Transkript
FIRST-TO-DISCUSS-Newsletter Gynäkologische Endokrinologie
Postmenopause
Tod durch Absetzen einer Hormonersatztherapie?
Hintergrund: Gemäss den internationalen Empfehlungen zur Hormonersatztherapie (HRT) soll deren Anwendungsdauer so kurz wie möglich sein (1). Doch was passiert nach dem HRT-Stopp?
Wie ist die Studie von Mikkola und Kollegen zu bewerten?
Die Studie im Resümee
In einer finnischen Registerstudie wurden 332 202 Frauen ≥ 40 Jahre, die im Zeitraum von 1994 bis 2009 eine HRT nach einer mittleren Anwendungsdauer von 6,2 (±6,0) Jahren beendeten, während eines mittleren Follow-ups von 5,5 (±3,8) Jahren weiterverfolgt. In diesem Zeitraum verstarben 5129 Frauen an den Folgen eines kardialen Ereignisses respektive eines Apoplexes.
Innerhalb des ersten Jahres nach Absetzen der HRT ... ... waren – unabhängig von der HRT-Anwendungsdauer (≤ oder > 5 Jahre) – die Gesamtmortalität (SMR* 2,28; 95%-KI: 2,23–2,34), das Risiko für einen kardialen Tod (SMR 1,26; 95%-KI: 1,16–1,37) oder Tod nach Apoplex (SMR 1,63; 95%-KI: 1,47–1,79) signifikant erhöht (p < 0,05). Unter Berücksichtigung des Alters bei HRT-Beginn traf diese Risikoerhöhung vor allem für die Frauen zu, die im Alter unter 60 Jahren mit einer HRT begonnen hatten, aber nicht für die Frauen, die älter als 60 Jahre bei HRT-Beginn waren.
Mehr als ein Jahr nach HRT-Stopp ... ... waren allerdings – für alle Frauen zusammen betrachtet – die Risiken für einen kardialen Tod oder einen Tod nach Apoplex signifikant erniedrigt. In der Subgruppe der Frauen, die unter 60 Jahren (sog. günstiges Zeitfenster) mit einer mehr als 5-jährigen HRT begonnen hatten, war jedoch auch noch mehr als 1 Jahr nach HRT-Stopp ein signifikant er-
* SMR = standardized mortality ratio = Anzahl der beobachteten Todesfälle im Verhältnis zur erwarteten Mortalität infolge eines kardialen Ereignisses oder Apoplexes.
höhtes Risiko für einen Tod nach einem Herzereignis (SMR 1,27; 95%-KI: 1,14– 1,41) respektive Apoplex (SMR 1,67; 95%-KI: 1,47–1,89) nachweisbar.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die gängige Empfehlung/Praxis, eine HRT nach 1 Jahr abzusetzen, um deren Indikation zu überprüfen, angesichts der erhöhten kardiovaskulären Mortalität innerhalb des ersten Jahres nach Absetzen der HRT fragwürdig ist.
Kommentar
Die beschriebene finnische Registerstudie fokussiert mit der bisher grössten Fallzahl auf das «Schicksal» der HRTStopperinnen. Sie lässt grundsätzlich zwei Interpretationen zu: 1) Der Risikoanstieg im ersten Jahr nach
Absetzen einer HRT ist Ausdruck der Normalisierung eines durch die HRT verminderten Risikos. Der Effekt ist auch noch in den Folgejahren zu erkennen, wenn die HRT frühperimenopausal begonnen wurde, was das Konzept eines «günstigen Fensters» unterstützt (2–5). Für die Praxis hiesse das, dass die HRT früh begonnen werden sollte und von einer jährlichen Überprüfung der HRT-Indikation möglichst abgesehen werden sollte. Offen bleibt allerdings die Frage, wie lange die Einnahme ausgedehnt werden soll. 2) Aus der Studie können keine praktischen Rückschlüsse gezogen werden, da mögliche andere (evtl. vaskuläre) Gründe für das Absetzen der HRT (z.B. koronare Herzkrankheit) und somit ein «unhealthy user»-Bias nicht miteinbezogen wurden. Diese Frage wäre nur mit einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT) zu beant-
Prof. Dr. med. Petra Stute, Leitende Ärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital Bern, resümiert und kommentiert kürzlich publizierte Studien zu wichtigen und vielfach kontrovers diskutierten Themen.
Kommentierte Studie: Mikkola TS et al.: Increased cardiovascular mortality discontinuing postmenopausal hormone therapy. J Clin Endocrinol Metab 2015 (in press). Der Autor hat die Daten persönlich am 14.11.2015 bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Menopause präsentiert. (www.menopause-gesellschaft.de).
worten. Möglicherweise kann die nachträgliche Auswertung einer der bekannten RCT genutzt werden, um die Zweifel zu zerstreuen, die bei der vorliegenden Studie bestehen. I
Prof. Dr. med. Petra Stute Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Universitätsklinik für Frauenheilkunde Inselspital 3010 Bern E-Mail: petra.stute@insel.ch
Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
Referenzen: 1. de Villiers TJ, Pines A, Panay N, Gambacciani M, Archer DF, Baber RJ, et al.: Updated 2013 International Menopause Society recommendations on menopausal hormone therapy and preventive strategies for midlife health. Climacteric 2013; 16(3): 316–337. 2. Salpeter SR, Walsh JM, Greyber E, Salpeter EE. Brief report: Coronary heart disease events associated with hormone therapy in younger and older women. A meta-analysis. J Gen Intern Med 2006; 21(4): 363–366. 3. Rossouw JE, Prentice RL, Manson JE, Wu L, Barad D, Barnabei VM, et al.: Postmenopausal hormone therapy and risk of cardiovascular disease by age and years since menopause. JAMA 2007; 297(13):1465–1477. 4. Schierbeck LL, Rejnmark L, Tofteng CL, Stilgren L, Eiken P, Mosekilde L, et al.: Effect of hormone replacement therapy on cardiovascular events in recently postmenopausal women: randomised trial. BMJ, 2012; 345: e6409. 5. Manson JE, Chlebowski RT, Stefanick ML, Aragaki AK, Rossouw JE, Prentice RL, et al.: Menopausal hormone therapy and health outcomes during the intervention and extended poststopping phases of the Women’s Health Initiative randomized trials. JAMA 2007; 310(13): 1353–1368.
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