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EDITORIAL
Rehabilitation heute: Weit mehr als nur die Fortführung pflegerischer Versorgung
D ie Rehabilitation befindet sich im Wandel: Die Entlassung der Patienten aus dem Akutspital erfolgt immer früher, sodass die Anforderungen an Rehabilitationskliniken umfassender werden. Erfolgten diagnostische und therapeutische Massnahmen früher überwiegend im Akutspital, ist es heute trotz beschränkter Ressourcen häufig notwendig, sie in der Rehabilitation fortzusetzen und auch medikamentöse Therapien zu beginnen oder anzupassen.
Moderne Rehabilitation umfasst eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einem multimodalen Ansatz: Therapeuten, Ärzte, Pflege, Sozialarbeiter und weitere Berufsgruppen sorgen gemeinsam dafür, krankheitsbedingte Funktionseinbussen zu reduzieren, die Teilhabe am Erwerbs- und Sozialleben zu fördern und den Patienten gegebenenfalls in eine weitere Versorgung überzuleiten.
In der neurologisch-neurochirurgischen Rehabilitation werden Patienten mit Störungen von leichtem Ausmass, wie beispielsweise peripher-neurologischen Ausfällen, bis zu schwersten Ausmassen, zum Beispiel komatösen Zuständen, versorgt. Zugrunde liegende Diagnosen reichen von akuten zerebrovaskulären Erkrankungen über akute und chronische neuroimmunologische oder neurodegenerative Krankheiten bis zum peripheren Nerven- oder Muskelschaden. Neurologische Rehabilitation ist nicht nur als Fortführung pflegerischer Versorgung nach akutmedizinischer Behandlung zu verstehen, sondern als teilweise intensive und hochspezialisierte Behandlung. Entsprechend bieten moderne neurologische Rehabilitationsklinken heute häufig auch diagnostische Möglichkeiten, die einer neurologischen Akutklinik entsprechen.
Kampf um die Finanzierung Im interessanten und brisanten Beitrag von Iris Klausmann, RehaClinic Braunwald, wird die Rehabilitation aus dem Blickwinkel der Psychiatrie dargestellt. Die Stigmatisierung ist auch heute noch ein Faktor, der zur Unterversorgung von Menschen führt, die auf eine professionelle Hilfe ange-
wiesen wären. Hinzu kommt der Kampf mit den Krankenkassen um die Finanzierung und die Kostengutsprache. Die psychiatrischen Erkrankungen drohen aus den nicht primär medizinischen Umständen zu chronifizieren. Welche Vision die Autorin hat, wird im Beitrag auf den Seiten 19 ff. dargestellt. Frank Wilke beschreibt in seinem Beitrag auf Seite 13 ff., wie neurologische Rehabilitation auch im geschützten Bereich funktionieren kann und wie durch die Neuropsychologie ein Brückenschlag zwischen Neurologie und Psychiatrie gelingt. Passend zu den umfangreichen Krankheitsbildern und Komorbiditäten der Patienten in neurologisch-neurochirurgischen Rehabilitationsklinken, arbeiten in vielen entsprechenden Kliniken, wie auch in unserer, die als Beispiel für jenen Artikel dienen durfte, Ärzte unterschiedlicher Disziplinen und Schwerpunkte zusammen: Neurologen, Neurochirurgen, Internisten sowie Intensiv-, Allgemein-, Rehabilitations-, Sozial-, Palliativ- und Schmerzmediziner. Wie im Artikel von Dirk Fischer (Seite 10 ff.) dargestellt, ist auch das therapeutische Spektrum breit und kann, wie in den Artikeln von Sylvia Kristin Romano et al. und Jan Wrede et al. beschrieben, bei einzelnen Krankheiten spezielle Ansätze umfassen (Seiten 16 ff. und 4 ff.).
Wir hoffen, dass diese Ausgabe mit dem Schwerpunkt Rehabilitation zu Diskussionen anregt – vielleicht auch über die medizinischen Fachbereiche hinaus.
Der psychiatrische Themenschwerpunkt liegt in dieser Ausgabe auf den Persönlichkeitsstörungen.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. G
Prof. Michael Linnebank Chefarzt Neurologie Ärztlicher Direktor
Helios-Klinik Hagen-Ambrock (D) und Leitender Arzt Neurologie am Universitätsspital Zürich
Mail: michael.linnebank@helios-kliniken.de
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PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE
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