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Pflanzenöl als «Herzdiät» ist nur ein Mythos
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Pflanzenöle mit hohem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren sollen der kardiovaskulären Gesundheit zuträglicher als tierische Fette mit ihrem höheren Anteil an gesättigten Fettsäuren sein. Grund hierfür sei insbesondere die cholesterinsenkende Wirkung linonelsäurereicher Pflanzenöle. Kaum eine Ernährungsweisheit ist fester im kollektiven Gedächtnis verankert, obwohl das noch niemand wirklich bewiesen hat.
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Prävention
Pflanzenöl als «Herzdiät» ist nur ein Mythos

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Pflanzenöle mit hohem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren sollen der kardiovaskulären Gesundheit zuträglicher als tierische Fette mit ihrem höheren Anteil an gesättigten Fettsäuren sein. Grund hierfür sei insbesondere die cholesterinsenkende Wirkung linonelsäurereicher Pflanzenöle. Kaum eine Ernährungsweisheit ist fester im kollektiven Gedächtnis verankert, obwohl das noch niemand wirklich bewiesen hat. Im Gegenteil: Bereits vor zwei Jahren ergab eine im Auftrag der British Heart Association erstellte Untersuchung, dass es praktisch keinen Nachweis für unterschiedliche Auswirkungen verschiedener Fettarten auf das Risiko koronarer Herzkrankheit gibt (1).
Gute randomisierte, doppelblinde Studien zum Ersatz tierischer durch pflanzliche Öle und deren gesundheitliche Wirkung gibt es kaum. Fast immer handelt es sich um retrospektive Umfragen mit Selbstangaben zum Konsum der einen oder anderen Lebensmittel, welche dann mit gesundheitlichen Parametern in Beziehung gesetzt werden. Obendrein wurden die Resultate der beiden wichtigsten Studien, die bereits in den 1960er- bis 1970er-Jahren durchgeführt wurden, bis vor kurzem nicht vollständig publiziert.

Nachdem man die alten Daten wieder ausgegraben hatte, zeigte sich, dass pflanzenölreiche Kost zwar durchaus eine Cholesterinsenkung bewirken, dies aber entgegen der Erwartung nicht zu einem längeren Leben führt. Für den Einsatz der sogenannten Herzdiät als Sekundärprävention wurde diese Erkenntnis bereits 2013 publiziert (2). Nun folgt vom gleichen Autorenteam ein ähnlich ernüchterndes Resumé für die Primärprävention (3). Die MCE-Studie (Minnesota Coronary Experiment) gilt als grösste und am sorgfältigsten durchgeführte Studie zur Cholesterinsenkung mittels Ernährung mit pflanzlichen Ölen. Sie wurde von 1968 bis 1973 mit 9423 Männern und Frauen im Alter von 20 bis 97 Jahren durchgeführt. Die Probanden waren Langzeitpatienten in sechs psychiatrischen Kliniken und einem Pflegeheim in Minnesota. Die Hälfte von ihnen erhielt Mahlzeiten mit einem höheren Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Öle mit viel Linolensäure) und wenig Cholesterin, die anderen eine Ernährung mit einem höheren Gehalt an gesättigten Fettsäuren und mehr Cholesterin (gesättige Fettsäuren 9 vs. 18 Prozent; mehrfach ungesättigte Fettsäuren 15 vs. 5 Prozent; einfach ungesättigte Fettsäuren 14 vs. 16 Prozent; Cholesterin 166 mg vs. 446 mg pro Tag). Die durchschnittliche Studiendauer betrug 384 Tage, wobei sie bei 1568 Probanden länger als zwei Jahre war. Es fanden sich keine Unterschiede bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse, kardiovaskulär bedingter Todesfälle oder der Gesamtmortalität. Dieses Resultat wurde erst 16 Jahre nach Studienende in der Zeitschrift «Arteriosclerosis» publiziert (4). Einige weitere Daten finden sich in einer wenig beachteten und später praktisch nie zitierten Doktorarbeit (5). Das Autorenteam der aktuellen Bewertung der MCE-Studie (3) hat nun sämtliche verfügbaren Rohdaten, die oben genannte Doktorarbeit sowie vorher nicht Publiziertes und die Resultate von 149 Autopsien neu ausgewertet. Sie bestätigen, dass die Ernährungsintervention nicht zu weniger Arteriosklerose oder einer längeren Lebensdauer

führte, sondern tendenziell diejenigen mit der «Herzdiät» sogar eher früher starben. Völlig entgegen der Erwartung war das Mortalitätsrisiko höher, je tiefer das Serumcholesterin sank. Dieses Phänomen war bei den älteren Probanden ab 65 Jahre am stärksten ausgeprägt. Den unter 65-Jährigen schadete die Diät zwar offenbar nicht, gebracht hatte sie ihnen allerdings auch nichts. Zusätzlich zu der Neuauswertung der MCE-Studie führten die Autoren eine Metaanalyse mit fünf weiteren randomisierten Studien durch, bei denen ebenfalls linolensäurereiche Öle die gesättigten Fette in der Ernährung ersetzen. Diese fünf Studien umfassten 10 808 Probanden, der mittlere Rückgang des Serumcholesterins betrug rund 8 bis 14 Prozent. Auch hier zeigte sich kein Nutzen bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse oder der gesamten Mortalität. Keinesfalls wolle man all diese Resultate dahingehend deuten, dass die Ernährung keinen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit habe, betonen Ransom und seine Mitautoren. Auch wenn die traditionelle Herzdiäthypothese entgegen der Erwartung offenbar nicht zutreffe, sei es doch sehr wahrscheinlich, dass unsere Ernährung eine wichtige Rolle bei der Entstehung vieler Krankheiten spiele. Die MCE-Resultate würden aber einmal mehr zeigen, dass das Verschweigen von Studiendaten dazu führen kann, den Nutzen einer Intervention zu überschätzen und deren potenzielle Risiken zu vernachlässigen. RBOO
1. Chowdhury R et al.: Association of dietary, circulating, and supplement fatty acids with coronary risk. Ann Intern Med 2014: 160: 398–404.
2. Ramsden CE et al.: Use of dietary linoleic acid for secondary prevention of coronary heart disease and death: evaluation of recovered data from the Sydney Diet Heart Study and updated meta-analysis. BMJ 2013;346:e8707
3. Ramsden CE et al.: Re-evaluation of the traditional dietheart hypothesis: analysis of recovered data from Minnesota Coronary Experiment (1968–73). BMJ 2016;353:i1246
4. Frantz ID et al.: Test of effect of lipid lowering by diet on cardiovascular risk. The Minnesota Coronary Survey. Arteriosclerosis 1989; 9:129–135.
5. Broste SK: Lifetable analysis of the Minnesota Coronary Survey. A thesis. Submitted to the Faculty fo the Graduate School. University of Minnesota. http://www.psych.uic. edu/ download/Broste_thesis_1981.pdf

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ARS MEDICI 8 I 2016

MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

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Diabetes
Kann man Typ-2-Diabetes auf Dauer weghungern? Rückspiegel

Bis heute gilt Typ-2-Diabetes als eine progrediente Erkrankung, deren Verlauf man zwar beeinflussen kann, die aber im Grunde nicht heilbar ist – es sei denn durch bariatrische Chirurgie, wobei aber auch hier bei vielen Patienten im Langzeitverlauf der Diabetes doch wieder zurückkommt. Nun weiss man, dass hungernde beziehungsweise kärglich ernährte Menschen praktisch nie einen Typ-2-Diabetes entwickeln und dass eine radikale Hungerkur diabetische Blutwerte auf Normalmass senken kann. In einer kürzlich publizierten Studie mussten 30 Diabetiker acht Wochen lang mit 600 bis 700 Kalorien auskommen. Sämtliche oralen Antidiabetika wurden zu Beginn der Hungerkur gestoppt. Als «Responder» zählen Patienten, deren Nüchternblutzucker in der Folge unter 7 mmol/l sank und bei isokalorischer Ernährung (nach den 8 Wochen) darunter blieb. Wie zu erwarten nahmen alle Probanden kräftig ab, im Durchschnitt rund 14 Kilogramm,

und sie hatten das neue Gewicht in den sechs Monaten mit der isokalorischen Diät recht gut halten können. Insgesamt zählte man 13 Responder (43%), wobei einer von ihnen den geforderten Nüchternblutzucker erst im Lauf der sechmonatigen isolkalorischen Diät im Anschluss an die Hungerkur erreichte. Die Responder waren in der Regel etwas jünger und kürzer an Diabetes erkrankt. Auch ihr Nüchternblutzuckerspiegel und der HbA1cWert waren bei ihnen zu Beginn der Studie niedriger. Bei den Respondern sank das HbA1c von 7,1 (± 0,3) auf 5,8 (± 0,2) Prozent, bei den Nicht-Respondern hingegen kaum, nämlich von 8,4 (± 0,3) auf 8,0 (± 0,5) Prozent. Ob die Diabetesheilung bei den Respondern auch langfristig anhält, muss die Zukunft zeigen.
RBOO
Steven S et al.: Very-low-calorie diet and 6 months of weight stability in type 2 diabetes: pathophysiologic changes in responders and nonresponders. Diabetes Care 2016, publishe online March 21st, 2016.

Kardiologie
Synkope als Verkehrsrisiko

In einer dänischen Studie zeigte sich, dass Autofahrer, die erstmals einen Kreislaufkollaps erlitten hatten, in der Folge ein höheres Unfallrisiko trugen. Das 5-Jahres-Risiko für Autounfälle beträgt demnach in der Allgemeinbevölkerung 5,1 Prozent (95%-Konfidenzintervall: 4,7 bis 5,4%), bei den Patienten mit Synkope waren es 8,2 Prozent (95%-KI: 7,5 bis 8,8%).

Die Autoren der Studie sprechen sich nicht für

ein Fahrverbot aus. Ein Kreislaufkollaps sei

allenfalls eines von mehreren Kriterien, das

man bei der Beurteilung des Fahrvermögens

berücksichten sollte.

RBOO

Numé AK et al.: Syncope and motor vehicle crash risk. A Danish nationwide study. JAMA Intern Med 2016; 176(4): 503–510.

Vor 10 Jahren
Kinderwunsch auf Eis
Nicht befruchtete Eizellen auf Vorrat einzufrieren, klappte lange Zeit nicht so recht – zu viele Eizellen überlebten das Auftauen nicht.
Nun hat man die Technik besser im Griff. Manche sehen darin die grösste Errungenschaft seit der Pille, weil Frauen damit ihrer biologischen Uhr ein Schnippchen schlagen könnten. Weltweit sollen bereits an die 200 Kinder geboren worden sein, die aus zuvor eingefrorenen Eizellen gezeugt wurden.
Vor 50 Jahren
Methadon statt Heroin
Heroinsucht sei am besten mit oralem Methadonchlorid beherrschbar, berichtet Ars Medici. Die Heroinsüchtigen sollen morgens und abends je 10 bis 20 mg einnehmen, über vier Wochen mit ansteigender Dosis bis zirka 150 mg täglich. Dann solle man das Methadon entziehen, zuerst am Abend.
Vor 100 Jahren
Hexenschuss wegbügeln
Schlechtes Sitzen sei die einzige Ursache für Hexenschuss, so der ungarische Arzt Csiky. Als Therapie empfiehlt er, die schmerzende Stelle mit einem «am besten elektrischen Plätteisen» aufzuwärmen. Dies sei so zu temperieren, dass es für den Patienten eine halbe bis eine Minute an einer Stelle gerade noch zu ertragen ist. Den Trick mit dem Bügeleisen publiziert Csiky in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift
RBO

ARS MEDICI 8 I 2016