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PsoriNet+ Kompetenznetz Psoriasis niedergelassener Dermatologen Schweiz
Neue Systemtherapeutika ermöglichen effektiveren «Therapieswitch»
Case Report
von Dr. Daniel Zuder
Anamnese Der 62-jährige Patient leidet seit mindestens 30 Jahren an einer mittelstarken bis starken Plaquepsoriasis. In der Verwandtschaft finden sich keine anderen Personen mit einer Schuppenflechte. Auslösende Ereignisse wie Infektionen sind nicht eruierbar. Seit Mitte der Neunzigerjahre wurden vor allem topische Steroide gegeben sowie intensive Fototherapien, anfangs SUP-, später PUVATherapien, durchgeführt. Seit 2003 wurde mit UV-Bnb behandelt. Zusätzlich erfolgten mehrwöchige Behandlungen mit Neotigasonkapseln. Der Patient ist Nichtraucher, konsumiert allerdings regelmässig Alkohol, was sich in deutlich erhöhten Gamma-GT-Werten manifestiert. Bei zunehmend erhöhten Transaminasen sind derzeit weitere Abklärungen der Leber im Gang. Aufgrund erhöhter Harnsäurewerte und eines BMI von 32 kann von einem metabolischen Syndrom ausgegangenen werden. Es bestehen weder akute noch chronische Infektionen wie Hepatitis A, B, C oder HIV. Eine Tuberkulose kann aufgrund eines negativen Quantiferontests ausgeschlossen werden.
Hautbefund Der Patient stellte sich 2003 erstmals mit einer schweren Psoriasis vulgaris in meiner Praxis vor. Das Gesicht war nur leicht befallen, aber die Kopfhaut war erheblich schuppend und erythematös. Insbesondere am Stamm und an den Beinen fanden sich grossflächige, konfluierende erythemato-squamöse Plaques, weniger an Armen und Händen. Die Fingernägel waren frei, an den Zehennägeln fanden sich ausgeprägte Dystrophien. Bei der Erstuntersuchung betrug der geschätzte PASI rund 25, der BSA etwa 20 Prozent (Abbildung 1).
Therapie und Verlauf Die langjährigen und nur unbefriedigend wirksamen Lokaltherapien mit topischen Steroiden sowie verschiedenen Lichtmodalitäten machten bei zunehmendem Leidensdruck eine zusätzliche Systemtherapie unumgänglich. Zunächst fiel die Wahl auf eine zeitweilige Begleittherapie mit Neotigasonkapseln (25 mg/Tag über mehrere Wochen), welche initial ein gutes Ansprechen zeigte. Der PASI sank auf Werte unter 10. Leider zeigte sich nach relativ kurzer Behandlungsdauer erstmals ein Anstieg der Transaminasen sowie der Gamma-GT, was immer wieder zu Therapieunterbrechungen zwang. Zusätzlich konnte man eine zunehmende aktinische Schädigung der Haut im Sinne einer ausgeprägten aktinischen Elastose sowie von fraglichen aktinischen Keratosen im Gesicht beobach-
ten. Im Oktober 2006 verabreichte ich erstmals das Biologikum Alefacept, ein Fusionsprotein, das an den Oberflächenrezeptor CD2 bindet, der auf der aktivierten Gedächtnis-T-Zelle exprimiert wird. Alefacept verhindert die Aktivierung und Proliferation von T-Lymphozyten. Innerhalb von 6 Monaten reduzierte sich der PASI auf zirka 4. Das Biologikum wurde sehr gut toleriert und zeigte keinerlei Nebenwirkungen. Ende 2007 wurde das Präparat vom Schweizer Markt genommen. Der Patient wünschte im Verlauf keine weitere Systemtherapie. Seinem Wunsch entsprechend erfolgte wieder eine Lokaltherapie mit topischen Steroiden, Vitamin-D-Analoga sowie eine milde UV-Bnb-Begleittherapie. Aufgrund des erneut grossen Leidensdruckes wurde im September 2009 eine Systemtherapie mit Etanercept, einem TNF-alphaBlocker, eingeleitet und bis Januar 2010 bei einem PASI von 18,5 fortgeführt. Aufgrund mangelnder Wirksamkeit wurde relativ rasch auf Adalimumab umgestellt. Bis Oktober 2010 reduzierte sich der PASI auf 1, danach kam es zu einem schleichenden Wirksamkeitsverlust der Therapie. Der PASI näherte sich trotz kurzfristiger Dosiserhöhung des Medikaments dem Wert von 13,5. Im Januar 2012 kam es zum Therapieabbruch, da gleichzeitig immer wieder ausgeprägte intertriginöse Infekte auftraten. In einer kurzen Auswaschphase kam es zu einem erneuten Erkrankungsschub, wobei der PASI schnell einen Wert von 19,5 erreichte. Mit Ustekinumab stand jetzt ein monoklonaler Antikörper gegen IL-12 und IL-23 zur Verfügung. Gewichtsadaptiert (mehr als 100 kg Körpergewicht) konnte mit einer Dosis von 90 mg alle 3 Monate
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Abbildung 1: Patient mit schwerer Psoriasis vulgaris bei der ersten Konsulation im Jahr 2003
Abbildung 2: Hautbefund im November 2015 nach zahlreichen Therapieanpassungen und Präparatewechseln
erneut ein guter Therapieerfolg erzielt werden. Bis September 2013 ging der PASI auf 3 zurück. Leider zwang eine massive Zosterinfektion zur Therapieunterbrechung. Im Mai 2015 musste die Therapie abgebrochen werden, da es unter der reduzierten Dosis von 45 mg alle 3 Monate (aktuelles Körpergewicht weniger als 100 kg) zu einem deutlichen Wirkungsverlust kam (PASI 11,4). Schliesslich leitete ich im August 2015 bei einem PASI von 20,5 eine Behandlung mit Secukinumab ein. Secukinumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an Interleukin-17A bindet und das Zytokin inaktiviert. Bei der letzten Kontrolle im November 2015 zeigte sich ein erfreulicher Rückgang des PASI auf 9 (Abbildung 2).
Take Home Message Die Psoriasis ist eine chronisch entzündliche und nicht infektiöse Hauterkrankung, deren genaue Pathomechanismen trotz erheblicher Fortschritte immer noch nicht vollständig verstanden werden. Die wichtigsten ursächlichen Faktoren sind erbliche Anlagen,
eine Immunreaktion und bestimmte Auslöser wie Medikamente, Infektionen und Verletzungen. Die Erkrankung wird von verschiedenen Komorbiditäten wie Psoriasisarthritis, metabolischem Syndrom, kardiovaskulären Erkrankungen und vermutlich Depressionen begleitet. Die Behandlung mit hocheffektiven Wirkstoffen dient also nicht nur zur Verbesserung des äusseren Erscheinungsbildes des Patienten, sondern zielt zusätzlich auf die Behandlung der vital bedrohlichen Begleiterkrankungen. In der Praxis lässt sich oft nicht voraussagen, welche der zur Verfügung stehenden Präparate eine optimale Wirkung bei minimalen Nebenwirkungen erzielen können. Dies macht unter Umständen ein relativ kurzfristiges «Switchen» (Präparatewechsel) erforderlich. Glücklicherweise steht dem Dermatologen eine zunehmende Zahl von Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkstoffen zur Verfügung. Besonders zu erwähnen sind die neuen, sehr wirksamen IL-17-Antagonisten wie Secukinumab. Mit Secukinumab in der zuge-
lassenen Dosis von 300 mg erreichen
etwa zwei Drittel bis drei Viertel der
Psoriasispatienten ein PASI-90-Anspre-
chen. Dieser Therapieerfolg hält über
Jahre an. Der Wirkstoff Ixekizumab
wird voraussichtlich 2016 die Zulassung
erhalten. Neu ist auch der Wirkstoff
Apremilast, ein «small molecule». Er
wird als Tablette verabreicht und wirkt
besonders effektiv auf den vom Haut-
arzt bei der Psoriasis oft unterschätzten
Pruritus.
L
Kontaktadresse: Haut & Laserzentrum Dr. Zuder Dr. med. Daniel Zuder Dermatologie und Venerologie FMH Allergologie, Ästhetische Medizin St. Leonhard-Strasse 20 9000 St. Gallen Tel. 071-222 41 33 Fax 071-222 41 35 E-Mail: zudda@hin.ch
Informationen zu PsoriNet sind im Internet erhältlich unter www.psorinet.ch
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