Metainformationen


Titel
Politforum
Untertitel
-
Lead
-
Datum
Autoren
-
Rubrik
POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
Schlagworte
-
Artikel-ID
28321
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/28321
Download

Transkript


POLITFORUM

Xundheit in Bärn

MOTION vom 17.3.2016
Warnung: Dieses Medikament hat Nebenwirkungen

Erich von Siebenthal Nationalrat SVP Kanton Bern
Der Bundesrat wird beauftragt, dafür zu sorgen, dass auf Packungen von Psychopharmaka eine gut sichtbare Warnung wie folgt angebracht wird: «Warnung: Dieses Medikament hat Nebenwirkungen! Lesen Sie die Packungsbeilage vor der Einnahme.»
Begründung a. Psychopharmaka können Aggressivität, Gewalttätigkeit und irrationales Verhalten verursachen.

Bei den meisten Amokläufen der letzten Jahre konnte nachgewiesen werden, dass die Attentäter unter Einfluss von Psychopharmaka standen. Insbesondere solche mit dem Wirkstoff SSRI können zu unvorhersagbaren Reaktionen führen. Eine Studie deckt die zehn schlimmsten gewaltauslösenden, verschreibungspflichtige Medikamente auf (Kopp-Verlag 26. Januar 2011). b. Die Packungsbeilagen werden meist nicht gelesen, da nicht bekannt ist, dass dort auch die Nebenwirkungen detailliert beschrieben sind. Deshalb ist eine gut sichtbare Warnung die Lösung, um dem vorzubeugen. c. Die Nebenwirkungen bekannter Psychopharmaka (wie z.B. Ri-

talin) wurden mehrmals ergänzt. Swissmedic warnt in der neuesten Version auf ihrer Website: «Auch zu psychiatrischen Störungen kann es kommen, wie Angst und Schlaflosigkeit oder zu Gedanken von Lebensüberdruss und Todeswünschen (Suizidgedanken). Suizidales Verhalten kann verstärkt oder auch ausgelöst werden.» Mit einer solchen Warnung wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese Informationen von Eltern auch tatsächlich gelesen werden. d. Viele Psychopharmaka können zu hoher Abhängigkeit führen. Dies wird auch von den Herstellern bestätigt (z.B. Benzodiazepine = Schlafmittel). e. Bei einigen Psychopharmaka führte die Anwendung gar zu To-

desfällen (z.B. Zyprexa). Dies ist insbesondere bei der sogenannten Off-Label-Anwendung (Anwendung, für die das Medikament nicht vorgesehen ist und keine Freigabe besteht) sehr gefährlich, da sich der Patient selten bewusst ist, was er da eigentlich einnimmt. Beispiel für Off-Label-Anwendung: Dormicum, welches für Narkosen gedacht ist und für Drogenabhängige abgegeben wird («Berner Zeitung», 30. Januar 2013: «Kantonsarzt verbietet Dormicum an Süchtige»).

Die Antwort des Bundesrats vom 11.5.2016

Die Motion nimmt sich des Themas der Nebenwirkungen von Psychopharmaka an, die tatsächlich gravierend sein können. Daher solle auf den Packungen dieser Arzneimittel eine gut sichtbare Warnung angebracht werden, dass vor der Einnahme die Packungsbeilage gelesen werden soll. Jedes Arzneimittel kann Nebenwirkungen haben. Die Konsultation der Patienteninformation muss in jedem Fall erfolgen, nicht nur bei Psychopharmaka. Psychopharmaka sind nicht generell gefährlicher als andere Arzneimittel, wodurch das Anbringen dieses Hinweises nur bei dieser Arzneimittelgruppe weder korrekt noch verhältnismässig wäre.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Packungsbeilagen allenfalls nicht gelesen werden. Dies liegt aber zumeist nicht daran, dass nicht bekannt ist, dass dort über die Nebenwirkungen des Arzneimittels informiert wird, wie es in der Begründung zur Motion heisst. Der Grund ist eher, dass diese Texte zum Teil sehr umfangreich sind, und die Patientinnen und Patienten deshalb vor der detaillierten Lektüre Abstand nehmen. Umso wichtiger ist es daher, dass eine gute Beratung und Begleitung durch den verschreibenden Arzt bzw. die verschreibende Ärztin erfolgt. Dies ist bei den vorliegend angesprochenen Psychopharmaka unverzichtbar, weshalb

sie nur nach ärztlicher Verschreibung abgegeben werden dürfen. Um Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten und anderen medizinischen Fachpersonen jederzeit Zugang zu den aktuellen Versionen der Packungsbeilage sowie der Fachinformation zu geben, betreibt Swissmedic seit gut zwei Jahren eine Arzneimittelinformations-Plattform (www.swiss medicinfo.ch). Dort sind die aktuellen Versionen dieser Texte für alle in der Schweiz zugelassenen Arzneimittel zugänglich. Auf dieser Plattform wird zudem in einer Rubrik «geänderte Texte» auch speziell auf Anpassungen im Hinblick auf die Sicherheit der Arzneimittel hingewiesen. Diese sind mit «HPC» markiert; das heisst für diese wurde eine «Healthcare Professional Communication» ver-

schickt – ein Schreiben an die medizinischen Fachpersonen, das speziell auf neue Risiken hinweist. Aus Sicht des Bundesrates sind die bestehenden Sicherheitsmassnahmen mit der Nutzen/Risikobewertung bei der Zulassung und im Rahmen der Marktüberwachung, der Unterstellung unter die Rezeptpflicht mit der dazugehörenden Beratung sowie der Arzneimittel-Informationsplattform ausreichend. Er hält die in der Motion vorgeschlagene Massnahme zudem nicht für geeignet, Amokläufer von der Einnahme von Psychopharmaka vor ihren Taten abzuhalten.

546

ARS MEDICI 12 I 2016

POLITFORUM

INTERPELLATION vom 16.3.2016
Cannabisabgabe in der Apotheke – wird der THC-Gehalt kontrolliert?

Pierre-Alain Fridez
Nationalrat SP Kanton Jura
Die Presse hat vor Kurzem über die Pläne der Stadt Bern berichtet, im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie in ihren Apotheken Cannabis abzugeben. Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt keine Debatte über die Problematik der Legalisierung von Cannabis in der Schweiz anfangen, auch wenn angemerkt werden muss, dass die momentane Situation nicht zufriedenstellend ist. Wie lange können wir uns noch schamhaft hinter dem Grundsatz des Verbots verschanzen, wenn 200 000 bis 300 000 Leute in unserem Land regelmässig Cannabis konsumieren? Und was soll man erst über die Vorbehalte sagen gegenüber

der therapeutischen Anwendung von Cannabis bei Menschen, die an chronischen Schmerzen, Tumorschmerzen oder Multipler Sklerose leiden. Offenbar wird das Bundesamt für Gesundheit die Durchführung dieser Studie bewilligen. Meine Fragen beziehen sich auf die Qualität und die Eigenschaften des Produkts, das in den Apotheken abgegeben werden wird, selbstverständlich mit der Bewilligung der zuständigen Behörden. Welche Herkunft könnte das verwendete Cannabis haben? Wäre es importiert oder aus einheimischem Anbau? Und wird man vor allem dafür sorgen, dass der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) kontrolliert wird? Im Moment weisen einige Produkte auf dem Markt einen deutlich zu hohen THC-Gehalt auf, was offensichtliche Risiken birgt.

Deutschland: Cannabis für schwerkranke Patienten ab 2017

Ab 2017 soll Cannabis für Schwerkranke als Medikament zur Verfügung stehen. So hat es das Bundeskabinett beschlossen. Legalisierung und kontrollierten Verkauf der Droge an Erwachsene lehnte das Kabinett aber ab. Der Anbau der Droge soll über eine Agentur organisiert werden, die ihrerseits Anbaubetriebe anschreiben soll. Bis der Anbau in Deutschland auf die Beine gestellt ist, soll Cannabis importiert werden. Mit dem Gesetz soll Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen nach entsprechender Indikationsstellung ermöglicht werden, Cannabis zu therapeutischen Zwecken in standardisierter Qualität durch Abgabe in Apotheken zu erhalten. Mit dem Gesetzentwurf reagiert die Regierung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVG) von Anfang April: Darin erlauben die Richter einem

schwer kranken Patienten mit Multipler Sklerose den Eigenanbau von Cannabis und verpflichteten das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dazu, die eigene Plantage des Patienten zu genehmigen. Von der neuen Regelung könnten viele Patienten profitieren. In Israel und den USA geht man von 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung aus. In Deutschland könnten es demnach rund eine Million Menschen sein, die Cannabis als Arznei verschrieben bekommen. Die Hälfte von ihnen sind Schmerzpatienten, die andere Hälfte sind MS-Patienten, Patienten mit Tourette-Syndrom, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Depressionen.
Quelle: medscape

Dies die Antwort des Bundesrats vom 18.5.2016

Dem Bundesrat ist es bekannt, dass in der Stadt Bern Bestrebungen im Gange sind, im Rahmen eines Forschungsprojekts Cannabis für rekreative Zwecke kontrolliert in Apotheken abzugeben. Neben der Stadt Bern werden Pilotprojekte namentlich auch in Genf, Basel und Zürich diskutiert. Cannabis darf gestützt auf das Betäubungsmittelgesetz grundsätzlich weder angebaut, eingeführt, hergestellt noch in Verkehr gebracht werden. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kann eine Ausnahmebewilligung unter anderem für das Inverkehrbringen von Cannabis erteilen, wenn die-

ses der wissenschaftlichen Forschung dient. Das Rohmaterial oder verarbeitete Produkt kann dabei nach geltendem Gesetz sowohl importiert als auch in der Schweiz angebaut und weiterverarbeitet werden. Ob im konkreten Einzelfall die rechtlichen Voraussetzungen für eine Cannabisabgabe im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes erfüllt sind, lässt sich erst abschätzen, wenn ein grundsätzlich zulässiges Forschungsprojekt und ein entsprechendes Gesuch für eine BAG-Ausnahmebewilligung vorliegen. In einem ersten Schritt müssten die Initianten ihr Gesuch

der jeweils zuständigen kantonalen Ethikkommission unterbreiten, da sie im Geltungsbereich des Humanforschungsrechts über die Zulässigkeit eines solches Forschungsprojekts entscheidet. Die Ethikkommission prüft und bewilligt gegebenenfalls den Forschungsplan, der als zentrales Dokument zur inhaltlichen Bestimmung eines Forschungsprojekts unter anderem die grundlegende Frage nach der Qualität der abzugebenden Cannabisprodukte beantworten müsste. Es ist Sache des Gesuchstellers darzulegen, wie das Cannabis beschafft und wie dessen Qualität (u.a. Gesamt-THC-Gehalt) bestimmt werden soll. Der Bundesrat teilt jedoch grundsätzlich die

Auffassung des Interpellanten, dass der Frage der Qualität der im Rahmen einer potenziellen wissenschaftlichen Studie abgegebenen Cannabisprodukte eine zentrale Bedeutung zukommt. Mit einem Regulierungsmodell wäre es grundsätzlich möglich, Qualitätsstandards festzulegen und auch durchzusetzen. Das BAG wird bei der Beurteilung allfälliger Gesuche die bekannten Fakten zu den Risiken, welche sich aus der spezifischen Zusammensetzung des Wirkstoffgehalts von Cannabisprodukten ergeben, einbeziehen. Bis dato wurde noch kein entsprechendes Gesuch eingereicht.

ARS MEDICI 12 I 2016

547