Transkript
Rosenbergstrasse
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Samstagvormittag im Autoradio: Auf SRF 1 kündigt ein Radiojournalist ein Gespräch an mit einer Dame vom BAG über die Kosten im Gesundheitswesen, «die ja bekanntlich explodieren». Man fragt sich, wie man als – so sollte man meinen – gut informierter, einigermassen gebildeter und Worten gegenüber kritischer Journalist einen Satz wie diesen aussprechen kann, ohne ins Stottern zu kommen. Weiss er, was er da sagt? Natürlich nicht. Der Kollege Journalist hat garantiert nicht nachgedacht, sonst hätte er anders formuliert, was er – vielleicht – sagen wollte. Zum einen das harmlose «bekanntlich». Es heisst in politischem Zusammenhang meist: «Ich bin überhaupt nicht sicher, dass es stimmt, aber es passt zu meinen Argumenten, also glaubt’s gefälligst.» Das mag angehen als Votum in der TVArena, geht aber gar nicht für einen seriösen Journalisten. Und dann diese «Kostenexplosion». Wissen die Leute, was eine Explosion ist? Sicher nichts, was sich grafisch als Kurve darstellen lässt, die kontinuierlich ansteigt, fast parallel zum Anstieg der Lebenshaltungskosten, und weit weniger steil als der Anstieg der Kosten für «Soziales». Man mag sich nicht ausdenken, was bei solcher Vorbereitung im Interview herauskommt.
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Wer denkt, alles werde teurer, sollte mal versuchen, etwas zu verkaufen.
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Europa ist wild entschlossen, Obergrenzen einzuführen. Nicht bei den Migranten, nein bewahre, sondern bei Bargeldzahlungen. Noch lieber würde man Bargeld ganz abschaffen. Denn Bargeld lockt Kriminelle an. Vor allem Terroristen. Sagte ganz offiziell die Vertreterin der deutschen Bundesregierung in der Bundespressekonferenz. Dann wird’s ja wohl stimmen. Frankreich kennt übrigens die Bargeldobergrenze längst (genau wie Spanien und
Italien). Dumm nur, dass die Terroristen offenbar nichts davon gewusst haben.
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«Wenn ein unordentlicher Schreibtisch ein Zeichen ist für einen ebensolchen Verstand, wofür steht dann ein leerer Schreibtisch?» Danke Albert! (Einstein)
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Speed-Yoga. Irritierend, aber warum nicht? Heutzutage ist schliesslich fast alles möglich: Schnipo in 2 Minuten, Sex in 1 Minute, Chopins Minutenwalzer in 45 Sekunden. Warum also nicht speeden beim Yoga? Atemübungen, Sonnengruss und 12 Asanas in 10 Minuten. Und morgen dasselbe in neuneinhalb. Vielleicht gibt’s ja bald eine TV-Show: das «Yoga-Duell» (das «Koch-Duell» gibt’s schon). Der Schnellere gewinnt. Oder die «Fünf Tibeter» anstelle der 10 kleinen Negerlein – der Langsamste scheidet aus, der Schnellste kommt eine Runde weiter.
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Natürlich brauchen wir eine zweite Gotthardröhre. Und sie kommt auch. Aber ehrlich muss man schon sein: Wenn dereinst vier Spuren vorhanden sind, werden – nach einer Schamfrist von ein paar Jahren – alle vier Spuren genutzt. Alles andere wäre ja wirklich nichts weniger als eine europäische Lachnummer. Wenn das der Alpeninitiative widerspricht, bedeutet es nur, dass in der Verfassung eben manchmal Unsinn steht, den man von Zeit zu Zeit den Realitäten anpassen muss.
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Die Wirklichkeit, neu erfunden: Der portugiesische Fussballstar Cristiano Ronaldo hat letzte Woche in einer romantischen Zeremonie den Menschen geheiratet, den er am meisten liebt: sich selbst. Für Freunde und Kollegen sei die
Nachricht keine Überraschung. Schon lange soll der Rekordtorschütze der portugiesischen Nationalmannschaft jede freie Minute vor dem Spiegel verbracht haben. Den Mut, sich selbst einen Heiratsantrag zu machen, habe er aber erst vor einem Jahr gefunden.
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Flüchtlingsdiskussion und kein Ende. Aber Flüchtlingsdiskussion ist nicht nur Emotion, sie ist auch Mathematik (Frau Merkel hat bekanntlich Physik studiert). Beispiel: In Deutschland gibt es pro 10 000 Einwohner 39 praktizierende Ärzte (in der Schweiz sind es 41, in Österreich 49, in Monaco 72). Wer diese Ärztedichte aufrechterhalten will, braucht für 1,1 Millionen Flüchtlinge rund 4400 neue Ärzte (Allgemeinärzte und Spezialisten). Theoretisch schon heute, nicht morgen. Dazu 12 000 Pflegepersonen. Ach ja, und 8000 Spitalbetten beziehungsweise – je nach Grösse – 20 bis 40 Spitäler sollten’s auch noch sein. Neben 25 000 neuen Lehrern. Und, und … Dieses Jahr, nicht nächstes. Und wenn die anerkannten Flüchtlinge ihre Familien nachziehen (was sie dürfen), dann vervierfacht sich diese Zahl. Ungefähr. Jahr für Jahr für Jahr, sofern der Zustrom nicht abflaut. Tja, Mathematik war schon immer ein unbeliebtes Fach. Nur bei einer Physikerin erstaunt’s.
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Und das meint Walti: Der Weckeffekt von Kaffee lässt sich deutlich steigern, wenn man ihn über die Tastatur des Computers schüttet.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 3 I 2016
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