einmaligen Gabe von 2500 µg Vitamin D2 eine verbesserte Endothelfunktion gemessen werden (22). Eine tägliche Vitamin-D-Supplementierung in Höhe von 83 µg über zwölf Monate führte bei Übergewichtigen mit initialen 25(OH)DSpiegeln von 30 nmol/l nicht nur zu einem Anstieg der 25(OH)D-Spiegel auf über 80 nmol/l, sondern auch zu einem 40-prozentigen Anstieg der Calcitriolspiegel sowie gegenüber der Kontrollgruppe zu einem signifikant stärkeren Abfall der Blutkonzentrationen verschiedener klassischer und nichtklassischer kardiovaskulärer Risikomarker wie Parathormon, Triglyzeride und TNF-α (23). Allerdings stieg auch der LDL-Cholesterol-Spiegel in der Vitamin-D-Gruppe signifikant an. Im Rahmen der Women’s Health Initiative Study (WHI), die bei mehreren 10 000 postmenopausalen Frauen in den USA Mitte der Neunzigerjahre gestartet wurde, konnten kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Herzattacke oder Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz durch kombinierte Kalzium- und Vitamin-D-Gabe nicht verhindert werden (24). Allerdings lag die täglich supplementierte Vitamin-D-Menge mit 10 µg deutlich unterhalb der Menge, die heutzutage als adäquat angesehen wird (siehe unten). Auch wurden keine systematischen Messungen der 25(OH)Dund Calcitriolkonzentrationen im Blut vor Beginn und am Ende der Intervention vorgenommen. In Bezug auf den Kalzium- und Vitamin-D-Arm muss die WHIStudie aus heutiger Sicht als falsch konzipiert angesehen werden.
Vitamin D und kardiovaskuläre Mortalität
Ergebnisse verschiedener prospektiver Studien unterstreichen die herausragende Bedeutung von Vitamin D für die Ge-
sundheit und damit für den Stoffwechsel des menschlichen Organismus. Bei der «Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health»-(LURIC-)Studie unterzogen sich 3258 Teilnehmer einer Koronarangiografie (25). Die Nachbeobachtungszeit betrug im Mittel 7,7 Jahre. Während dieser Zeit starben 737 Teilnehmer (22,6%), davon 463 an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diejenigen, die zum Zeitpunkt der Koronarangiografie 25(OH)-Spiegel in den beiden unteren Quartilen aufwiesen (im Mittel 19 nmol/l bzw. 33 nmol/l), hatten ein um 108 beziehungsweise 53 Prozent höheres Risiko, zu versterben als Patienten in der Quartile mit 25(OH)D-Spiegeln von 59 bis 84 nmol/l (im Mittel 71 nmol/l). Die kardiovaskuläre Mortalität war um 122 beziehungsweise 82 Prozent erhöht, auch wenn andere Risikoparameter mitberücksichtigt wurden. Ähnlich fielen die Ergebnisse für die niedrigste Quartile aus, wenn anstelle der 25(OH)D-Spiegel die Calcitriolspiegel zugrunde gelegt wurden. In der NHANES-III-Studie, in der es sich um repräsentative Teilnehmer der US-Gesamtbevölkerung handelte, wurde für die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Mortalität ein ähnlicher Zusammenhang ermittelt wie bei der LURIC-Studie, allerdings waren die Unterschiede weniger stark ausgeprägt (26). Hier ist allerdings anzumerken, dass die 25(OH)D-Werte in der niedrigsten Quartile (< 45 nmol/l) und in der obersten Quartile (> 80 nmol/l) höher lagen als in der LURIC-Studie, die Teilnehmer der NHANES-III-Studie also insgesamt deutlich besser mit Vitamin D versorgt waren als die Teilnehmer der LURIC-Studie. Bei älteren Personen in den Niederlanden war die Gesamtmortalität in der Quartile, die die niedrigsten 25(OH)D-Spiegel aufwies (im Mittel: 34 nmol/l), gegenüber den anderen Teilnehmern während eines Beobachtungszeitraums von 6,2 Jahren um 124 Prozent erhöht (27). Die Rate kardiovaskulärer Mortalität war sogar um 378 Prozent erhöht. Eine Metaanalyse prospektiver, randomisierter Studien bei Patienten mittleren und höheren Alters kam zu dem Schluss, dass durch Vitamin-D-Supplementierung während eines Beobachtungszeitraums
von im Mittel 5,7 Jahren die Gesamtmortalität um 7 Prozent gesenkt wurde (28). Dies ist insofern beachtlich, als die Dosierung meist nur 10 bis 20 µg pro Tag betrug und somit unterhalb der heutzutage als adäquat angesehenen Dosis lag (siehe unten). Obwohl die Autoren dieser Metaanalyse lediglich die Gesamtmortalität analysieren konnten, ist davon auszugehen, dass aufgrund der vergleichsweise kurzfristigen Effekte durch die Supplementierung ein signifikanter Anteil des Effekts auf eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität zurückzuführen ist.
Präventionsmassnahmen
Grundsätzlich sind die verschiedenen Massnahmen, die zur Beseitigung eines Vitamin-D-Mangels infrage kommen, bereits bei Säuglingen und Kleinkindern sehr erfolgreich praktiziert worden. Hierzu zählt die Gabe von Vitamin-DSupplementen, die Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D sowie die Exposition gegenüber Lampen mit künstlicher UV-B-Strahlung (sogenannte Höhensonne). Im Prinzip können diese Massnahmen auch beim Erwachsenen zur Vermeidung eines Vitamin-D-Mangels angewandt werden. Die derzeitigen D-A-CH-Referenzwerte für Vitamin D in Höhe von 5 µg pro Tag für Erwachsene unter 65 Jahren und von 10 µg für Erwachsene über 65 Jahre sind allerdings bei Weitem nicht ausreichend, um eine Optimierung der Vitamin-D-Versorgung zu erzielen. Untersuchungen haben ergeben, dass bei einer Blutkonzentration von 25(OH)D von im Mittel 50 nmol/l täglich etwa 75 µg Vitamin D aufgenommen werden müssen, damit nahezu alle Personen dieser Gruppe einen Blutspiegel von mindestens 75 nmol/l erreichen. Liegt der Blutspiegel im Mittel nur bei 30 nmol/l, sind sogar rund 100 µg Vitamin D täglich notwendig, um den Blutspiegel von 75 nmol/l zu erreichen (29). Wichtig wäre es daher, den Referenzwert für Vitamin D bei der nächsten anstehenden Änderung der Empfehlungen deutlich anzuheben. Hierbei wäre eine Anhebung auf 25 µg für Erwachsene bereits ein wichtiger Erfolg. Einerseits könnte bei Einhaltung dieses Wertes erreicht werden, dass die Blutspie-
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gel von 25(OH)D, die mit einem stark erhöhten Mortalitätsrisiko einhergehen (25[OH]D-Spiegel < 25 nmol/l), weitgehend eliminiert werden. Andererseits würde durch einen Referenzwert in Höhe von 25 µg pro Tag deutlich, dass die alimentäre Vitamin-D-Zufuhr, die in der Regel bei Erwachsenen in Mitteleuropa unter 5 µg pro Tag liegt, bei Weitem nicht ausreicht, um eine adäquate Vitamin-DVersorgung sicherzustellen. Falls eine Optimierung der Vitamin-D-Versorgung über Supplemente erfolgen soll, müssen diese nicht unbedingt täglich eingenommen werden. Bei entsprechender Dosierung hat sich auch eine monatliche Gabe als effektiv für die Anhebung des Blutspiegels von 25(OH)D erwiesen (30). Eine monatliche Gabe könnte beispielsweise bei Heimbewohnern oder Patienten von Arztpraxen sinnvoll sein. Daher sollte auch eine verstärkte Aufklärung der Ärzte und der Allgemeinbevölkerung über das Ausmass und die Folgen eines VitaminD-Mangels erfolgen. Eine sensibilisierte Ärzteschaft und Öffentlichkeit sind eine wichtige Voraussetzung, um den VitaminD-Mangel effektiv bekämpfen zu können. Eine Neufassung der Referenzwerte sollte auch einen Hinweis enthalten, dass Mengen bis zu 250 µg Vitamin D täglich beim Gesunden als sicher anzusehen sind (31). Dies entspricht der Menge, die bei Ganzkörperbestrahlung durch UV-B-Exposition gebildet wird. Die durch UV-B-Bestrahlung der Haut gebildeten Mengen an Vitamin D führen beim Stoffwechselgesunden (Ausnahmen sind Patienten mit Sarkoidose) nicht zu Vitamin-D-Intoxikationen. Nach weiteren positiven Forschungsergebnissen im Rahmen randomisiert kontrollierter Studien könnte dann auch über eine umfangreichere Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D nachgedacht werden. Grundsätzliche Überlegungen, wie eine optimale Strategie auszusehen hat, die sowohl einer optimalen Vitamin-D-Versorgung breiter Teile der Bevölkerung Rechnung trägt als auch toxikologische Aspekte berücksichtigt, liegen bereits vor (32). Es zeigt sich, dass eine Anreicherung einer Vielzahl von Lebensmitteln gegenüber einer Anreicherung von nur wenigen Lebensmitteln oder nur einer Lebensmittelgruppe zu bevorzugen ist. Die Höhe der Anreicherung pro 100 kcal eines Lebensmittels kann dann entsprechend des gültigen Referenzwerts für Vitamin D und der Anzahl der ausgewählten Lebensmittel ermittelt werden. Auch eine UV-Exposition kann zur Optimierung der Vitamin-D-Versorgung erwogen werden, wenn sie in kontrollierter Form erfolgt. Hierbei ist zu beachten, dass anders als früher behauptet die Exposition von Gesicht und Händen allein nicht ausreichend ist, um eine optimale Vit- amin-D-Synthese zu gewährleisten. Vielmehr sollte etwa ein Viertel der Körperoberfläche (zusätzlich zu Gesicht und Händen auch Arme und Beine) der UV-BStrahlung ausgesetzt werden. Ein Zeitraum von 20 Minuten dreimal pro Woche erscheint für die adäquate Vitamin-DSynthese ausreichend. Obwohl der Gesetzgeber in verschiedenen Ländern einer Anwendung von UV-Lampen (Solarien) aufgrund der Problematik der Hautkrebsentstehung kritisch gegenübersteht, muss auch berücksichtigt werden, dass die UV-B-Strahlung die entscheidende Quelle für die Vitamin-D-Versorgung des Menschen ist. Eine unterschiedliche Behandlung von UV-B-Strahlung der Sonne und von Solarien ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Wichtig wäre es vielmehr, Lampen anzubieten, die in ihrem UV-Spektrum sowie in der Intensität der sommerlichen Sonnenstrahlung nachempfunden sind. Gleichzeitig ist eine adäquate Schulung des Personals zu gewährleisten. Dann könnten möglicherweise auch Solarien für die Stadtbevölkerung eine sinnvolle Einrichtung zur Optimierung der Vitamin-D-Versorgung bei überschaubarem Risiko darstellen. Fazit Massnahmen zur Verbesserung der Vitamin-D-Versorgung sind sowohl europaals auch weltweit dringend erforderlich. 2/09 16 VITAMIN D Die bereits vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass hierdurch sowohl die Gesamtmortalität als auch die kardiovaskuläre Mortalität der Bevölkerung reduziert werden kann. Priorität ist jenen Massnahmen einzuräumen, die den ausgeprägten Vitamin-D-Mangel (also 25[OH]D-Blutspiegel unter 25 nmol/l) bekämpfen. Gleichzeitig sollten aber auch Anstrengungen unternommen werden, damit ein Grossteil der Bevölkerung in Zukunft 25(OH)D-Konzentrationen über 75 nmol/l aufweist. Korrespondenzadresse: PD Dr. oec. troph. Armin Zittermann Klinik für Thorax- und Kardiovaskular- chirurgie, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Georgstrasse 11 D-32545 Bad Oeynhausen Tel. 0049-(0)5731 97 1912 Fax 0049-(0)5731 97 2020 E-Mail: azittermann@hdz-nrw.de Literatur: 1. WHO: www.who.int/topics/global_burden_of_ disease/en/, 2004. Assessed 11/01/2006. 2. Yusuf S, Reddy S, Ounpuu S, Anand S. Global burden of cardiovascular diseases: Part II: variations in cardiovascular disease by specific ethnic groups and geographic regions and prevention strategies. Circulation. 2001; 104: 2855–2864. 3. Global burden of cardiovascular diseases: part I: general considerations, the epidemiologic transition, risk factors, and impact of urbanization. Yusuf S, Reddy S, Ounpuu S, Anand S. Circulation. 2001; 104: 2746–2753. 4. Hagenau T, Vest R, Gissel TN, Poulsen CS, Erlandsen M, Mosekilde L, Vestergaard P. Global vitamin D levels in relation to age, gender, skin pigmentation and latitude: an ecologic meta-regression analysis. 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