Transkript
FORUM
Und immer wieder: Negativstudien zur Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel
Mit sofort ersichtlichen, gravierenden methodischen Mängeln
Mit einer fast voraussehbaren Regelmässigkeit erscheinen in medizinischen Zeitschriften Artikel, die die Wirksamkeit von pflanzlichen Arzneimitteln infrage stellen beziehungsweise klar verneinen. Diese Studien weisen oft so gravierende methodische Mängel auf, dass man sich wirklich fragen muss, warum die Redak-
ohne vorher bei Fachleuten eine «Zweitmeinung» einzuholen! Und auch für die Ärzte und Ärztinnen, die der Phytotherapie ablehnend gegenüberstehen, sind solche Studien immer willkommene «Beweise» der Unwirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel. Klarstellungen aus Phytotherapiekreisen werden mit auffallender Regelmässigkeit nicht wahrgenommen beziehungsweise publiziert. Es stellt sich dabei auch die Frage, warum Studien mit so gravierenden methodischen Mängeln in wissenschaftlichen Journals publiziert werden, obwohl die Mängel jedem Reviewer sofort auffallen müssen. Auf der andern Seite weisen die Redaktionen derselben Zeitschriften phytotherapeutische Positivstudien immer wieder wegen angeblicher methodischer Mängel zurück!
Max Zeller Söhne AG im Handel) gegen LUTS (Lower Urinary Tract Symptoms), also gegen Beschwerden der unteren Harnwege. Die in die Studie eingeschlossenen Probanden mussten älter als 45 Jahre sein, eine Uroflow-Rate von mindestens 4 ml/s aufweisen sowie einen AUASI-Score zwischen 8 und 24 (AUASI: American Urological Association Symptom Index). Bei der mit diesen Probanden durchgeführten Studie wirkte das Sägepalmenpräparat gegen die LUTS tatsächlich nicht besser als Plazebo. Daraus schlossen die Autoren, dass das Sägepalmenpräparat gegen LUTS unwirksam ist. Phytotherapiefachleute erheben aber gar nicht den Anspruch, dass Serenoa repens gegen jede Art von LUTS wirksam ist, sondern nur gegen benigne Prostatahyperplasie, beziehungsweise gegen BPH-bedingte LUTS!
tionen der Zeitschriften diese
Artikel annehmen
Christoph Bachmann
Einleitung
So geschieht es immer wieder mit Ginkgo biloba und seiner Wirksamkeit bei kognitiven Störungen. Auch Johanniskraut soll stets aufs Neue bei leichten und mittleren Major Depressions doch nicht wirksam sein. Ähnlich ergeht es Serenoa repens bei benigner Prostatahyperplasie (BPH). Fachleute in Phytotherapie erkennen diese methodischen Mängel immer sehr schnell. Deshalb stellen diese Negativartikel für sie selber kein Problem dar. Ein grosses Problem hingegen ist die Tatsache, dass die Tagesmedien solche Artikel jeweils sehr gerne thematisieren und voreilig daraus den Schluss der Unwirksamkeit ziehen,
«saldo»
Das neueste Beispiel lieferte die in der Schweiz viel gelesene Zeitschrift «saldo» (Nr. 3/15.2.2012). Dort spricht der Autor eines Artikels mit dem Titel «Prostatabeschwerden: Abwarten ist oft die beste Behandlung» der Sägepalme (Serenoa repens) die Wirksamkeit bei BPH ab und beruft sich dabei unter anderem auf einen kürzlich im «JAMA» erschienenen Artikel (1) sowie auf eine Cochrane-Review aus dem Jahr 2009 (2).
«JAMA»
Das «Journal oft the American Medical Associations», «JAMA», ist bekannt dafür, dass es bereitwillig Studien veröffentlicht, die der Phytotherapie die Wirksamkeit absprechen. Methodische Mängel werden dabei gerne übersehen. Die vorliegende Studie ist ein Musterbeispiel dafür. Die Autoren testeten die Wirksamkeit des Serenoa-repens-Präparates der Firma Madaus (In der Schweiz als Prosta-Urgenin, Firma
LUTS-Ursachen
Für eine LUTS gibt es aber verschiedene Gründe. BPH ist ein häufiger Grund von LUTS, jedoch lange nicht der einzige. LUTS kann durch eine Schwäche des Detrusormuskels, eine Infektion im Urintrakt, eine chronische Prostatitis, durch Blasensteine oder einen Prostata- oder Blasentumor verursacht sein. Gegen diese weiteren Ursachen von LUTS ist die Sägepalme unwirksam.
Warum diese Studie?
Man kann daher mit Fug und Recht die Frage nach dem Sinn einer solchen Studie stellen, welche die Wirksamkeit eines Sägepalmenpräparates gegen LUTS untersucht ohne Einschluss der BPH!Warum galt als Einschlusskriterium nur LUTS, warum wurde nicht auch eine BPH als Einschlusskriterium festgelegt? Zwar galt der Uroflow als Einschlusskriterium, der gemessene, durchschnittliche Baselinewert von 14,90 ml/s widerspiegelt aber alles andere als eine
2/2012
thema PHYTOTHERAPIE
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FORUM
Probandengruppe, in der viele an einer BPH leiden. Im Gegenteil, man kann davon ausgehen, dass die grosse Mehrheit der Studienteilnehmer eine normale Prostata aufwies!
Die Cochrane-Studie 2009
Auch die 2009 erschienene Studie der Cochrane Library weist so gravierende Mängel auf, dass man ihr jeden wissenschaftlichen Wert absprechen kann. Das mag überheblich tönen, gelten doch die Studien der Cochrane Collaboration als das Mass aller Dinge in Bezug auf die medizinische Evidenz. Und trotzdem findet eine in Phytotherapie geübte Person sofort gravierende Mängel. Diese sind in diesem Heft schon einmal beschrieben worden (3, 4). Die Studie weist methodische Mängel auf, die keine vernünftigen Schlussfolgerungen erlauben. Die Autoren zitieren aber auch gemachte Studien zum Teil völlig falsch, indem sie zum Beispiel als Resultat das Gegenteil von dem zitieren, was die Autoren der betreffenden Studie tatsächlich gefolgert haben.
Wirksamkeit von Serenoa-
repens-Präparaten
Es entspricht einem korrekten wissen-
schaftlichen Verhalten, zu einer bestimm-
ten Fragestellung die vorhandene Literatur
vollständig auszuwerten und unterschied-
liche Resultate kritisch zu kommentieren. In
Bezug auf die Phytotherapie gibt es aber
Forscherteams, die auf Positivstudien gar
nicht oder kaum eingehen, und, wenn schon,
dann diese pauschal als mangelhaft dis-
qualifizieren. Wenn solche Teams aber selber
eine Studie mit schlimmen methodischen
Fehlern präsentieren und zur Untermaue-
rung der eigenen Schlussfolgerung weitere
Studien zitieren, die ebenso grosse Mängel
aufweisen, dann gibt es nur eine Antwort:
Was nicht sein darf, kann nicht sein!
Die Wirksamkeit von verschiedenen Sere-
noa-repens-Extrakten gegen BPH wurde
mit verschiedenen Studien dokumentiert
(5–11).
◆
Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46, 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch
Literaturreferenzen:
1. Barry M.J.et al.: Effect of Increasing Doses of Saw Palmetto Extract on Lower Urinary Tract Symptoms : A randomized Trial, JAMA 2011(12); 306: 1344–1351.
2. Tacklind J., MacDonald R., Rutks I. und Wilts T.J.: Serenoa repens for benign prostatic hyperplasia (Review), The Cochrane Library 2009, Issue 2, veröffentlicht von John Wiley & Sons, Ltd.
3. ARS MEDICI thema Phytotherapie 2009(4); 9: 2 und 10–13.
4. ARS MEDICI thema Phytotherapie 2009(5); 9: 20–21.
5. Carraro J.-C. et al.: Comparison of Phytotherapy (Permixon®) With Finasterid in The treatment of Benign Prostate Hyperplasia: A Randomized Internation Study of 1098 Patients, The Prostate 1996; 29: 231–240.
6. Debruyne F. et al.: Comparison of a Phytotherapeutic Agent (Permixon) with an Alpha-Blocker (Tamsulosin) in the Treatment if Benign Prstatic Hyperplasia: A 1-Year Randomized Study, European Urology 2002; 41: 497–507.
7. Debruyne F. et al.: Evaluation of the Clinical Benefit of Permixon and Tamsulosin in Severe BPH Patients – PERMAL Study Subset Analysis, European Urology 2004; 45: 773–780.
8. Riedi et al.: BPH natürlich behandeln: Ein Praxiserfahrungsbericht zu ProstaMed, Ars Medici. 2005; 2: 1–3.
9. Scaglione F. et al.: Comparision of the Potency of Different Brands of Serenoa repens Extract on 5-α-Reductase Types I and II inProstatic Co-Cultered Epithelial and Fibroblast Cells, Pharmacology, 2008; 82: 270–275.
10. Sinescu I. et al.: Long-Term Efficacy of Serenoa repens Treatment in Patients with Mild and Moderate Symptomatic Benign Prostatic Hyperplasia, Urol Int. 2011; 86(3): 284–289.
11. Derakhshani P. et al.: Beeinflussung des Internationalen Prostata-Symptomen-Score unter der Therapie mit Sägepalmenfrüchteextrakt bei täglicher Einmalgabe, Urologe 1997; 37: 384–391.