Transkript
Papeln, Pusteln, Bläschen: Wann steckt ein Pilz dahinter?
FORTBILDUNG
Hautmykosen wie Fusspilz oder Pilzbefall im Gesicht sind
häufig, doch nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.
Insbesondere entzündliche Veränderungen erschweren
die Diagnostik. Anhand von drei Kasuistiken sollen im Fol-
genden praxisrelevante diagnostische Fallstricke erörtert
werden.
Peter Mayser
Dyshidrosiforme Fussmykosen sind Ausdruck einer sich bei einer Tinea entwickelnden spezifischen verzögerten TH1-mediierten Immunreaktion ähnlich derjenigen beim allergischen Kontaktekzem. Besonders am Fussgewölbe sowie am Kleinund Grosszehballen kommt es zu dyshidrosiformen, oft leicht getrübten Bläschen auf leicht entzündlich gerötetem Grund. Es besteht heftiger Juckreiz, selten entstehen grössere Blasen (Pompholyx oder bullöser Typ der Tinea pedis). Die starke Immunreaktion kann auch für infektassoziierte sterile Fernreaktionen (Mykide), insbesondere für ein dyshidrosiformes Mykid im Bereich der Hände, verantwortlich sein (2). Dieser Zusammenhang einer Dyshidrose im Bereich der Hände mit einer Fussmykose wird oft verkannt. Diagnostik: In den Abstrichen von Füssen und Händen finden sich massenhaft Staphylococcus aureus. Das Nativpräparat von Schuppenmaterial von der Fusssohle war positiv, nach 7 Tagen Wachstum von T. interdigitale anthropophil. Material aus dem Bereich der Hände war steril. Therapie: Nach Diagnosestellung Terbinafin (250-mg-Tabletten) über 2 Wochen, zudem Prednisolon 50 mg oral über 2 Tage mit einer Reduktion auf 25 mg über weitere 2 Tage. Zusätzlich wurde topisch eine Kombination aus einem mittelstark wirksamen Kortikosteroid (Flupredniden-21-Acetat) und einem Breitspektrumantimykotikum (Miconazol) zur zweimaligen täglichen Anwendung verordnet. Schon
MERKSÄTZE
O Dyshidrosiforme Mykide der Hände können bei 5 bis 7 Prozent der Fussmykosen beobachtet werden.
O An den Haarfollikeln gebundene Mykosen gehen oft mit intensivem Krankheitsgefühl einher.
1. Fusspilz an den Händen
Fall 1
19-jähriger Patient: 4 Wochen vor Erstvorstellung Juckreiz und Bläschenbildung zunächst am linken Fuss, 2 Wochen später auch Bläschenbildung im Bereich der Hände mit starkem Juckreiz. Bisher Anwendung eines ciclopiroxolaminhaltigen Gels. Keine weiteren Erkrankungen bekannt. Klinisch finden sich im Bereich des linken Fussaussenrands unscharf begrenzte Papeln, die zentral zu grösseren Blasen mit eitrig-putridem Inhalt konfluieren (Abbildung 1a). Ferner finden sich eine Mazeration im Bereich des 3. und des 4. Zehenzwischenraums sowie Bläschen im Bereich der Zehen (Abbildung 1b). Ausgeprägte, nahezu symmetrische Blasenbildung auch im Bereich beider Hohlhände sowie der Fingerzwischenräume (Abbildungen 2a, b). Da eine Fussmykose als prädisponierend für rezidivierende Erysipele gilt, sollte eine konsequente Therapie erfolgen (1).
nach 3 Tagen waren die entzündlichen Veränderungen deutlich rückläufig. Die topische Kombinationstherapie wurde noch 10 Tage fortgesetzt, im Bereich der Hände wurde Mometason, ein topisches Steroid der Klasse 3, in einer Cremegrundlage ebenfalls über 10 Tage verwendet.
Was kann es noch sein? Eine Reihe von Differenzialdiagnosen ist bei dyshidrotischen Veränderungen zu bedenken (3): a) Dyshidrose im Rahmen einer atopischen Diathese b) Kontaktallergie (z.B. im Bereich der Schuhe durch Leder-
farbstoffe oder Kleber mit Streureaktionen im Bereich der Hände) c) hämatogenes Kontaktekzem auf die systemische Aufnahme von Allergenen wie Nickel (auch im Zigarettenrauch) oder Perubalsam d) medikamentöse allergische Reaktionen (z.B. Penicillinantibiotika) e) psychogen bei emotionalen Stressreaktionen f) idiopathisch, ohne dass eine Ursache erkannt werden könnte g) Psoriasis pustulosa palmaris et plantaris (bei sekundärer Eintrübung der Bläschen). Mikroskopischer Pilznachweis und -kultur sind diagnostisch entscheidend.
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FORTBILDUNG
Abbildung 1a: Massive Blasenbildung im Bereich des linken Fusses
Abbildung 1b: Grossblasige Ablösung der Fusssohle, interdigitale Mazeration
Abbildung 2a und 2b: Massive Blasenbildung im Bereich der Hände, Pilznachweis negativ
Weitere häufige Mykosen
Neben den dyshidrosiformen Mykosen findet man vor allem interdigitale und squamös-hyperkeratotische Fussmykosen. Die interdigitale Form ist gekennzeichnet durch Mazeration und groblamelläre Schuppung besonders in dem engen 3. und 4. Zehenzwischenraum. Durch Ablösung der mazerierten Schichten entstehen nässende Erosionen und Rhagaden. Eine topische antimykotische Therapie ist meist ausreichend. Mit keiner oder geringer Entzündung geht die squamöshyperkeratotische Form einher. Sie ist meist durch eine wenig entzündliche Schuppung der gesamten Fusssohle charakterisiert. An den Fussrändern kann sich eine scharf begrenzte, randbetonte Schuppung auf erythematösem Grund zeigen (Mokassin-Mykose). Erreger sind an den Menschen gut angepasste Dermatophyten wie insbesondere T. rubrum. Aufgrund der Dicke der Leistenhaut ist eine systemische antimykotische Therapie vorrangig mit Terbinafin erforderlich.
Fazit
O Dyshidrosiforme Mykide im Bereich der Hände als Ausdruck einer sterilen Fernreaktion können bei etwa 5 bis 7 Prozent der Fussmykosen beobachtet werden.
O Eine alleinige mykologische Untersuchung von Schuppenmaterial aus dem Bereich der Hände ohne Inspektion der Füsse kann zu einer Verkennung der Mykose führen.
O Da es sich bei der zugrunde liegenden Pilzinfektion jedoch häufiger um tiefe oder stark entzündliche Mykosen beziehungsweise um einen Befall der Leistenhaut handelt, sollte Terbinafin systemisch zur Anwendung kommen.
O Die stark entzündliche Komponente sowie insbesondere der quälende Juckreiz werden durch die topische Kombinationstherapie auch im Bereich der nur «mitreagierenden» Hände schnell gelindert. Initial kann eine kurzfristige systemische Glukokortikoidgabe hilfreich sein.
O Breitspektrum-Azolantimykotika wie Miconazol weisen auch eine Wirksamkeit gegenüber S. aureus auf.
Mykosen an Haarfollikeln
Sowohl in Fall 2 als auch in Fall 3 handelt es sich um an den Haarfollikeln gebundene Mykosen. Diese gehen oft mit ausgeprägten entzündlichen Veränderungen und intensivem Krankheitsgefühl einher, besonders wenn von Tieren stammende Erreger beteiligt sind. Neben den klassischen Erregern wie Microsporum canis (v. a. von Katzen) und Trichophyton (T.) interdigitale zoophil (kleine Nager) führen neue Haustiertrends zum vermehrten Auftreten bisheriger Raritäten
wie T. erinacei (von Igeln, insbesondere afrikanischer Weissbauchigel) oder T. species von A. benhamiae (meist von Meerschweinchen). Die Diagnostik ist oft dadurch erschwert, dass bei pustulösen Veränderungen meist zunächst an die häufigere bakteriell bedingte Ostiofollikulitis, besonders durch S. aureus, gedacht wird. Mykosen als Auslöser pustulöser Veränderungen werden daher oft verkannt. Fehlendes Ansprechen auf eine antibiotische Therapie und ein chronischer Verlauf sollten aber an eine Mykose denken lassen, die vorrangig durch eine Untersuchung epilierter Haare diagnostiziert werden kann (4). Diagnostik: Epilierte Haare zeigen im Nativpräparat eine Manschette aus Sporen und Hyphen. Bei dem 52-jährigen Landwirt findet sich in der Kultur nach zirka 4 Wochen Wachstum von T. verrucosum. Bei der 66-jährigen Patientin wächst nach 7 Tagen T. species von A. benhamiae, das meist von Meerschweinchen übertragen wird (5). Therapie: Beide Patienten erhalten Terbinafintabletten (250 mg, 1-mal tgl. abends über 4 Wochen); zudem erfolgt eine Lokalbehandlung mit einem Kombinationspräparat aus einem topischen Kortikoid der Klasse 2 und Miconazol über 14 Tage, dann Übergang auf ciclopiroxolaminhaltige Creme. In Fall 2 erfolgt schon nach 5 Tagen ein deutlicher Rückgang der entzündlichen Komponente und der subjektiven Beschwerden. In Fall 3 wird dies nach 6 Tagen beobachtet. Nach 11 Tagen in Fall 2 beziehungsweise nach 28 Tagen in Fall 3 zeigen sich eine weitgehende Abflachung des Herds, kein Eiteraustritt und keine Lymphknotenschwellungen. In beiden Fällen resultierte jedoch in den zentralen Bereichen ein Teilverlust der Haare.
Fazit
O Bei der Tinea barbae handelt es sich um eine tiefe abszedierende Follikulitis der Barthaare, insbesondere durch T. verrucosum (Hauptwirt Rinder), sowie um die zoophile Form von T. interdigitale (Hauptwirt Nager), die oft von Allgemeinsymptomen begleitet ist.
O Die Tinea capitis ist zwar vornehmlich eine Erkrankung des Kindesalters, sie wird aber zunehmend auch bei Erwachsenen beobachtet. Betroffen sind vor allem Immunsupprimierte sowie postmenopausale Frauen.
O Tierkontakt sollte anamnestisch erfasst werden, wobei die Tiere erscheinungsfrei sein können (asymptomatische Überträger).
O Eine Abstrichuntersuchung ist oft nicht zielführend und zeigt meist nur eine Superinfektion mit Staphylokokken an.
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2. «Pilz-Tumor» durch Haustiere
FORTBILDUNG
Abbildung 3: Plattenartiger Tumor mit follikulär gebundenen Pusteln
Fall 2
52-jähriger Landwirt, der zunächst eine kleine Veränderung am Hals rechts bemerkte und Zugsalbe anwandte. Wegen Fortschreitens erfolgte zunächst eine Therapie mit Cefuroxim 3 × 1,5 g i.v. unter der Verdachtsdiagnose einer bakteriellen Infektion. Eine Abstrichuntersuchung erbrachte den Nachweis von koagulasenegativen Staphylokokken, Pilze waren in diesem Material nicht nachweisbar. Im Bereich der rechten Halsseite und der Unterkieferregion findet sich ein ausgedehnter plattenartiger Tumor mit reichlich follikulär gebundenen Pusteln, auf Druck (schmerzhaft!) entleert sich Eiter. Schwellung der submandibulären und präaurikulären Lymphknoten. Druckschmerz und Brennen (Abbildung 3). Temperatur 37,8 °C.
Abbildung 4: Verruköser Tumor
Fall 3 66-jährige Patientin mit einem seit etwa 3 Wochen progredienten exophytischen Tumor parietal/temporal rechts, der gelegentlich etwas Schmerzen verursacht. Ein CT wurde durchgeführt – es fand sich eine semiovale Hyperdensität in der Galea rechts frontal. Rechts temporal findet sich ein 8 cm grosser verruköser Tumor, nässend, teilweise Haarverlust, auf Druck Eiteraustritt (Abbildung 4). Schwellung der nuchalen und präaurikulären Lymphknoten.
O Diagnostisch entscheidend sind direkte (Nativpräparat),
kulturelle oder PCR-gestützte Untersuchungen epilierter
betroffener Haare.
O Aufgrund der tiefen abszedierenden Entzündung ist eine
systemische antimykotische Therapie, vorzugsweise mit
Terbinafin, angezeigt.
O Gerade bei stark entzündlichen Mykosen liegt der Vorteil
einer Kombinationstherapie mit einem Breitspektrum-
antimykotikum und einem Glukokortikosteroid nicht
nur in der raschen positiven Beeinflussung der subjektiv
belastenden Symptomatik wie Juckreiz und Brennen,
sondern bei frühzeitigem Einsatz auch in der Reduktion
der starken entzündlichen Veränderungen, die zu einer
Zerstörung des Haarfollikels und damit zu Haarverlust
führen können (5).
O Breitspektrumantimykotika wie Miconazol sind gegen
Dermatophyten und pathogene Hefen sehr wirksam und
bieten den Vorteil, dass sie auch grampositive bakterielle
Erreger wie S. aureus erfassen, die bei entzündlichen For-
men tiefer follikulärer Trichophytien oft im Rahmen einer
Superinfektion nachzuweisen sind.
O
Prof. Dr. med. Peter Andreas Mayser
Universitätsklinikum Giessen und Marburg
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie –
Standort Giessen, D-35385 Giessen
Interessenkonflikte: Der Autor hält Vorträge für Almirall-Hermal, Pierre-Fabre und OmniaMed.
Literatur: 1. Mayser P: Mykosen. In: Plewig P et al. (Hrsg.) Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie
und Allergologie, 6. Aufl. Springer 2012, S. 243–279. 2. Caputo R et al.: Prevalence of superficial fungal infections among sport-active indivi-
duals. Results from the Achilles survey, a review of the literature. J Eur Acad Dermatol Venereol 15: 312–316; 2001. 3. Müller DP et al.: Microorganisms of the toe web and their importance for erysipelas of the leg. J Dtsch Dermatol Ges 2014; 12: 691–695. 4. Ilkit M et al.: Cutaneous id reactions: a comprehensive review of clinical manifestations, epidemiology, etiology, and management. Crit Rev Microbiol 2012; 38(3): 191–202. 5. Bieber T: Andere Formen von Dermatitis. In: Plewig P et al. (Hrsg.): Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie, 6. Aufl. Springer 2012; S. 529–538.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 5/2016. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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