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Journal Club
Fertile Phase/Vorsorge bei Kinderwunsch
Gesundheitsvorsorge bei jungen Frauen verstärken!
Schlechte Noten für Frauen, die kurz- bis mittelfristig Nachwuchs möchten: Eine gesunde Lebensweise in der Absicht, Gesundheitsrisiken für ein Kind gering zu halten, halten wenige konsequent ein. Bevor eine Schwangerschaft feststeht, nehmen nur wenige ausreichend Folsäure ein und verzichten auf Rauchen und Alkohol. Aus diesen Resultaten einer repräsentativen britischen Studie folgern Studienleiter und Kommentatoren, dass öffentliche Aufklärungskampagnen über die Bedeutung der präkonzeptionellen Vorsorge nötig sind.
Die gesundheitliche Optimierung des mütterlichen Lebensstils vor einer Schwangerschaft ist in den letzten Jahren als zentral für die fetale Entwicklung erkannt worden; die perikonzeptionelle Periode gilt als heikle Zeit. Obwohl die Bevölkerung über viele Gesundheitsaspekte in der Schwangerschaft informiert ist, bleibt unklar, wieweit sie bei jungen Frauen ankommen, bevor sie schwanger sind. Wie in anderen europäischen Staaten hat die britische Gesundheitsbehörde Empfehlungen für die perikonzeptionelle Periode herausgegeben; eine unabhängige Studiengruppe in Südengland hat die Lebensweise von Frauen vor ihrer Schwangerschaft kürzlich untersucht.
Generelle Lifestylebefragung junger Frauen
Die prospektive Kohortenstudie (1) in der Region um Southampton schloss im Untersuchungszeitraum 1998 bis 2002 rund 12 500 Frauen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren ein, die zu Studienbeginn alle nicht schwanger waren. Die Frauen wurden im Rahmen einer generellen Gesundheits- und Lifestylebefragung ausführlich zur Einnahme von Folsäuretabletten und weiteren Nahrungssupplementen, zu Alkohol- und Zigarettenkonsum, allgemeiner Ernährung und regelmässiger sportlicher Aktivität in den vergangenen drei Monaten interviewt. In dem Gesamtkollektiv wurde bei 238 Frauen innerhalb dieses Zeitraums eine Schwangerschaft bekannt. Die Daten der Schwangeren wurden mit denen der
Kontrollgruppe verglichen und ausgewertet.
Wenig Vorsorge für eine Schwangerschaft
Das Resultat lässt aufhorchen: Die Frauen, die in den drei Monaten, auf die sich die Befragung stützt, schwanger wurden, lebten kaum gesünder als diejenigen, die nicht schwanger wurden. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Allein 2,9% (95%-KI; 1,2–6,0%) lebten entsprechend den Empfehlungen für die perikonzeptionelle Periode mit dem Verzicht auf grössere Alkoholmengen und einer Folsäureeinnahme in ausreichender Dosis von mindestens 400 µg pro Tag. Von den Frauen, die nicht schwanger wurden, waren es weniger als 1% (= 0,66%; 95%-KI; 0,52–0,82%). Nichtraucherinnen waren in der Schwangerengruppe nur geringfügig weniger Frauen (74% vs. 69% der Nichtschwangeren). In beiden Gruppen verzehrte ein gleicher Anteil (53%) etwa fünfmal täglich Gemüse und Obst, gerade 57% der schwanger gewordenen Frauen war regelmässig sportlich aktiv (vs. 64% der Nichtschwangeren).
Präkonzeptionell zu wenig Folsäure
Was die Folsäureeinnahme betrifft, zeigte sich, dass im Gesamtkollektiv weniger als die Hälfte der Frauen (44%) in den drei Monaten vor der Befragung täglich ein Präparat eingenommen hatten, von diesen nur 5,5% in der täglichen Dosis von 400 µg oder mehr. Dagegen nah-
men in der 11. Schwangerschaftswoche
fast alle der graviden Frauen (93%) ein
Folsäurepräparat. Hier zeigt sich, so Stu-
dienleiter und Kommentatoren (2), dass
die Empfehlungen zur Folsäuresubstitu-
tion zwar in der Schwangerschaft, aber
kaum für nichtschwangere Frauen in der
fertilen Phase greifen.
Diese Ergebnisse der Southampton-Stu-
die entsprechen denen vergleichbarer
Studien aus anderen Ländern. (Lediglich
bei der wöchentlichen Alkoholmenge
wies das Studienkollektiv in Southamp-
ton höhere Werte auf.) Wie die Studien-
leiter betonen, besitzt ihre Arbeit grosse
repräsentative Aussagekraft für die peri-
konzeptionelle Vorsorge, da es sich um
eine allgemeine Gesundheitsbefragung
handelt und keine Schwangerschaft zum
Zeitpunkt der Befragung bekannt gewe-
sen ist.
Die Folsäureeinnahme vor und zum Zeit-
punkt der Konzeption war im Studienkol-
lektiv generell deutlich zu niedrig, um
wirksam vor einem Neuralrohrdefekt des
Kindes (als häufigster Folge zu niedriger
mütterlicher Folsäurewerte in der peri-
konzeptionellen Periode) schützen zu
können. Wie wichtig die ausreichende
Folsäureversorgung junger Frauen ist,
zeigt sich auch daran, dass ein grosser Teil
der Frauen ungeplant schwanger wird.
Die Kommentatoren plädieren für eine
verstärkte Aufklärungsarbeit zur Gesund-
heitsvorsorge bei fertilen Frauen im Hin-
blick auf eine Schwangerschaft («window
of opportunity»), und zwar in der gesam-
ten Bevölkerung. Dabei sollten auch
Männer als künftige Väter in die Verant-
wortung sowie jugendliche Schüler im
Rahmen der Gesundheitserziehung ein-
bezogen werden.
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hir
Quellen:
1. Inskip, H.M. et al. (Southampton Women’s Survey Study Group): Women’s compliance with nutrition and lifestyle recommendations before pregnancy: general population cohort study. BMJ 2009; 338: 586–589.
2. Bille, C., Nybo Andersen, A.M.: Preconception care. Public health campaigns are not reaching most women. BMJ 2009; 338: 552–553.
34 GYNÄKOLOGIE 3/2009