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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Ernährung
So kommt das Histamin in den Käse
Schweizer Forscher konnten die für die Histaminbildung in Käse verantwortlichen Bakterien identifizieren und wirk-
Bakterium Lactobacillus parabuchneri isoliert werden konnte. Man kennt viele andere Bakterien, die ebenfalls Hist-
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Kontaminationen in Melkanlagen sind die Hauptursache für die Histaminproblematik beim Käse.
same Massnahmen zur Senkung des Histamingehalts von Käse entwickeln. Bei zirka 1 Prozent der Bevölkerung führt bereits der Konsum geringer Mengen histaminhaltiger Lebensmittel zu pseudoallergischen Reaktionen. Histamin kann bei der Fermentierung von Lebensmitteln wie Käse, Wein, Trockenwürsten oder Sauerkraut entstehen. Untersuchungen bei Agroscope führten zu dem überraschenden Befund, dass in nahezu allen belasteten Käsen das
amin bilden können, aber offenbar ist im Käse speziell dieser Keim dafür verantwortlich. Ein Forscherteam von Agroscope entwickelte in Zusammenarbeit mit der Universität Bern Nachweismethoden für das Bakterium und fand heraus, dass Kontaminationen in Melkanlagen die Hauptursache für die Histaminproblematik beim Käse sind. Nur wenige Käsereien testen die Milch ihrer Lieferanten auf diesen Keim. Auf Anfrage
teilte Dr. Daniel Wechsler vom Agro-
scope Institut für Lebensmittelwissen-
schaften mit, dass man sich bei der Be-
ratung auf Betriebe fokussiere, die
chronisch erhöhte Histamingehalte in
ihrer Käsefabrikation aufweisen. Der-
zeit testen zirka 10 bis 20 Schweizer
Käsereien mit einem Histaminproblem
die Milch ihrer Lieferanten.
Es gibt eine Reihe von Käsesorten, bei
denen die Bildung von Histamin ausge-
schlossen oder sehr unwahrscheinlich
ist. Hierzu gehören Frisch- und Weich-
käse, weil deren Reifezeit zu kurz dafür
ist, sowie Käse aus pasteurisierter Milch,
aber auch Rohmilchkäse wie Gruyère
oder Sbrinz, da bei deren Herstellung
Temperaturen von 56 bis 58 °C erreicht
werden. Personen mit Histaminintole-
ranz wird häufig geraten, auf Rohmilch-
käse oder Käse mit niedriger Herstel-
lungstemperatur (thermisierte Milch,
die weniger stark erhitzt wird als beim
Pasteurisieren) zu verzichten. Damit
sind sie zwar auf jeden Fall auf der
sicheren Seite, das Histaminproblem
ist jedoch nicht sorten-, sondern be-
triebsspezifisch: «Es gibt zum Beispiel
Emmentaler-Käsereien, in deren Käse
Histamin praktisch nie nachweisbar ist,
während es vereinzelt auch Betriebe
gibt, in deren Käse der Histamingehalt
systematisch erhöht ist», betont Daniel
Wechsler.
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Prävention
Nierenfunktion vor Formula-Diät testen
Um das Voranschreiten einer Niereninsuffizienz zu bremsen, ist proteinarme Ernährung empfehlenswert. Gemäss internationalen Richtlinien sollten Nierenkranke, die noch keine Dialyse benötigen, täglich nicht mehr als 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen, bei einem Gewicht von 70 Kilogramm also nicht mehr als
56 Gramm pro Tag. Bei den sogenannten Formula-Diäten werden Mahlzeiten durch kalorienarme, proteinreiche Milchshakes ersetzt. Bereits ein Shake kann 30 bis 40 Gramm Protein enthalten. Radikaldiäten, bei denen sämtliche Mahlzeiten durch solche Shakes ersetzt werden, seien darum für Nierenkranke tabu, heisst es in einer Pressemitteilung
der European Renal Association – European Dialysis and Transplant Association (ERA-EDTA). Die Nephrologen weisen ausserdem darauf hin, das viele Personen sich ihrer beginnenden Nierenerkrankung gar nicht bewusst seien und diese durch langfristige proteinreiche Diäten forciert werden könne. Man empfiehlt darum, vor einer langfristigen Proteinshake-Diät die Nierenfunktion beim Hausarzt abklären zu lassen. RBOO
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ARS MEDICI 11 I 2016
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Qualität
Fünf überflüssige Massnahmen im Spital
Rückspiegel
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Zwei Jahre nach der Definition der fünf überflüssigsten Massnahmen in der Praxis hat die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) ihre Liste mit fünf häufigen Behandlungen präsentiert, auf die im Spital verzichtet werden kann. Die SGAIM fordert: 1. Keine umfangreichen Blut- oder Röntgen-
untersuchungen in regelmässigen Abständen ohne klinisch spezifische Fragestellung verordnen. 2. Keine Dauerkatheter bei Inkontinenz legen oder liegen lassen, wenn dies nur dem Komfort oder zur Überwachung des Urinvolumens bei nicht kritisch kranken Patienten dient. 3. Keine Transfusion von mehr als der minimal benötigten Menge Erythrozytenkonzentrate verordnen, um Anämiesymptome zu lindern oder einen sicheren Hämoglobinwert zu erreichen. 4. Ältere Menschen während des Krankenhausaufenthalts nicht zu lange im Bett lie-
gen lassen. Individuelle therapeutische Ziele sollten sich an den Werten und Präferenzen der Patienten orientieren. 5. Älteren Menschen als erste Wahl keine Benzodiazepine, andere Beruhigungsmittel oder Hypnotika gegen Schlaflosigkeit, Unruhe oder Delirium verabreichen und das Rezeptieren solcher Medikamente bei Spitalaustritt vermeiden.
Die Top 5 der überflüssigen Massnahmen in der Praxis sind übrigens Bildgebung in den ersten sechs Wochen bei unspezifischer Lumbalgie, PsA-Messung zwecks Screening ohne Diskussion von Risiko und Nutzen, Antibiotika bei unkomplizierten Atemwegsinfekten, präoperatives Thoraxröntgen und die langfristige Gabe von PPI bei gastrointestinalen Symptomen ohne Reduktion auf die tiefste wirksame Dosis (s. ARS MEDICI 2014; 567).
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http://www.smartermedicine.ch/de/top-five-liste
Hypertonie
Screening auf primären Hyperaldosteronismus
Obwohl bei jedem zehnten Fall von Hypertonie ein primärer Hyperaldosteronismus im Spiel sei, werde dieser Ursache noch immer zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, heisst es in einer Pressemitteilung der internationalen Endocrine Society anlässlich der Publikation neuer Richtlinien. Darin empfiehlt die Fachgesellschaft bei Hypertoniepatienten verstärkt nach primärem Hyperaldosteronismus zu suchen, zumal diese Patienten ein weitaus
höheres kardiovaskuläres Risiko haben als
Hypertoniker im Allgemeinen. Primärer Hy-
peraldosteronismus sollte darum abgeklärt
werden
O bei anhaltend 150/100 mmHg bei drei
Messungen an drei verschiedenen Tagen
O bei therapieresistenter Hypertonie
O wenn mit vier oder mehr Antihypertonika
behandelt werden muss
O bei Hypertonie und niedrigem Kalium-
spiegel
O bei Hypertonie und Nierengeschwulst
O bei Hypertonie und Schlafapnoe
O bei Hypertonie und familiärer Belastung
(frühe Hypertonie oder Schlaganfall vor
dem 40. Lebensjahr)
O bei allen Hypertonikern mit Verwandten
ersten Grades mit primärem Hyperaldo-
steronismus.
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Funder JW et al.: The management of primary aldosteronism: case detection, diagnosis, and treatment: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metabol 2016; 101(5): 1889–1916.
Vor 10 Jahren
Duschen erlaubt
Im tropischen Teil Australiens testet man, ob kleine, genähte Exzisionswunden wirklich in den ersten 48 Stunden trocken gehalten werden müssen. Dafür wurden jeweils gut 400 Patienten angewiesen, nach dem kleinen Eingriff entweder wie üblich ein Pflaster auf der Wunde zu behalten und jeglichen Wasserkontakt zu meiden oder den Verband schon bald zu entfernen und sich zu waschen wie sonst auch. Das Resultat: In beiden Gruppen kam es etwa gleich häufig zu Infektionen (8,4% vs. 8,9%). Demnach ist normales Waschen und Duschen durchaus schon bald nach einem kleinen chirurgischen Eingriff erlaubt.
Vor 50 Jahren
Weiche Landung
Zum ersten Mal gelingt sowohl sowjetischen als auch US-amerikanischen Astronomen die weiche Landung ihrer Mondsonden. Während die sowjetische Sonde Luna 9 bereits Ende Januar auf dem Erdtrabanten aufsetzte, landete das US-amerikanische Pendant Surveyor 1 am 30. Mai 1966. Zuvor hatten beide Supermächte mehrfach Sonden mit wechselndem Erfolg am Mond vorbeifliegen oder «hart» landen lassen. Die erste menschengemachte Maschine, die jemals auf dem Mond einschlug, war sieben Jahre zuvor die sowjetische Sonde Lunik 2.
Vor 100 Jahren
Flüssige Masshandschuhe
Als Ersatz für Gummihandschuhe ist eine Lösung namens Sterilin auf dem Markt. Es handelt sich um organische Verbindungen in Kombination mit Zellulose. Die Flüssigkeit wird auf den Händen verrieben und erstarrt dann zu einem «Häutchen von gummiartiger Weichheit», wie ARS MEDICI berichtet. Die durchsichtige Schicht sei elastisch, spiegelnd und vollkommen wasserbeständig und hafte sehr fest auf der Haut.
RBO
ARS MEDICI 11 I 2016