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BERICHT
Was ist neu in der Hypertonietherapie?
Bekannte Medikamente, aber neue Zielwerte nach SPRINT
Die Vorgaben von Zielwerten für den Blutdruck bei Hypertoniepatienten unterliegen bemerkenswerten Schwankungen. Während ältere Studien und auf ihnen basierende Guidelines für die meisten Hochdruckkranken einen systolischen Zielwert unter 140 mmHg propagieren, hat eine kürzlich publizierte grosse Studie gezeigt, dass das kardiovaskuläre Risiko und die Gesamtmortalität bei einem systolischen Blutdruck unter 120 mmHg am tiefsten sind. Was dies für die zukünftigen Therapieempfehlungen bedeutet und wie die Blutdruckziele erreicht werden können, besprach Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka, Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich, am 11. Zürcher Hypertonietag.
Halid Bas
«44 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer haben einen Blutdruck über 140/90 mmHg», erinnerte Ruschitzka, «zudem wissen wir, dass sich für jeden Blutdruckanstieg um 20 mmHg das kardiovaskuläre Risiko verdoppelt.» Die gängige Einteilung der Blutdruckwerte und Hypertoniegrade (Tabelle)
basiert auf epidemiologischen Daten. Als hyperton gelten Blutdruckwerte ab 140 mmHg systolisch und/oder ab 90 mmHg diastolisch. Als «hochnormal» werden Werte zwischen 130 und 139 mmHg systolisch bezeichnet, und die Guidelines fordern diesen Bereich als Therapieziel. Die heutigen Thera-
MERKSÄTZE
O Die derzeit gültigen europäischen und US-amerikanischen Guidelines empfehlen eine systolische Blutdrucksenkung auf unter 140 mmHg.
O In der im November 2015 publizierten SPRINT-Studie trat der primäre kombinierte Endpunkt (Myokardinfarkt, akutes Koronarsyndrom, Hirnschlag, Herzinsuffizienz, kardiovaskulärer Tod) unter der intensiven Therapie im Vergleich zur Standardtherapie signifikant seltener auf, und auch die Gesamtmortalität lag eindeutig tiefer.
O Die beste Beeinflussung des kardiovaskulären Risikos gelang bei einem systolischen Blutdruck unter 120 mmHg.
O Diese Ergebnisse dürften zu einer Änderung der Guidelines führen.
O Blutdrucksenkende Therapie der ersten Wahl ist die Kombination eines ACEHemmers mit einem Kalziumantagonisten.
O Ist zusätzlich ein Diuretikum notwendig, haben Chlortalidon und Indapamid eine bessere Datenlage als Hydrochlorothiazid.
pieempfehlungen stützen sich vor allem auf die 2010 publizierte ACCORDStudie bei Typ-2-Diabetikern, in der eine intensive Blutdrucksenkung auf unter 120 mmHg systolisch weder bei kardiovaskulären Todesfällen noch bei nicht tödlichen Myokardinfarkten einen Nutzen erbrachte und der Vorteil hinsichtlich nicht tödlicher Hirnschläge sehr gering ausfiel.
Sind wir bei der Blutdrucksenkung
zu lasch?
Doch letzten Herbst kam die Veröffentlichung der SPRINT-Studie, die alles wieder über den Haufen wirft (1). Die Studienteilnehmer waren diesmal nicht Diabetiker, sondern im Mittel 67 Jahre alte Hochdruckpatienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko (Framingham-10-Jahres-Risikoscore 20%) und einem mittleren systolischen Ausgangsblutdruck von knapp 140 mmHg unter durchschnittlich 1,8 Antihypertensiva. Ähnlich wie in der ACCORDStudie wurden randomisiert zwei Gruppen gebildet, die entweder eine Standardbehandlung oder eine intensivierte blutdrucksenkende Therapie mit Therapieziel unterhalb von 120 mmHg systolisch erhielten. Die Studie musste vorzeitig abgebrochen werden, da sich beim primären kombinierten Endpunkt (Myokardinfarkt, akutes Koronarsyndrom, Hirnschlag, Herzinsuffizienz, kardiovaskulärer Tod) unter der intensiven Therapie ein signifikanter Nutzen ergab (Hazard Ratio [HR]: 0,75, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,64–0,89). Ausserdem wurde die Gesamtmortalität durch die Blutdrucksenkung unter 120 mmHg signifikant vermindert (HR: 0,73, 95%KI: 0,60–0,90). In den prädefinierten Blutdruckuntergruppen zeigte sich ein um so grösserer Nutzen, je höher die Blutdrucksenkung ausfiel. Die SPRINT-
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Tabelle:
Einteilung der Blutdruckwerte und Hypertoniegrade
optimaler Blutdruck normaler Blutdruck hochnormaler Blutdruck Hypertonie 1. Grades Hypertonie 2. Grades Hypertonie 3. Grades
systolisch (mmHg)
<120 120–129 130–139 140–159 160–179 >180
diastolisch (mmHg)
< 80 80–84 85–89 90–99 100–109 >110
Studie spricht somit für ein ehrgeizigeres Blutdruckziel unter 120 mmHg systolisch. Die intensive Behandlung resultierte im Vergleich zur Standardtherapie aber auch in signifikant mehr schweren Nebenwirkungen wie Hypotonie, Synkopen, Elektrolytentgleisungen und akuten Nierenfunktionsstörungen.
Tiefere Blutdruckziele bei oszillometrischer Messung ACCORD und SPRINT unterschieden sich in einem wichtigen Punkt, erklärte Ruschitzka: In SPRINT wurde der Blutdruck oszillometrisch gemessen, in ACCORD hingegen auskultatorisch, also weniger genau, womit der Blut-
effektvitätsberechnungen stehen aber noch aus. «Zurzeit weiss noch niemand, was die Guidelines in Zukunft empfehlen werden. Nach Studienlage wäre ein Blutdruckziel unter 120 mmHg zu vertreten, aber ich vermute, dass man mit einem Blutdruckziel unter 130 mmHg einen Kompromiss suchen wird», sagte Ruschitzka in der Diskussion.
Womit lassen sich tiefe Blutdruckzielwerte erreichen? Nach Überzeugung von Ruschitzka ist die Kombination eines ACE-Hemmers und eines Kalziumantagonisten (Amlodipin) die blutdrucksenkende Behandlung der ersten Wahl. Eine signifikante
«In den prädefinierten Blutdruckuntergruppen zeigte sich ein um so grösserer Nutzen, je höher die Blutdrucksenkung ausfiel.»
plazebokontrollierten PATHWAY-2-
Studie bei Patienten mit therapieresis-
tenter Hypertonie Spironolacton mit
anderen Nichtthiaziden (Betablocker,
Alphablocker) als Add-on verglichen (4).
Dabei erwies sich Spironolacton den
Vergleichssubstanzen Bisoprolol und
Doxazosin als Add-on signifikant über-
legen. Bemerkenswert war, dass Spiro-
nolacton besonders bei Patienten mit
tiefem Renin und Salzretention von
überragend besserer Wirkung war. In
dieser Studie wurde Spironolacton sehr
gut vertragen und schnitt hinsichtlich
Nebenwirkungen mindestens so gut ab
wie Bisoprolol oder Doxazosin.
In einer weiteren doppelblinden, plaze-
bokontrollierten Studie wurde bei Pa-
tienten ohne Hinweis auf Diabetes die
Kombination von Hydrochlorothiazid
mit dem altbekannten kaliumsparen-
den Diuretikum Amilorid hinsichtlich
Blutdrucksenkung und Beeinflussung
des Glukosestoffwechsels untersucht
(5). Von Thiaziddiuretika ist bekannt,
dass sie über eine Kaliumverarmung zu
einem Blutdruckanstieg beitragen kön-
nen. Die Kombination von Amilorid
mit Hydrochlorothiazid verhinderte
bei für die Blutdrucksenkung äquipo-
tenten Dosen eine Glukoseinoleranz
und verbesserte die Blutdruckkontrolle
im Vergleich zur Monotherapie mit den
einzelnen Substanzen.
O
Halid Bas
druck dort systematisch überschätzt wurde. «Hätte man in ACCORD auch oszillometrisch gemessen, wären die Blutdruckwerte tiefer gewesen.» Zeitgleich mit SPRINT erschien eine grosse Metaanalyse bisheriger Studien zum Effekt einer intensiven Blutdrucksenkung auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse (2). Die gepoolten Daten zeigen, dass durch eine intensive blutdrucksenkende Therapie sowohl Koronarereignisse wie auch Hirnschläge signifikant reduziert werden. Sollte eine intensivere blutdrucksenkende Therapie wie in SPRINT breit eingesetzt werden, müssten zum Beispiel in den USA knapp 20 Millionen Menschen stärker behandelt werden (3) – zunächst eine Kostenfrage, aber vielleicht auch eine Kostenersparnis, wenn so Erkrankungen und Hospitalisationen verhindert werden können. Kosten-
Mortalitätssenkung konnte mit dem ACE-Hemmer Perindopril gleich in drei Studien (ASCOT-BPLA, ADVANCE und HYVET) nachgewiesen werden. Vorteil der Kombination von ACEHemmer und Amlodipin ist auch, dass sie gemäss ACCPOMPLISH-Studie die Progression einer Nephropathie verlangsamt. Zum Erreichen des Blutdruckziels ist oft ein drittes Medikament notwendig, und dessen Wahl ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Aufgrund der derzeitigen Evidenz haben Chlortalidon und Indapamid die besten Daten und sind Hydrochlorothiazid klar überlegen.
Ein neuer Platz
für alte Medikamente?
Auch zu alten Medikamenten gibt es Neues zu berichten. So hat die British Heart Foundation in der doppelblinden,
Quelle: «Was ist neu in der Hypertonietherapie?», Vortrag am 11. Zürcher Hypertonietag, 21. Januar 2016.
Literatur: 1. SPRINT Research Group: A randomized trial of inten-
sive versus standard blood-pressure control. N Engl J Med 2015; 373(22): 2103–2116. 2. Xie X et al.: Effects of intensive blood pressure lowering on cardiovascular and renal outcomes: updated systematic review and meta-analysis. Lancet 2015. pii: S0140-6736(15)00805-3. doi: 10.1016/ S0140-6736 (15)00805-3. [Epub ahead of print] 3. Bress AP et al.: Generalizability of results from the Systolic Blood Pressure Intervention Trial (SPRINT) to the US adult population. J Am Coll Cardiol 2015. pii: S0735-1097(15)07103-X. doi: 10.1016/j.jacc.2015.10. 037. [Epub ahead of print] 4. Williams B et al.: Spironolactone versus placebo, bisoprolol, and doxazosin to determine the optimal treatment for drug-resistant hypertension (PATHWAY-2): a randomised, double-blind, crossover trial. Lancet 2015; 386 (10008): 2059–2068. 5. Brown MJ et al.: Effect of amiloride, or amiloride plus hydrochlorothiazide, versus hydrochlorothiazide on glucose tolerance and blood pressure (PATHWAY-3): a parallel-group, double-blind randomised phase 4 trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2015. pii: S2213-8587(15) 00377-0. doi: 10.1016/S2213-8587(15)00377-0. [Epub ahead of print]
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