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Kongressbericht
2nd Swiss Lung Cancer (SLC) Symposium, Bern, 17. März 2016
Fortgeschrittenes nichtkleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC)
Therapielinien in der Ära der Immuntherapien im Umbruch
Auf der Palette der neuen Therapien bei fortgeschrittenem NSCLC stehen die ImmunCheckpoint-Inhibitoren aufgrund überlegener Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofile gegenüber Standardchemotherapien heute im Fokus – neben ALK- und EGFRTyrosinkinase-Inhibitoren bei entsprechenden genomischen Aberrationen. Der Artikel fasst wichtige Studienresultate als Key Messages und einen Vorschlag für eine neue Therapiesequenz zusammen, wie sie in Bern kürzlich vorgestellt wurden.
Als Immun-Checkpoint-Inhibition sind derzeit die CTLA-4-Hemmung (cytotoxic T-lymphocyte antigen 4) und die PD1/ PD-L1-Blockade (programmed-cell death protein 1 bzw. dessen Ligand) neue Pfeiler in der klinischen Praxis bei mehreren soliden Malignomen. Beim fortgeschrittenen Melanom und beim NSCLC sind diese teilweise bereits von Swissmedic zugelassen.
Grosse Erwartungen an PD1-Inhibitoren
Prof. Solange Peters, Leitende Ärztin, Medizinische Onkologie am CHUV Lausanne, fasste die aktuellen News für die klinische Praxis zusammen: Während sich der CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab (Yervoy®) in der Melanomtherapie inzwischen etabliert hat, werden mit Spannung die Resultate der CA184-Studie mit Ipilimumab beim squamösen (Plattenepithel-)NSCLC im Stadium IV für die Erstlinientherapie erwartet. Von mehreren PD1/PD-L1-Hemmern in klinischer Entwicklung wurden im letzten Jahr Daten von randomisierten Phase-IIIStudien beim NSCLC für Nivolumab (Opdivo®) und Pembrolizumab (Keytruda®; in der Schweiz derzeit noch nicht beim NSCLC zugelassen) veröffentlicht. Die aktuellen Studienresultate mit diesen Substanzen bei vorbehandeltem NSCLC im Stadium IV zeigten vergleichbar beeindruckende Daten beim 2- und 3-Jahres-Gesamtüberleben gegenüber der Chemotherapie mit 24 respektive 18%, so Peters. Weitere PD1/PD-L1-Inhibitoren (u.a. Atezolizumab, Durvalumab und Avelumab) befinden sich in klinischer Prüfung. Die Substanzen zeichnen sich
laut Peters durch hohe Ansprechraten, teilweise schnelles, aber auch «unkonventionelles» Ansprechen (z.T. plötzliches Ansprechen nach einer PlateauPhase), verstärkte Wirkung bei hoher Expression des Liganden PD-L1 (evtl. prädiktiver Faktor), ZNS-Wirkung (Ansprechen bei Hirnmetastasen) und ein günstiges Verträglichkeitsprofil aus. Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass die Wirkung auf das Gesamtüberleben (OS) ausgeprägter ist als auf das PFS, so die Onkologin. Die Höhe der Expression des Liganden PD-L1 sei wahrscheinlich prädiktiv, das sei aber weiterhin Gegenstand der Forschung.
Immuntherapien im Erst-, Zweit- und Drittliniensetting
Dr. med. Dr. phil. Sacha Rothschild, Medizinischer Onkologe am Universitätsspital Basel, erläuterte aktuelle Studien mit PD1-Inhibitoren und ihre Konsequenzen für die klinische Praxis: Der Therapiealgorithmus in der Erstlinie bei NSCLC im Stadium IV in der «Prä-ImmuntherapieÄra» stütze sich vorwiegend auf die Histologie (Adenokarzinom bzw. Plattenepithelkarzinom) und die Molekularbiologie (Konstellationen: EGFR-mutiert/ -Wildtyp bzw. ALK-positiv/-negativ) und beinhalte vor allem Chemotherapien, EGFR- und ALK-Tyrosinkinase-Hemmer (TKI) sowie eventuell Bevacizumab. Die KEYNOTE-001-Studie mit Pembrolizumab in der Dritt- und späteren Linie zeigte erstmals erstaunlich hohe Ansprechraten von 11 bis 45%, abhängig vom PD-L1-Status, ein OS von 11,3 Monaten sowie Grad-3- bis -4-Toxizitäten
bei 9,5% dieser stark vorbehandelten Patienten. Parallel dazu ergab die Studie von Gettinger (2015) mit Nivolumab ein medianes OS von 9,9 Monaten (mittlere Ansprechdauer 17 Monate) und deutlich weniger Grad-3- bis -4-Toxizitäten (4,7%) als die Chemotherapie in dieser Tumorsituation. Die CheckMate-017/057-Studien (Nivolumab vs. Docetaxel) zeigten für nicht squamöse und Plattenepithelkarzinome eine signifikante Verbesserung des OS mit Nivolumab. Die KEYNOTE010-Studie ergab ebenfalls einen signifikanten Überlebensvorteil für Pembrolizumab. Aufgrund der ermutigenden 1-JahresOS-Daten unter Atezolizumab wurde die BIRCH-Studie (n = 667) konzipiert, welche die Immuntherapie teilweise im Erstliniensetting in 3 Studienarmen (keine vs. 1 vs. 2 vorherige Chemotherapien) bei fortgeschrittenem/metastasiertem NSCLC mit nachgewiesener PD-L1-Expression (Performance-Status 0 oder 1; keine Hirnmetastasen) untersucht. In einer Analyse lag die objektive Ansprechrate (primärer Endpunkt) in der Erstlinientherapie im Bereich der späteren Therapielinien.
Phase-III-Studien mit PD1-Hemmern in der Erstlinie «Mit grosser Spannung warten wir auf die Resultate der neuen Studien in der Erstlinientherapie mit den PD1/PD-L1-Inhibitoren», sagte Rothschild. Er stellte beispielhaft die grosse CheckMate-227-Studie vor (Nivolumab vs. Chemotherapie) mit 6 Therapiearmen, unterteilt in 3 Arme (n = 990) bei Tumoren mit hoher PD-L1Expression und 3 Arme (n = 990) bei Tumoren mit niedriger PD-L1-Expression, jeweils in zwei Nivolumab-Dosierungen und Chemotherapie (Pemetrexed). Als ebenso spannend bezeichnete Rothschild die grosse KEYNOTE-042-Studie (n = 1240) bei Tumoren mit nachgewiesener PD-L1-Expression (> 1%) mit Pembrolizumab versus Chemotherapiekombination. Beide Studien untersuchen das Gesamtüberleben als primären Endpunkt. Weitere Studien in der Erstlinie un-
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Kaum Wirkung bei EGFRMutation und ALK-positiven Tumoren
Hat die Immuntherapie bei molekular definierten Subgruppen (EGFR-Mutation, ALK-Positivität, KRAS-Mutation) einen Stellenwert? Bisherige Subgruppenanalysen (mit wenigen Patienten) sprechen eher dagegen: Die KEYNOTE-001- und -010-Studien sowie die CheckMate-057Studie weisen deutlich geringere Ansprechraten auf, vor allem bei EGFR-Mutationen. Dies trifft verstärkt auf ALK-positive NSCLC zu; in der KEYNOTE-001und in der CheckMate-153-Studie zeigte sich kaum ein Ansprechen unter PD1Hemmung. Interessanterweise scheinen Raucher mit NSCLC mehr von einer Im-
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Abbildung: Vorschlag für einen neuen Therapiealgorithmus für die Erst- und die Zweitlinientherapie bei NSCLC im Stadium IV, entsprechend der derzeit molekular definierten Subgruppenanalysen. (© S. Rothschild mit freundlicher Genehmigung).
muntherapie zu profitieren.
Der Basler Onkologe stellte einen mögli-
chen neuen Therapiealgorithmus für die
Erst- und die Zweitlinientherapie bei
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derzeit molekular definierten Subgrup-
penanalysen, vor (Abbildung).
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Bärbel Hirrle
Quelle: SLC-Symposium; Bern, 17.3.2016. Vorträge: S. Peters: The role of immunotherapy in NSCLC. S. Rothschild: How to sequence therapy lines in the age of immunotherapy in NSCLC.
Ich bedanke mich bei Herrn Dr. Dr. Sacha Rothschild, Basel, für die freundliche Durchsicht.
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