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Aktuell
Neuregelung des elterlichen Sorgerechts geplant
Stiftung Kinderschutz Schweiz setzt sich ein für das Wohl des Kindes
Als nationale Stiftung macht sich Kinderschutz Schweiz dafür stark, dass alle Kinder in unserer Gesellschaft in Würde und ohne Verletzung ihrer Integrität aufwachsen können. Die Stiftung Kinderschutz Schweiz setzt sich deshalb seit Jahren erfolgreich für die Rechte der Kinder und gegen jede Form von Gewalt an Kindern ein. Aus diesem Grund wurde die Stiftung auch eingeladen, zur Revision der «elterlichen Sorge», was in Deutschland dem Sorgerecht entspricht, Position zu beziehen. Über die wichtigsten Punkte der geplanten Neuregelung sprachen wir mit der Stiftungsratspräsidentin, Nationalrätin Jacqueline Fehr.
N ach heutiger Rechtsprechung wird die elterliche Sorge für gemeinsame Kinder nur einem Elternteil – meist der Mutter – zugesprochen, es sei denn, die Eltern beantragen ausdrücklich das gemeinsame Sorgerecht. Wie Untersuchungen gezeigt haben, führt diese Situation häufig zu belastenden und konfliktträchtigen Situationen, wobei vor allem die vom Sorgerecht ausgeschlossenen
Väter leiden. Politisch kam daher die Forderung nach einer Gesetzesrevision auf, die grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht vorsieht, ausser wenn schwerwiegende Gründe dagegen sprechen. «Dies entspricht einem völligen Paradigmenwechsel», so Jacqueline Fehr, Nationalrätin und Präsidentin der Stiftung Kinderschutz Schweiz. Grundsätzlich befürwortet auch die Stiftung das gemeinsame Sorgerecht, «allerdings sind damit längst nicht alle Probleme rund um getrennte Eltern automatisch aus der Welt geschafft. Die Regelung des Sorgerechts hat unseres Erachtens einen verhältnismässig kleinen Einfluss auf das Wohl des Kindes und seine Zukunftschancen.» Es habe primär symbolische Bedeutung für den nichtbetreuenden Elternteil, so die Politikerin, und werde daher als Beitrag für einen besseren Umgang zwischen geschiedenen Paaren massiv überschätzt. Aus Sicht der Kinder wichtiger als die pure Festlegung des gemeinsamen Sorgerechts als Regelfall ist es, dass Eltern im Alltag tatsächlich bereit sind, ihre Verantwortung gegenüber den Kindern wahrzunehmen und ihren Paarkonflikt nicht auf dem Rücken der Kinder austragen. Daher unterstützt die Stiftung den vom Bundesrat vorgelegten Entwurf zur Neuregelung nicht ohne Vorbehalt. «Das gemeinsame Sorgerecht soll unserer Ansicht nach nur für die Eltern angewendet werden, die glaubhaft darstellen können, dass sie in der Lage sind, die Elternrolle konfliktfrei auszuüben und den Kindern den Zugang zu beiden Elternteilen zu ermöglichen sowie elterliche Zuwendung zu gewähren und finanzielle Sicherheit zu garantieren.» Nur so würde dem Wohl der Kinder Rechnung getragen.
Einen hohen Stellenwert hat dabei der Einbezug der Kinder mit ihren Wünschen und Bedürfnissen, was laut Jacqueline Fehr bisher nicht ausreichend gewährleistet wurde. Dabei müsse ganz klar zwischen «Befragen» und «Entscheiden» unterschieden werden. Den Kindern könne bei dieser Gelegenheit deutlich gemacht werden, dass sie keine Schuld am Konflikt ihrer Eltern tragen, dass sie sich nicht zwischen dem einen oder anderen Elternteil entscheiden müssen, hingegen ihre Interessen und Bedürfnisse für die künftige «Familienorganisation» sehr wichtig sind. So werde verhindert, dass die Kinder wie so oft in Loyalitätskonflikte geraten. Mit diesem Vorgehen gibt es bereits gute Erfahrungen. «Es hat sich ausserdem gezeigt, dass Kinder oft gute Ideen haben, wie sich konfliktträchtige Situationen im Alltag auf einfache Weise lösen lassen», so die Nationalrätin. Die Stiftung Kinderschutz Schweiz fordert daher, dass zwar im Grundsatz künftig das gemeinsame Sorgerecht gelten solle, von einem zuständigen Gericht oder einer Kinderschutzbehörde allerdings in jedem Fall geprüft werden müsse, ob dieses auch tatsächlich dem Wohl des Kindes entspricht. Grund: Wenn man in der Neuregelung die gemeinsame Sorge stärker an die Betreuungssituation knüpft, besteht auch die Chance, die Väter mehr dazu anzuhalten, nicht nur die Rechte in Anspruch zu nehmen, sondern auch die Pflichten zu erfüllen. Dazu braucht es eine umfassende, bindende Vereinbarung, in der Rechte und Pflichten beziehungsweise Betreuung und Finanzierung zwischen den Parteien ausdrücklich geklärt werden. Mit der definitiven gesetzlichen Neuregelung des elterlichen Sorgerechts wird nicht vor zwei Jahren zu rechnen sein.
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Pädiatrie 2/09 • 22