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BERICHT
Wann ist eine Strahlentherapie bei gutartigen Erkrankungen sinnvoll?
Zum Einsatz von Strahlen bei Fersensporn & Co.
Strahlen werden nicht nur bei bösartigen Erkrankungen erfolgreich eingesetzt. Auch im Fall von Fersensporn, Tennisellenbogen oder Morbus Dupuytren kann eine Strahlentherapie hilfreich sein, aber hier ist sie im therapeutischen Angebot sehr viel weniger präsent. Einen Überblick über die damit verbundenen Möglichkeiten und Grenzen bot eine Fortbildung der Klinik für Radio-Onkologie des Universitätsspitals Zürich, ergänzt durch ein Update zur Arthrosetherapie.
Christine Mücke
Schon seit Jahrzehnten wird die Strahlentherapie auch bei gutartigen Erkrankungen eingesetzt, ohne dass dazu entsprechende Evidenz vorlag. «Aber in den letzten Jahren sind gute randomisierte Studien gemacht worden», sagte Prof. Dr. Guckenberger, Universitätsspital Zürich. Wesentlichen Anteil daran hatte Prof. Dr. M. Heinrich Seegenschmiedt aus dem Strahlenzentrum Hamburg, der sich seit 1995 in der Arbeitsgruppe «Gutartige Erkrankungen» der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) dem Einsatz der Strahlen bei gutartigen und entzündlichen Erkrankungen widmet. 1995 entstanden in Deutschland die ersten nationalen Konsensusleitlinien, die regelmässig überarbeitet zurzeit als «S2e Leitlinie Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen» zur Verfügung stehen (siehe Kasten 1). Mit zunehmendem Wissen hat der Einsatz der Strahlentherapie bei entzündlichen, degenerativen, hyperproliferativen sowie funktionellen Erkrankungen einen deutlichen Zuwachs zu verzeichnen. Dieser betrug von 1999 bis 2004 in Deutschland insgesamt 86 Prozent. Eine Auswertung am Strahlenzentrum Hamburg von 2009 bis 2013 zeigt, dass die grösste Zunahme bei degenerativen Gelenkbeschwerden und hyperproliferativen Erkrankungen stattfand.
Unter den entzündlichen Veränderungen haben die aktivierten Arthrosen mit fast 40 Prozent den grössten Anteil, danach folgen Fersensporn (25%) und Periarthropathien der Schulter (21%). Bei Patienten mit schmerzhaften Gelenkbeschwerden gibt die Anamnese wesentliche Hinweise auf Art und Ausprägung der Schmerzen. Etwa das Schmerzprofil, die Funktion, auch berufliche Anforderungen oder (sportliche) Hobbys gehören dazu. Aber auch die Ursache ist zu hinterfragen: Ist die Entzündung sekundär? Liegt eine Fraktur oder ein Trauma zugrunde? Wie sieht es mit Differenzialdiagnosen aus? Wichtig: Eine Strahlentherapie kommt nicht in einer primären Schmerzsituation infrage – nicht nur wegen der Möglichkeit einer Spontanremission, sondern es sollten zunächst auch andere Interventionen (Ruhigstellung, Kühlung, Injektionen, ggf. Stosswellentherapie etc.) versucht werden.
Zeitfenster beachten
«Tritt nach 3 bis 6 Monaten keine Besserung ein, sollte eine Strahlentherapie in Erwägung gezogen werden, denn in vielen Studien wird deutlich, dass das Zeitfenster zwischen 6 und 12 Monaten für eine Strahlentherapie optimal ist. Bei Schmerzen, die länger als 1 Jahr bestehen, ist mit einem schlechteren
Ansprechen auf Strahlen zu rechnen», erklärt Seegenschmiedt. Als Indikationen für eine Strahlentherapie bei schmerzhaften Prozessen gelten: O Gelenkschmerzen (mit behinderter
Normalfunktion), die sich als refraktär gegen konventionelle Behandlungen erwiesen haben; O eine funktionelle Inoperabilität oder Ablehnung einer Operation; O lange Wartezeit bis zur geplanten Operation; O Kontraindikationen gegen andere Behandlungen.
Antientzündlich oder inflamma-
torisch – die Dosis macht’s
Die immunmodulierenden Eigenschaften der Strahlen unterscheiden sich je nach Dosis: Im Niedrigdosisbereich (Einzeldosis < 1 Gy, Gesamtdosis < 12 Gy, nur perkutan) wirken sie antientzündlich. Im Hochdosisbereich (Einzeldosis 1,8–2 Gy; Gesamtdosis > 30 Gy; perkutan und interstitiell) der Therapie maligner Tumoren hingegen haben sie inflammatorische Effekte. Die lindernde Wirkung einer Niedrigdosisbestrahlung bei schmerzhafter Arthrose erklärt Seegenschmiedt mit zellulären und molekularen Effekten, die via Endothel auf Makrophagen und Leukozyten gerichtet sind. So erfolge etwa im Niedrigdosisbereich eine Dämpfung der Zellaktvität (DownRegulation), wodurch – ähnlich wie bei Medikamenten – apoptopische Reaktionen angestossen werden, die die Entzündung gezielt reduzieren: «Im Vergleich zu oralen Medikamenten, von denen wir gar nicht genau wissen, wie sie das Zielgebiet erreichen, sind Strahlen weitaus gezielter und haben weniger Nebenwirkungen.» Lokoregionaler Zugang, schneller Abbau der Entzündung und die nachhaltige Wirkung der Niedrigdosisradiotherapie seien die
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Kasten 1:
Aktualisierte Leitlinien 2015
Die im Springer-Verlag erschienene Leitlinie befasst sich mit Indikationsstellung, Dosis und Bestrahlungstherapie ausgewählter gutartiger Erkrankungen, unter anderem von Morbus Dupuytren, Morbus Ledderhose, Keloiden und Induratio penis plastica (1). Für die meisten davon gibt es in der Literatur umfangreiche Evidenz, dass die Strahlentherapie eine schonende und effektive Behandlungsoption darstellt (siehe auch Tabelle 1). Die Evidenzlevel variieren von 2c bis 4, die Empfehlungsgrade von A bis C. Somit kann eine Strahlentherapie im Rahmen interdisziplinärer Behandlungskonzepte für die meisten der genannten Erkrankungen empfohlen werden, sei es als primärer Ansatz, als wirkungsvolle Alternative oder Ergänzung zu anderen Therapieoptionen.
Erkrankung agressive Fibromatose Keloide und hypertrophe Narben schmerzhafte degenerative Gelenkerkrankungen = aktivierte Arthrose schmerzhafte Insertionstendinopathie Morbus Dupuytren (Handfläche) Morbus Ledderhose (Fusssohle)
Evidenzgrad II II
II–III
Empfehlung B B
B–C
II–III II–III
III
B–C B–C
C
Evidenz- und Empfehlungsgrade lehnen sich an das Schema des Oxford Centre of Evi-
dence-Based Medicine für die Therapie von Erkrankungen an. Studien der Klasse Ia
haben die höchste Evidenz, Studien der Klasse IV die geringste. Je besser der Evidenz-
grad, desto besser ist die wissenschaftliche Begründbarkeit für eine daraus abgeleitete
Therapieempfehlung, die Empfehlungen Grad A, B, C und D bedeuten soll/sollte/kann
durchgeführt werden beziehungsweise die Entscheidung ist offen.
Mü
Radiotherapy for Non-Malignant Disorders, Editors: Michael Heinrich Seegenschmiedt MD, Hans-Bruno Makoski MD, Klaus-Rüdiger Trott MD, Luther W. Brady MD, ISBN: 978-3-540-62550-6 (Print) 978-3-540-68943-0 (Online)
Biologische Effekte von Bestrahlung
Zelltod
DNA-Schaden
Zellüberleben
Mukositis, Hautschäden Infertilität
somatische Zelle Keimzelle
Karzinogenese Mutationen
Deterministische Effekte HOdieoSrscnihsicawhbethrräeenglegravigadnt O Schwellenwert
Stochastische Effekte
O Wahrscheinlichkeit dosisabhängig
O kein Schwellenwert
Abbildung 1: Auch eine kurze gezielte Bestrahlung kann mit langfristigen Auswirkungen einhergehen. Jede Strahlenbelastung hat tumorinduzierendes Potenzial, das jedoch nicht zwingend auch zu einem Tumor führt.
Vorteile einer Strahlentherapie, fasst der Experte zusammen. Und falls erforderlich, ist auch eine Wiederholung möglich.
Auswirkungen auf DNA und Erbgut?
Vor dem Entscheid für eine Strahlentherapie müssen allfällige Risiken und Nebenwirkungen sorgfältig in Betracht gezogen werden. Denn trotz der extrem kurzen Einwirkung der Strahlen werden in den Geweben nicht nur relativ kurzfristig einsetzende Reparaturmechanismen, sondern vor allem auch langfristige biologische Effekte angestossen (Abbildung 1). Sowohl Nebenwirkungen als auch eine Tumorinduktion könnten sich mit grosser Latenz bemerkbar machen und je nach Alter des Patienten auch Jahrzehnte später noch relevant sein, betonte Dr. Nicolaus Andratschke, Universitätsspital Zürich.
Genetisches Risiko vor allem
bei Älteren zu vernachlässigen
Insgesamt ist das Krebsrisiko abhängig von der Strahlendosis, vom exponierten Organ, vom Volumen des bestrahlten Gewebes sowie vom Alter der Betroffenen. Diese Überlegungen sind vor allem für Patienten mit Kinderwunsch relevant. Für die mehrheitlich bereits über 50 Jahre alten Patienten, die zur Bestrahlung gutartiger Veränderungen kommen, seien sie jedoch zu vernachlässigen, so Andratschke. Grundsätzlich sei die Strahlenempfindlichkeit bei Jüngeren grösser, zudem das Lebenszeitrisiko aufgrund der noch längeren Lebenszeit höher. Wenn es um die Bestrahlung wegen gutartiger Erkrankungen geht, werden Grenzwerte, ab denen sicher mit einer Tumorinduktion zu rechnen ist (deterministischer Effekt), nicht erreicht. Allerdings hat prinzipiell jede Strahlenbelastung tumorinduzierendes Potenzial, das jedoch nicht zwingend auch zu einem Tumor führt (stochastischer Effekt) – hierfür gibt es keinen Grenzwert. «Zur Abschätzung des Gesamtrisikos einer Tumorinduktion versuchen wir, die Wirkung einer applizierten Strahlendosis über die effektive Dosis zu beurteilen», erklärte der Experte. Die effektive Dosis setzt sich zusammen aus Äquivalenzdosis und – aufgrund unterschiedlicher Strahlensensitivität – organspezifischem Wichtungsfaktor. Am Beispiel der Bestrahlung eines Fersensporns
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So sehe ich das
Dr. med. Adrian Forster, Kantonsspital Winterthur
Meiner Erfahrung nach sind die besten Indikationen für einen Strahlentherapie bei gut-
artigen Erkrankungen einerseits entzündliche Erkrankungen im engeren Sinne, näm-
lich Enthesitiden im Rahmen von Spondyloarthritiden, typischerweise Ferse, welche auf
die medikamentöse Therapie wie TNF-Hemmer nicht ansprechen, andererseits diffuse
proliferative Erkrankungen, insbesondere die plantare Fibromatose – Morbus Ledder-
hose –, wenn diese zu ausgedehnt ist, um sie mittels Steroidinfiltration anzugehen. An
zweiter Stelle stehen für mich polyartikulär stark aktive Fingerpolyarthrosen.
O
Die optimale Patientenselektion
Alter < 30 Jahre
Die richtige Indikation Alter 30 bis 50 Jahre
Alter > 50 Jahre
keine RT
nach Ausschöpfen der Alternativen
frühzeitige RT sinnvoll
RT: Radiotherapie
Abbildung 2: Bei grundsätzlich richtiger Indikation orientiert sich die Entscheidung für oder gegen eine Strahlentherapie am Alter.
mit 6 × 0,5 Gy zeigte Andratschke, dass die effektive Dosis auch ohne Strahlenschutzmassnahmen mit 0,0015 Sievert niedrig und das additive genetische Risiko in diesem Fall verschwindend gering ist. Zum Vergleich: Die Strahlenbelastung eines Abdomen-CT liegt bei 0,02 Sievert.
«Das genetische Risiko ist bei den meisten Strahlenbehandlungen gutartiger Erkrankungen nicht relevant.»
Das Risiko einer Tumorinduktion als Spätfolge wird ähnlich abgeschätzt. Altersabhängig liegt das Lebenszeitrisiko wiederum im Fall einer Fersenspornbestrahlung zwischen 0,009 (Risiko bei Bestrahlung mit 50 Jahren) und 0,005 Prozent (Risiko bei Bestrahlung im Alter von 70 Jahren) sehr niedrig. Bei einer Palmarfibromatose (10 × 2 Gy) liegt die effektive Dosis bei 0,25 Sievert
und das Risiko mit 0,1 beziehungsweise 0,05 Prozent bereits etwas höher. Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Lebenszeitrisikos für eine Krebserkrankung von 20 bis 25 Prozent ist diese Risikoerhöhung jedoch praktisch nicht nachweisbar.
Eine gute Patientenselektion
ist entscheidend
Im Vergleich zu den gastrointestinalen und kardiovaskulären Risiken, die etwa mit einer Vorbehandlung durch NSAR einhergehen, ist die Strahlenbehandlung eine sichere Methode – für den richtigen Patienten mit der richtigen Indikation (siehe Abbildung 2), so das Fazit von Andratschke: «Unter 30 Jahren ist die Risikoabschätzung schwierig, da sehen wir im Moment von einer Strahlentherapie ab. Bei Patienten über 50 Jahre ist ein früher Einsatz der Strahlentherapie sinnvoll und das Risikoprofil zu rechtfertigen. Dazwischen
wird die Indikation bei uns sehr vorsichtig und erst nach Ausschöpfung der Alternativen gestellt.» Die eher konservative Indikationsstellung zur Strahlentherapie am USZ bestätigte Guckenberger in der anschliessenden Frage- und Antwortrunde: «Auch wenn die Zahlen eine andere Einschätzung erlauben und das Risiko absolut und relativ vertretbar ist, behandeln wir junge Patienten nicht. Wir konzentrieren uns auf ein Patientenkollektiv, bei dem wir keine relevanten Risiken sehen.»
Strahleneinsatz bei Fibromatosen:
vom Morbus Dupuytren ...
Wann bei Fibromatosen eine Indikation zur Stahlentherapie vorliegt, fasste Guckenberger im nächsten Vortrag zusammen. Er begann mit dem Morbus Dupuytren, einer proliferativen Erkrankung der Fibroblasten mit hoher Prävalenz. Ihr Altersgipfel liegt bei 50 bis 60 Jahren, sie ist deutlich häufiger bei Männern. Bekannt sind als Risikofaktoren unter anderem genetische und Umweltfaktoren, Alter, Tabak- und Alkoholkonsum sowie assoziierte Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs – dennoch bleibt der genauere Zusammenhang noch weitgehend unklar. Vorliegen und Ausmass einer allfälligen Kontraktur sind wichtige Kriterien für das therapeutische Vorgehen. Im klinisch fortgeschrittenen Stadium mit relevanten, schmerzhaften Kontrakturen und beeinträchtigter Lebensqualität wird chirurgisch interventiert. Im intermediären Stadium kann als einzige nicht chirurgische Option Kollagenase injiziert werden – eine effektive Massnahme, trotzdem bleiben bei einem Drittel der Patienten residuelle Kontrakturen und Bewegungseinschränkungen. Eine Strahlentherapie ist im frühen proliferativen Stadium der Erkrankung ohne relevante Kontrakturen indiziert, mit dem Ziel, die Progression zu stoppen. Die beste Studie dazu stammt aus Erlangen; sie umfasst 135 Patienten im Frühstadium mit progredienter Erkrankung über mindestens 6 Monate. Diese wurden mit 10 x 3 Gy in zwei Serien bestrahlt. Je früher ein Krankheitsstopp erzielt werden konnte, desto höher die Möglichkeit einer langfristigen Stabilisierung, so Guckenberger weiter – in der Studie gelang das nach 13 Jahren in 70 bis 87 Prozent der Fälle.
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Und die Beschwerden? Zwei Drittel der Patienten erfuhren eine Linderung, bei 14 Prozent blieben die Beschwerden unverändert, und bei 20 Prozent kam es zur Progression. Die Späteffekte der Strahlentherapie waren relativ mild und wahrscheinlich der normalen Hautalterung vergleichbar, berichtete der Experte. Überdies konnte trotz Bestrahlung im weiteren Verlauf erfolgreich operiert werden (erforderlich in 42 Fällen).
... bis Morbus Ledderhose und
Morbus Peyronie
Bei einer Fibromatose der Plantar-Aponeurose (Morbus Ledderhose) sind Kontrakturen seltener, im Vordergrund stehen Schmerzen und Einschränkungen der Gehfähigkeit durch die knotigen Veränderungen. Analog zum Morbus Dupuytren wird vorzugsweise in frühen Stadien bestrahlt, lokalisiert in
10 Sitzungen. Damit können Progression und Schmerzen bei über 80 Prozent der Patienten kontrolliert werden. Eine weitere Option für den Einsatz von Strahlen kann der seltenere Morbus Peyronie sein. Er stellt für die Betroffenen eine sehr grosse Belastung dar und hat seinen Häufigkeitsgipfel im Alter zwischen 50 und 70 Jahren. In den aktuellen AUA-Leitlinien werde die Strahlentherapie zwar nicht empfohlen, aber es gebe eine ganze Reihe von Untersuchungen – viel mehr als bei einigen anderen Indikationen, berichtete Guckenberger. So zeigen aktuelle Studien bei 29 bis 75 Prozent der Behandelten eine Verbesserung – sei es eine Reduktion der Schmerzen (56–100%) oder der Deviation (11–78%). Wichtig ist auch hier eine frühe Indikationsstellung: Liegt erstmal eine grössere Deviation vor, bildet sie sich nicht mehr zurück.
Fazit: Bei den drei genannten hyperpro-
liferativen Fibromatosen sollte die An-
wendung von Strahlen früh erwogen
werden – jedoch nur bei progredienten
Erkrankungen, da grundsätzlich die
Möglichkeit einer Spontanremission
besteht. Solange keine oder allenfalls
geringe funktionelle Einbussen vorlie-
gen, kann bei einer relevanten Zahl von
Patienten mit einer Strahlentherapie die
Erkrankung zum Stillstand gebracht
und ein chirurgisches Verfahren ver-
hindert werden, fasste Guckenberger
zusammen.
O
Christine Mücke
Quelle: Symposium Strahlentherapie: Unerwartete Hilfe bei Fersensporn, Tennisellenbogen und Morbus Dupuytren. Donnerstag, 14. Januar 2016, Universitätsspital Zürich.
Update Arthrose: Klinische Kompetenz gefragt
Bevor eine Arthrose ein Fall für den Radiologen wird, vergeht meist einige Zeit. Bis dahin spielen die richtige Diagnose und Therapie eine wichtige Rolle – und dabei vor allem die klinische Kompetenz des betreuenden Arztes.
Christine Mücke
Der erste Reflex bei Patienten mit Arthrose ist häufig ein Röntgenbild. Dieses bringt aber in der Regel weder diagnostisch noch für das weitere Prozedere wichtige Erkenntnisse, bedauerte Dr. Pius Brühlmann, Universitätsspital Zürich, zum Auftakt seines Updates über die Arthrose. Denn eine latente Arthrose ist nicht behandlungsbedürftig. Bei symptomatischer Arthrose ist es für das weitere Vorgehen entscheidend, woher der Schmerz kommt. Ist er intraartikulär, periartikulär, entzündlich oder mechanisch verursacht? «Und dafür benötigen Sie nur ihre klinische Kompetenz, weder Röntgen noch MRI», betonte der Rheumatologe. «Das Röntgenbild zeigt allenfalls, dass der Knorpel etwas verringert ist.»
Die symptomatische Arthrose ist charakterisiert durch intraartikuläre Schmerzen, Anlauf-, Bewegungs- und Belastungsschmerzen, sobald Druck auf das Gelenk ausgeübt wird (z.B. treppab auf das Knie oder treppauf auf die Hüfte). Die dekompensierte Arthrose ist wahrscheinlich therapeutisch am komplexesten, dabei liegen Irritationen im Bereich der Sehnen, Bänder und Muskeln vor; hier kann man nicht nur medikamentös eingreifen, sondern muss auch funktionell auftrainieren.
Interventionen und ihre Wirksamkeit
Die Wirksamkeit verschiedener Interventionen hinsichtlich des Schmerzes lässt sich als Wirkgrösse angeben (so-
genannte Effekt-Size; jeweils im Vergleich zu Plazebo bzw. Kontrolle). Die Zusammenfassung von Studien verschiedener Interventionen zeigt beispielsweise, dass Paracetamol (Wirkgrösse 0,15) wesentlich weniger wirksam ist als eine Gewichtsreduktion (0,20) und etwas wirksamer als Informationen über das Krankheitsbild (0,1). Paracetamol wird häufig aus Angst vor den gastrointestinalen Nebenwirkungen unter NSAR gegeben – dabei geht es selbst mit einem solchen Risiko einher. Einen diesbezüglichen Schutz ermöglicht entweder die zusätzliche Gabe von Protonenpumeninhibitoren (PPI) oder der Einsatz von Coxiben anstelle von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Topische Präparate sind mit einer Wirkgrösse von 0,45 recht effektiv, so der Experte. Die absolute Wirkung setzt sich wahrscheinlich zusammen aus der transkutanen Resorption sowie dem physikalischen Effekt der Einreibung (ausser beim Pflaster Tissugel [Flector®]).
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Injektion Glukokortikoide: Empfehlungen für die Praxis
O Intervall: mind. 4 Wochen warten
O Anzahl: max. 4 mal pro Jahr
O Dosis (Kenacort®*): – grosse Gelenke 40 mg – mittlere Gelenke 20 mg – kleine Gelenke 5-10 mg
* Die Kristallform von Kenacort® bleibt länger im Gelenk als die anderer Steroide, damit ist es bei entzündlicher Arthrose die beste Wahl für langanhaltende Wirkung.
Die intraartikulär zu applizierende Hyaluronsäure kann in alle Gelenke gespritzt werden; am häufigsten wird dies im Knie-, Hüft-, Daumensattelund Zehengrundgelenk gemacht. Sie wirke zum einen durch das hochmolekulare Netz stossdämpfend, zum anderen werde die Gleitwirkung verbessert, erläuterte Brühlmann. «Es gibt jedoch relativ wenig Studien. Wir injizieren mittlerweile einmal und schauen, wie lange die Wirkung anhielt, das variiert durchaus. Die hochmolekularen Substanzen sind teurer, aber in der Wirkung den tiefmolekularen nicht überlegen», ergänzte der Referent. Ob ein chondroprotektiver Effekt vorliegt, ist nicht untersucht; Hyaluronsäure ist nach wie vor nicht als KVG-Leistung abrechenbar. Steroide haben, intraartikulär injiziert, eine gute Wirkgrösse (0,6). Sie kommen insbesondere bei aktivierten Arthrosen zum Einsatz; bei symptomatischen Arthrosen ohne Entzündung ist Hyaluronsäure besser. Die Angst vor Nekrosen oder Knorpelabbau unter Steroiden ist unbegründet, wie eine schon etwas ältere Untersuchung bei Gonarthrose
zeigen konnte. Steroide schnitten im Vergleich zu NaCl hinsichtlich Gelenkspalt und Nebenwirkungen vergleichbar ab, in Bezug auf Schmerz und Funktion jedoch signifikant besser. Alles in allem können sie bei guter Indikation relativ grosszügig eingesetzt werden (siehe auch Kasten links), so das Fazit des Experten.
Ist ein Knorpelschutz möglich?
Können wir den Knorpel erhalten oder sogar wieder verbessern? Dafür sind die Glykosaminoglykane Chondroitinsulfat und Glukosaminsulfat geeignet. Sie stimulieren die Proteoglykan- und Hyaluronsäuresynthese und hemmen degradierende Enzyme. Ihre knorpelschützende Wirksamkeit wurde in einigen Studien zur Gonarthrose belegt; radiologisch betrachtet konnte die Abnahme des Gelenkspaltes im Vergleich zu Plazebo signifikant reduziert werden. Auch MRI-Studien haben mittlerweile gezeigt, dass die Substanzen das Knorpelvolumen stabilisieren und gegenüber Plazebo die Progression verhindern können. Bei Fingerpolyarthrose zeigten weitere Daten die Wirksamkeit von Chondroitinsulfat (Condrosulf®): Unter radiologischer Beobachtung über drei Jahre kam es bei Patienten unter dem Verum in 8,8 Prozent zu einer Progression versus 30 Prozent unter Plazebo. «Wir können zur Dauer der Einnahme momentan wenig sagen. Die Substanz wurde über drei Jahre untersucht, und es gibt keine Hinweise dafür, dass die Wirkung danach nachlässt.» Es wirke zudem sogar in signifikantem Ausmass auf Schmerz und Funktion, «auch wenn wir es dafür eigentlich nicht geben», so Brühlmann weiter. Aber es gibt auch noch etliche offene Fragen zur Chondroprotektion: Beginn und Dauer einer Therapie sind
nicht endgültig geklärt; ebenso wenig belegen Studien, inwieweit Prothesen verhindert oder verzögert werden können.
Gewichtsabnahme korreliert
mit Knorpelabbau
Eine weitere hervorragende – und nicht nur symptomatische, sondern auch chondroprotektive – nicht pharmakologische Massnahme bei Gonarthrose ist die Gewichtsabnahme. Schon mit einer durchschnittlichen Reduktion von 10 Prozent in einem Jahr konnte die Abnahme des medialen Knorpels reduziert werden, so Ergebnisse einer Untersuchung, die am letzten Jahrestreffen der Radiological Society of North America (RSNA) präsentiert wurden. Je grösser der Gewichtsverlust war, desto weniger wurde der Knorpel abgebaut, wie im MRI gezeigt werden konnte.
Eigenbluttherapie als neue
Therapieoption?
Brühlmann sprach noch eine neuere
Massnahme an, die am Universitätsspi-
tal Zürich näher untersucht werden
soll. Es geht um die Auswirkungen
einer intraartikulären Eigenblutthera-
pie im Vergleich zur Steroidinjektion.
Die Applikation der angereicherten
Plättchen, eine Mischung aus 300 bis
400 Substanzen, stimuliert die Knor-
pelmatrixsynthese und wirkt antient-
zündlich. Interessant könnte das vor
allem in bradythrophen Geweben
(Sehnen/Enthesen) und abgeschlosse-
nen Räumen (Gelenken) sein.
O
Christine Mücke
Quelle: Symposium Strahlentherapie: Unerwartete Hilfe bei Fersensporn, Tennisellenbogen und Morbus Dupuytren. Donnerstag, 14. Januar 2016, Universitätsspital Zürich.
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