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EDITORIAL
Augenheilkunde aktuell
Haben auch Sie vor mehr als zehn Jahren während des Medizinstudiums einen ophthalmologischen Untersuchungskurs – wir nannten ihn Spiegelkurs – durchlaufen ? In diesem Kurs wurden unter anderem der Umgang mit dem Handophthalmoskop oder die Funduskopie im aufrechten Bild geübt. Sie würden wohl bei einem Besuch in einer heutigen Augenarztpraxis das Fach kaum wiedererkennen. In kaum einem anderen Fach haben sich die Untersuchungstechniken und -möglichkeiten derart verändert. Neue Diagnostik- und Früherkennungsmöglichkeiten haben Einzug in die ophthalmologische Praxis gehalten. Beginnend mit moderner digitaler Fotografie, die es erlaubt, hochauflösende Befunddokumentationen durchzuführen, bis hin zur optischen Kohärenztomographie (OCT), mit der optische Schnittbilder der Netzhaut mit einer Auflösung von bis zu 5 Mikrometern erstellt werden können. Damit ist es einerseits zu einer Revolution in der Diagnostik gekommen, andererseits erlaubten diese Untersuchungstechniken aber auch die Einführung neuer, deutlich präziserer Operationstechniken beziehungsweise -verfahren. Fast unbemerkt ist in den letzten zehn Jahren die Medikamenteninjektion in den Glaskörperraum die am häufigsten durchgeführte operative Intervention in der Ophthalmologie geworden. Der grösste Teil dieser Eingriffe dient dabei der Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration mit Anti-VEGF-
Medikamenten. Aber auch bei der diabetischen Retinopathie feiern diese Medikamente grosse Erfolge. Ebenfalls stark verändert hat sich die Operation des Grauen Stars, dem zweithäufigsten operativen Eingriff in Industrieländern. Dieser Eingriff ist in den letzten Jahren zu einem hochtechnologischen Operationsverfahren von ungeahnter Präzision beziehungsweise Vorhersagbarkeit des operativen Resultates in erfahrenen Händen geworden – weit entfernt von der Chirurgie «mit Messer und Gabel» früherer Jahrzehnte. All diese technischen Neuerungen, kombiniert mit den höheren Qualitätsanforderungen, fordern auch in unserem Fachgebiet ihren Tribut. Aufgrund des erhöhten Investitionsbedarfs für State-of-the-Art Untersuchungs- und Behandlungsmethoden verschwinden Einzelpraxen immer mehr, es entstehen immer mehr Gross- / Gruppenpraxen. Medizinische Möglichkeiten lassen die Patienten heute auch im hohen Alter aktiver sein als früher; damit steigen die Anforderungen an die eigene Sehleistung. Und dank des Fortschritts in der Ophthalmologie können viele Erwartungen heute auch erfüllt werden. Zusätzlich steigen die Patientenzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung. Ein Teufelskreis in der heutigen Zeit, welcher die Kostenexplosion im Gesundheitswesen weiter vorantreiben wird. In der neuen Serie «Augenheilkunde aktuell» wird es nun aber nicht um Kostenaspekte, sondern um die aktuellsten Entwicklungen und Möglichkeiten in unserem Fachgebiet gehen. Namhafte Experten werden Ihnen aufzeigen, was sich in den letzten Jahren in der Ophthalmologie getan hat, wie heutige Stateof-the-Art-Behandlungen aussehen und was Sie in diesem Zusammenhang wissen sollten, um Ihre Patienten gut beraten und betreuen zu können. In dieser Ausgabe beginnt Professor Justus Garweg aus dem Lindenhofspital Bern, er berichtet über die aktuelle Behandlung der diabetischen Retinopathie.
Ich wünsche Ihnen viel Gewinn für Ihre tägliche Arbeit, aber auch Vergnügen bei der Lektüre.
Dr. med. Frank Sachers
Augenzentrum Bahnhof Basel
ARS MEDICI 6 I 2016
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