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Metainformationen


Titel
ADHS bereits im Säuglings- und Kleinkindalter?
Untertitel
-
Lead
Im Kleinkindalter gehören impul- sives Verhalten, grosses Bewegungsbedürfnis und kurze Aufmerksamkeitsspanne zum normalen Verhalten. Es ist eine Herausforderung, in diesem frühen Alter den kleinen Anteil an Kindern zu erkennen, die eine persistierende ADHS-Symptomatik aufweisen werden. Die meisten Kleinkinder mit Verdacht auf ADHS entwickeln sich jedoch angemessen und haben nur passagere ADHS-ähnliche Symptome. In dieser Altersgruppe stehen psychotherapeutische beziehungsweise sozialpsychiatrische Massnahmen im Vordergrund der ADHS-Prävention.
Datum
27. Mai 2010
Journal
Pädiatrie 02/2010
Autoren
Kai von Klitzing, Mirko Döhnert
Rubrik
SCHWERPUNKT
Schlagworte
-
Artikel-ID
2544
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/2544
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Transkript


Schwerpunkt

ADHS bereits im Säuglingsund Kleinkindalter?

Im Kleinkindalter gehören impul- Von Mirko Döhnert und Kai von Klitzing

sives Verhalten, grosses Bewegungsbedürfnis und kurze Aufmerksamkeitsspanne zum normalen Verhalten. Es ist eine Herausforderung, in diesem frühen Alter den kleinen Anteil an Kindern zu erkennen, die eine persistierende ADHS-Symptomatik aufweisen werden. Die meisten Kleinkinder mit Verdacht auf ADHS entwickeln sich jedoch angemessen und haben nur passagere ADHS-ähnliche Symptome. In dieser Altersgruppe stehen psychotherapeutische beziehungsweise sozialpsychiatrische Massnahmen im Vordergrund der ADHS-Prävention.

Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörung und Impulsivität als Kernsymptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) führen vor allem mit Eintritt ins Schulalter zu schwerwiegenden Problemen. In verschiedenen Studien wurde ein Ersterkrankungsalter für die ADHS von etwa 3 bis 4 Jahren ermittelt (1, 2). Ab diesem Alter ist demzufolge eine Abgrenzung hyperkinetischer Symptome von Normvarianten des Verhaltens im Kleinkindalter prinzipiell möglich (3). Impulsives Verhalten, grosses Bewegungsbedürfnis und kurze Aufmerksamkeitsspanne zählen im Kleinkindalter zum normalen Verhaltensspektrum und haben nur selten Krankheitswert. Die Diagnosestellung einer ADHS in diesem Lebensalter ist darum sehr schwierig. Bis zu 40 Prozent der 4-Jährigen zeigen Symptome einer ADHS, die sowohl ihre Eltern als auch Vorschullehrer zumindestens vorübergehend beunruhigen (1). Allerdings weisen weniger als die Hälfte der Vorschulkinder, die die Kriterien einer ADHS erfüllen, eine dementsprechende Symptomatik auch im späteren Kindesund Jugendalter auf (4, 5). Es handelt sich also bei den meisten Klein- und Vorschulkindern um ein passageres Problem ohne wirklichen Krankheitswert. Die Herausforderung besteht darin, in diesem frühen Alter zu differenzieren zwischen dem kleinen Anteil von Kindern (5–10%), die eine persistierende ADHSSymptomatik zeigen, und den 90 bis 95 Prozent, die sich angemessen entwickeln und nur passagere ADHS-ähnliche Symptome aufweisen. Um sich dieser Herausforderung angemessen zu nähern, müssen wir uns mit den Entstehungsbedingungen

und möglichen Prädiktoren der ADHS im frühen Kindesalter befassen.
Ursachen der ADHS
Wie für viele Störungsbilder im kinderpsychiatrischen Bereich gehen die allgemeinen Modelle zur Genese der Erkrankung von einer erhöhten biologischen Vulnerabilität aus, die bestimmte neurobiologische Defizite bedingen und bei bestimmten Konstellationen der Umwelt zur Manifestation der Erkrankung führen kann. In diesem Zusammenhang müssen auch die derzeit in der Wissenschaft verfolgten Hypothesen zu Gen-Umwelt-Interaktionen, Gen-Gen-Interaktionen und epigenetischen Phänomenen Berücksichtigung finden (6–10). Die Heritabilität der ADHS wird mit bis zu 80 Prozent als ausgesprochen hoch eingeschätzt (11). Verschiedene Gene, die dabei eine Rolle spielen könnten, wurden gefunden. Diejenigen, welche in gross angelegten Untersuchungen wiederholt identifiziert werden konnten, sind mit dopaminergen Funktionen assoziiert (z.B. Dopaminrezeptor DRD-4, Dopamintransporter DAT-1 etc. [12]). Diese Gene erklären häufig aber nicht mehr als 5 Prozent des Phänotyps. Zwischen Genotyp und Phänotyp zwischengeschaltete, messbare neuropsychologische oder neurophysiologische Funktionen, die auch in nicht erkrankten Risikopopulationen auffällig sind, werden als Endophänotypen bezeichnet und stehen zurzeit im Fokus wissenschaftlicher Forschung (13–15). Die longitudinale Untersuchung solcher potenzieller Endophänotypen ergab in der neuro-

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physiologischen Forschung, dass verschiedene Hirnfunktionen, die bei ADHS-Patienten Auffälligkeiten zeigen, auch unterschiedliche Entwicklungsverläufe aufweisen. Dabei zeigten gestörte Aufmerksamkeitsfunktionen keine Entwicklung im Sinne einer einfachen Verzögerung, was vermuten lässt, dass sich dieses Problem im Verlauf der Entwicklung nicht einfach «auswachsen» wird. Die gestörte Inhibitionsfähigkeit dagegen zeigte Aspekte einer Entwicklungsverzögerung (16). Diese Ergebnisse implizieren altersabhängige Phänotypen und stützen die Beobachtung aus dem klinischen Alltag, dass Aufmerksamkeitsstörungen eher persistieren, Hyperaktivität/Impulsivität dagegen teilweise rückläufig sind. Weiterhin lässt sich damit auch vermuten, dass bereits sehr früh im Entwicklungsalter aufgrund gestörter Hirnfunk-

tionen eine erhöhte Vulnerabilität für Fehlentwicklungen wirksam werden kann. Das Ausmass umweltassoziierter Risiken, welche mit dieser biologischen Vulnerabilität interagieren und zur Manifestation einer ADHS führen, ist im Einzelfall sicher sehr unterschiedlich und wird in Wissenschaftskreisen zum Teil heftig diskutiert.
Risikofaktoren für die Entwicklung einer persistierenden ADHS
Organische Risikofaktoren wie geringes Geburtsgewicht und Frühgeburtlichkeit erbrachten zwar zum Teil positive Befunde, diese waren jedoch nicht spezifisch für eine ADHS (17–22). Ein bedeutsamer Prädiktor für eine ADHS scheint ein geringer sozioökonomischer Status zu sein (23), wobei es auch Untersuchungen gibt, die diesen Zu-

Tabelle 1:
Psychosoziale Notlagen (Family Adversity Index, FAI)*
6 empirisch nachgewiesene Risikofaktoren: psychische Erkrankung der Mutter Delinquenz des Haushaltsvorstands niedriges Bildungsniveau des Haushaltsvorstands alleinerziehender Elternteil oder anhaltende partnerschaftliche Konflikte enge Wohnverhältnisse beziehungsweise vier oder mehr Kinder im Haushalt Fremdunterbringung des Kindes
*Der FAI nach Rutter & Quinton 1997 (30), adaptiert durch Voll & Allehoff 1982 (46), dient der Erfassung psychosozialer Notlagen (kumulativer Risikoindex).
sammenhang nicht nachweisen konnten (24, 25). Vermutlich sind diese Merkmale ebenfalls nicht sehr spezifisch für eine

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ADHS. So fanden beispielsweise Shaw et al. (26), dass die häusliche Umgebung sowie Auffälligkeiten im sozialen Umfeld (Drogenkonsum, kriminelles Milieu) Störungen des Sozialverhaltens stärker vorhersagen als hyperkinetische Störungen. Ähnliche Ergebnisse erbrachte die Untersuchung von McGee et al. (25) zu beeinträchtigenden familiären Bedingungen (wie z.B. alleinerziehende Mutter, Scheidung, junges Alter, geringe Intelligenz und psychische Störungen der Mutter), die für ein breites Spektrum an Verhaltensauffälligkeiten mitbestimmend sein können, ohne spezifisch für hyperkinetische Störungen zu sein. In einer weiteren Studie zeigte sich sogar, dass Kinder mit einfachen hyperkinetischen Störungen offenbar in der Summe ihrer psychosozialen Auffälligkeiten keine Unterschiede zu gesunden Kontrollgruppen aufwiesen (17). Campbell et al. (23) untersuchten 3-Jährige und fanden, dass Temperamentsmerkmale des Kindes und aggressives, irritierbares und hyperaktives Verhalten eine hyperkinetische Störung im Alter von 9 Jahren prädizieren. Esser et al. (27, 28) untersuchten im Rahmen der prospektiv angelegten Mannheimer Risikokinderstudie mögliche Prädiktoren einer ADHS sowohl im Säuglings- als auch im Kleinkindalter. Als Vorboten einer späteren ADHS im Säuglingsalter erwiesen sich ein geringes Geburtsgewicht, die Herkunft der Mutter aus zerrütteten Verhältnissen, frühe Kontaktstörungen der Kinder sowie Vernachlässigung der Säuglinge durch die Mutter. Spezifische Vorboten für eine ADHS liessen sich aus der psychopathologischen Symptomatik des Säuglings nicht identifizieren. Als Prädiktoren für eine ADHS im Kleinkindalter (28) ergaben sich eine erhöhte motorische Unruhe und Irritierbarkeit sowie verringertes Sprachverständnis. Hypermotorisches Verhalten bereits im Alter von 2 Jahren eignet sich offenkundig gut, um im Verlauf eine Abgrenzung zu Kindern mit emotionalen Problemen zu realisieren. Die Abgrenzung zur Entwicklung einer Störung des Sozialverhaltens über psychopathologische Merkmale fällt insgesamt schwer. Kinder mit einer hyperkinetischen Störung zeigen jedoch im Vergleich zu Kindern mit einer Stö-

rung des Sozialverhaltens Defizite in der nonverbalen Intelligenz. Eltern von Kindern mit einer Störung des Sozialverhaltens fühlten sich belasteter durch ihr 2-jähriges Kind. Eine hyperkinetische Störung im Vorschulalter war darüber hinaus in dieser Studienpopulation assoziiert mit einem auffälligen Interaktionsverhalten der Mütter. Diese Mütter tadelten ihre Kinder im Alter von 2 Jahren häufiger, machten ihnen vermehrt Vorwürfe und abfällige Bemerkungen zu ihrer Person (29). In der Analyse der Daten aus der Mannheimer Risikokinderstudie konnte des Weiteren eine spezifische Gen-UmweltInteraktion nachgewiesen werden (8). Dabei zeigte der genetische Risikopolymorphismus des Dopamintransportergens (DAT1) nur dann einen Effekt auf die Entwicklung einer ADHS, wenn auch familiäre Notlagen im Sinne des Family Adversity Index nach Rutter & Quinton (30) vorlagen (Tabelle 1). Auch die Untersuchungen von Biederman et al. (31, 32) und Overmeyer et al. (33) weisen auf den Einfluss psychosozialer Risikofaktoren auf die Manifestation von ADHS hin, wobei offenbar die Bedeutung solcher psychosozialer Risiken von Klinikern unterschätzt wird (33). Romano et al. (34) untersuchten den Verlauf hyperaktiver Symptomatik vom 2. bis zum 7. Lebensjahr bei 2946 Kindern und identifizierten bestimmte Entwicklungsverläufe. Etwa 7 Prozent der untersuchten Kinder gehörten zur Gruppe mit initial hoher Hyperaktivität, welche persistierte. Dabei waren Rauchen in der Schwangerschaft, männliches Geschlecht, mütterliche Depression und feindseliges elterliches Auftreten die Prädiktoren für die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe. Die Autoren konstatieren, dass es eine kleine Gruppe von Kindern gibt, die bereits im Alter von etwa 2 Jahren eine deutlich ausgeprägte hyperkinetische Symptomatik zeigen, welche persistiert und schliesslich in das Vollbild einer ADHS münden kann. Eine frühe Identifikation dieser Kinder eröffnet den Weg für präventive Massnahmen und therapeutische Interventionen. Rauchen in der Schwangerschaft stellt als Risikofaktor für die Entwicklung einer ADHS einen wiederholt replizierten

Untersuchungsbefund dar, welcher auch Möglichkeiten für präventive Interventionen eröffnet (35, 36). Zusammenfassend kann man konstatieren, dass frühe Verhaltensauffälligkeiten (insbesondere ausgeprägte Hyperaktivität), ein ungünstiger Erziehungsstil und die Häufung psychosozialer Risikofaktoren sowie Rauchen in der Schwangerschaft die Entwicklung einer ADHS begünstigen und damit wichtige Indikatoren für Früherkennung und Frühintervention darstellen (4, 18).
Regulationsstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter
Von besonderem Interesse in der neueren Forschung ist der Einfluss sogenannter Regulationsstörungen im Säuglings- und frühen Kleinkindalter (37) auf die Entwicklung kinderpsychiatrischer Störungsbilder wie der ADHS; wichtige Manifestationsformen sind in Tabelle 2 dargestellt. Becker et al. (38) untersuchten im Rahmen der Mannheimer Risikokinderstudie frühe Regulationsstörungen als mögliche Prädiktoren für die Entwicklung einer ADHS. Kinder mit Regulationsstörungen zeigten im Verlauf häufiger eine hyperkinetische Symptomatik, ebenso wie Kinder mit einer negativen MutterKind-Interaktion und schwierigen familiären Verhältnissen (siehe Tabelle 1). Letzteres spielt für die Prädiktion einer hyperkinetischen Störung eine entscheidende Rolle, da sich kein statistischer Zusammenhang mehr zwischen multi-

Tabelle 2:
Häufige Manifestationsformen frühkindlicher Regulationsstörungen

exzessives Schreien Probleme der Schlaf-Wach-Regulation dysphorische Unruhe Fütterstörungen Schlafstörungen exzessives Klammern exzessives Trotzen aggressiv-oppositionelles Verhalten

29,4% 25,8% 30,1% 40,4% 62,8% 12,3% 20,3% 6,8%

Quelle: Die angegebenen Häufigkeiten basieren auf der Stichprobe der Münchner Spezialambulanz 1994 bis 1997 mit 1008 Familien, (aus [37], Seite 57).

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plen frühen Regulationsstörungen und späteren hyperkinetischen Störungen ergab, wenn der Familiy Adversity Index statistisch berücksichtigt wurde. Einfache Regulationsstörungen im Säuglingsalter haben im Allgemeinen eine gute Prognose (39, 40). Multiple Regulationsstörungen sind vermutlich mit der späteren Entwicklung externalisierender Störungen und hyperkinetischen Störungen assoziiert (41). Wolke et al. (41) postulierten, dass persistierende frühe Regulationsstörungen möglicherweise zu Selbstregulationsstörungen im Kindesalter, wie Hyperaktivität, führen. Papoušek et al. (42, 43) fanden in Familien, deren Säuglinge multiple frühe Regulationsstörungen aufwiesen, häufig gestörte Mutter-Kind-Interaktionen, die ihrerseits das Risiko für spätere Verhaltensstörungen erhöhen. Becker et al. (38) heben zusammenfassend die Bedeutung von psychosozialen Risiken (Family Adversity Index) für die Assoziation zwischen frühen multiplen Regulationsstörungen und sich später manifestierenden hyperkinetischen Störungen hervor.
Diagnostische Probleme
Ein Problem im Rahmen der ADHS-Diagnostik im Vorschulalter ist das Fehlen geeigneter psychometrischer Instrumente. Die ADHS-Kriterien von ICD-10 und DSM-IV, die vor allem im Kindergartenund noch stärker im Schulalltag beurteilbar werden, machen eine Diagnose im Säuglingsalter und frühen Kleinkindalter nahezu unmöglich. Darüber hinaus führen die Defizite im Zusammenhang mit einer ADHS häufig erst mit dem Eintritt in die Schule zu Problemen. Differenzialdiagnostische Abgrenzungen zu Störungsbildern im Kleinkindalter, die ein erhöhtes Erregungsniveau und gegebenenfalls Aufmerksamkeitsstörungen mitbedingen, wie zum Beispiel Bindungsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen oder emotionale Störungen des Kindesalters, erfordern eine fachärztliche Abklärung und sind oft schwierig zu bewerkstelligen. Komplizierend kommt hinzu, dass frühe Traumatisierungen und Bindungsstörungen auch als verursachend für eine ADHS diskutiert werden (44).

Medikamentöse Behandlung ist die Ausnahme
Eine wichtige Säule in der Behandlung der ADHS ist neben psychotherapeutischen Vorgehen auch eine psychopharmakologische Behandlung. Connor (2) hält eine psychopharmakologische Therapie bei Kindern ab 3 Jahren für sinnvoll und gerechtfertig, sofern diese im Rahmen einer sorgfältigen Diagnostik untersucht wurden und psychotherapeutische Massnahmen nicht zum Erfolg führten. Seine Analyse beruht auf neun doppelblinden plazebokontrollierten Studien an Vorschulkindern im Alter von 1,8 bis 6 Jahren. Die vom National Institute of Mental Health (NIMH USA) initiierte Studie zu Stimulanzientherapie bei Vorschulkindern (PATS: Preschool ADHD Treatment Study) erbrachte im Vergleich zu Schulkindern geringere Effekte bei erhöhter Sensitivität für Nebenwirkungen (inkl. Wachstumsverzögerung). Die Autoren konstatieren, dass der Einsatz von Stimulanzien bei Vorschulkindern mit schwerer ADHS zu Verbesserungen führt und dass die Kliniker im Einzelfall abwägen müssen (45).
Zusammenfassung
Im Säuglings- und Kleinkindalter zeigen sich einige «Vorboten» und psychosoziale Risikofaktoren für die Entstehung einer ADHS, die den Zugang zu präventiven und interventionellen Massnahmen eröffnen. Rauchen in der Schwangerschaft, früh auftretende ausgeprägte hyperkinetische Symptome, ungünstige Erziehungsbedingungen, familiäre Notlagen, gestörte Mutter-Kind-Beziehungen und -Interaktionen sowie depressive Erkrankung der Mutter sind wesentliche Aspekte. Diese Faktoren implizieren ein primär psychotherapeutisches respektive sozialpsychiatrisches Vorgehen. Psychopharmakologische Behandlungen sind nicht die Therapie der ersten Wahl in diesem Altersspektrum. Die Indikation für eine Stimulanzienbehandlung sollte nach strengsten Kriterien erfolgen und gut abgewogen werden gegen die erhöhte Nebenwirkungsrate der Stimulanzien in

diesem Altersspektrum bei geringerer Wirksamkeit.
Korrespondenzadresse: Dr. med. Mirko Döhnert Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters Universitätsklinikum Leipzig, Liebigstrasse 20a D-04103 Leipzig E-Mail: Mirko.Doehnert@uniklinik-leipzig.de
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