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STUDIE REFERIERT
Welche COPD-Patienten können auf inhalative Kortikosteroide verzichten?
Viele COPD-Patienten erhalten entgegen den Empfehlungen gängiger Richtlinien inhalative Kortikosteroide (ICS). Ein Absetzen dieser Substanzen könnte gemäss älteren Studien jedoch mit Exazerbationen verbunden sein. Jetzt ergab eine Phase-IV-Studie, dass Patienten mit moderater Atemwegsobstruktion und geringem Exazerbationsrisiko sicher und ohne Wirksamkeitsverlust von Salmeterol/Fluticason auf Indacaterol umgestellt werden können.
European Respiratory Journal
Inhalative Kortikosteroide (ICS) haben einen wichtigen Stellenwert im Management der COPD. In Kombination mit lang wirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) verbessern sie die Lungenfunktion ausgeprägter als LABA allein, senken die Anzahl der Exazerbationen und stabilisieren den Gesundheitszustand (1). Zum anderen sind ICS aber auch mit einem erhöhten Risiko für Diabetes, Tuberkulose, Pneumonie, Katarakt und Osteoporose verbunden (2). Nutzen und Risiken der ICS müssen daher individuell abgewogen werden, und es besteht ein hohes Interesse an der Identifizierung von Patienten, die ebenso wirksam mit anderen Medikamenten behandelt werden können (1). Die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) empfiehlt eine initiale Behandlung mit Kombinationen aus ICS/LABA nur für Patienten mit hohem Exazerbationsrisiko (2). Dabei handelt es sich um Personen mit schwerer oder sehr schwerer Atemwegsobstruktion (FEV1 [forced expiratory volume in 1 s] < 50% des MERKSÄTZE O COPD-Patienten der GOLD-Gruppen A und B sollten mit Bronchodilatatoren behandelt werden. O Für die GOLD-Gruppen C und D werden ICS/LABA empfohlen. O Patienten mit moderater Atemwegsobstruktion und geringem Exazerbationsrisiko können problemlos von SFC auf Indacaterol umgestellt werden. Sollwerts), die im Jahr zuvor mindestens zwei Exazerbationen oder eine hospitalisierungspflichtige Exazerbation erlitten hatten (GOLD-Gruppen C und D). Für Patienten mit geringem Exazerbationsrisiko (FEV1 ≥ 50% des Sollwerts) und maximal einer Exazerbation im Jahr zuvor (GOLD-Gruppen A und B) empfehlen die Experten eine Anwendung von Bronchodilatatoren (2). Entgegen den GOLD-Empfehlungen wird die Therapie der COPD häufig mit ICS begonnen – auch bei Patienten ohne entsprechende Indikation. Die Auswertung einer Datenbank zu Medikamentenverschreibungen ergab, dass 38 Prozent der Patienten aus der GOLD-Gruppe A und 51 Prozent der Gruppe B mit ICS-haltigen Regimen behandelt werden (2). Da so viele Patienten unnötig ICS erhalten, sollte der Hausarzt abschätzen können, mit welchen Effekten beim Absetzen dieser Substanzen zu rechnen ist (2). In alten Studien gab es Hinweise, dass die Entfernung des ICS aus einem Behandlungsregime zu Exazerbationen und einer Verschlechterung der Symptomatik führen könnte (1). In einer Phase-IV-Studie wurden nun die Auswirkungen der Umstellung von einer ICS/LABA-Kombination auf eine LABA-Monotherapie untersucht (2). Phase-IV-Studie INSTEAD Der LABA Indacaterol (Onbrez® Breezhaler®) ist zur Erhaltungstherapie der COPD zugelassen. In Studien erwies sich Indacaterol (150 µg) einmal täglich bei Patienten mit moderater bis schwerer COPD bezüglich der Lungenfunktion, der Atemnot und des Gesundheitszustands als wirksamer im Vergleich zum LABA Salmeterol. Aufgrund dieser Ergebnisse entwickelten Andrea Rossi von der Universität Verona (Italien) und seine Arbeitsgruppe die Hypothese, dass eine Umstellung von Salmeterol/Fluticason (SFC) auf Indacaterol ohne Wirksamkeitsverlust möglich sein sollte (2). In der multinationalen, multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Phase-IV-Studie INSTEAD verglichen die Wissenschaftler die Wirksamkeit von Indacaterol (150 µg, 1-mal täglich) mit der von SFC (50/500 µg, 2-mal täglich) bei Patienten, die vor Studienbeginn mindestens 3 Monate lang SFC erhalten hatten. Der Studienzeitraum erstreckte sich über 26 Wochen. Die Überprüfung des Behandlungserfolgs wurde bei Studienbeginn sowie in den Wochen 4, 8, 12 und 26 vorgenommen. Als Notfallmedikation diente Salbutamol (Ventolin® und Generika). Alle Teilnehmer wiesen eine moderate Atemwegsobstruktion auf und hatten im Jahr zuvor keine Exazerbation erlitten. Sie gehörten somit zu einer Patientengruppe, für die ICS nicht empfohlen werden. Als primäres Ziel definierten die Wissenschaftler den Nachweis der Nichtunterlegenheit von Indacaterol gegenüber SFC bezüglich der Lungenfunktion, erfasst durch den TroughFEV1-Wert nach 12 Wochen. Als Grenzwert für den Nachweis der Nichtunterlegenheit wurde eine Differenz der Trough-FEV1-Werte von 0,06 Litern (l) festgelegt. Ergebnisse An der Studie nahmen 581 Männer und Frauen ab 40 Jahren mit einem durchschnittlichen Post-Bronchodilatator-FEV1-Wert von 64 Prozent des Sollwerts teil. Insgesamt vollendeten 85,4 Prozent der Teilnehmer die Studie. Das primäre Studienziel von INSTEAD wurde erreicht. In Woche 12 betrug der durchschnittliche FEV1-Wert (± Standardabweichung) unter Indacaterol 1,584 (± 0,0294) l, unter SFC lag er bei 1,593 (± 0,0300) l. Der durchschnittliche Unterschied des FEV1 betrug somit 9 ml (95%-Konfidenzintervall [KI]: -45 ml bis 26 ml). Auch in Woche 26 wurden keine signifikanten Unterschiede der FEV1-Werte zwischen beiden Gruppen beobachtet. Im Hinblick auf die forcierte Vital- 76 ARS MEDICI 2 I 2016 STUDIE REFERIERT kapazität (FVC) stellten die Forscher in Woche 12 und in Woche 26 ebenfalls keinen signifikanten Unterschied fest. Auch beim Vergleich der Atemnot anhand des Transition Dyspnoe Index (TDI) oder des Gesundheitszustands, erfasst mit der Skala des St George’s Respiratory Questionnaire for COPD (SGRQ-C), zeigte sich in den Wochen 12 und 26 kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Der Gebrauch der Notfallmedikation und die Häufigkeit von COPD-Exazerbationen waren ebenfalls vergleichbar. Innerhalb der 26 Wochen trat bei 79,5 Prozent der Patienten unter Indacaterol und bei 74,7 Prozent unter SFC keine Exazerbation auf. Zudem beobachteten die Wissenschaftler keinen signifikanten Unterschied zwischen der Anzahl leichter, moderater oder schwerer Exazerbationen pro Jahr – unter Indacaterol waren die Raten jedoch numerisch niedriger (Rate Ratio [RR]: 0,86; p = 0,367). Unerwünschte Ereignisse wurden bei 44,7 Prozent unter Indacaterol und bei 53,5 Prozent der Patienten unter SFC beobachtet. In beiden Gruppen handelte es sich hauptsächlich um COPDExazerbationen und Nasopharyngitis (2). Diskussion Die Auswirkungen des Absetzens von ICS wurden bei COPD-Patienten in zahlreichen Studien untersucht. In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2011 wurden 3 von 107 Studien als methodisch akzeptabel erachtet und ausgewertet. An diesen 3 Studien hatten Patienten mit moderater bis sehr schwerer COPD teilgenommen. Bei fast allen war im Jahr vor Studienbeginn eine Exazerbation aufgetreten. Bei diesen Patienten lag demzufolge eine Indikation für ICS vor. In der Patientengruppe, deren ICS abgesetzt wurde, zeigte sich zwar ein höheres Exazerbationsrisiko, die Zunahme des Risikos war jedoch statistisch nicht signifikant. Auch wurden keine signifikanten Unterschiede bezüglich des SGRQ beobachtet. Im Hinblick auf die Lungenfunktion waren die Ergebnisse inkonsistent (2). In der prospektiven «Real-Life»-Studie OPTIMO (On the Approprietateness of Treatment in Moderate COPDPatients) wirkte sich das Absetzen von ICS bei Patienten mit moderater Atemwegsobstruktion und weniger als 2 Exazerbationen im vorangegangenen Jahr über einen Zeitraum von 6 Monaten nicht ungünstig auf die Symptomatik, die Lungenfunktion oder die Exazerbationsrate aus (2). Im Editorial führt Peter Calverley von der Universität Liverpool (Grossbritannien) eine weitere randomisierte Studie an, in der das Absetzen von ICS in einer Population mit schwerer, aber stabiler COPD untersucht wurde. In WISDOM (Withdrawel of Inhaled Steroids During Optimised Management) erhielten 2488 COPD-Patienten zunächst 6 Wochen lang ein ICS, ein LABA und das lang wirksame Antimuskarinikum (LAMA) Tiotropium (Spiriva®). Anschliessend wurde die Behandlung in einer Gruppe fortgeführt. In der Vergleichsgruppe wurde das ICS über einen Zeitraum von 3 Monaten ausgeschlichen, und die Patienten erhielten nur noch LABA und Tiotropium. Als unerwartetes Ergebnis zeigte sich zwischen den Gruppen während der Ausschleichphase im Hinblick auf die Exazerbationsrate kein Unterschied. Auch über den gesamten Studienzeit- raum von 1 Jahr waren die Raten der Exazerbationen sowie moderater oder schwerer unerwünschter Ereig- nisse vergleichbar (1). Die Ergebnisse aus WISDOM weisen nach Peter Calverleys Ansicht darauf hin, dass auch Patienten mit schwererer COPD – wenn sie klinisch stabil sind – eine längere Zeit ohne ICS behandelt werden können, ohne Schaden zu neh- men. Zusammengefasst zeigen die Daten aus WISDOM und INSTEAD seiner Meinung nach, dass nicht alle COPD- Patienten ICS benötigen. Beide Studien stützen somit die GOLD-Empfehlungen zum Management der COPD (1). Calverley weist aber auch darauf hin, dass ICS nach wie vor bei vielen Patien- ten von Nutzen sind. Die Auswertung einer Datenbank zeigte, dass ältere COPD-Patienten mit Asthma in ihrer Vorgeschichte deutlich von ICS profi- tierten. Auch könnte ein ICS zunächst von Nutzen sein, um eine instabile COPD unter Kontrolle zu bringen, und später in einer Stabilisierungsphase wieder abgesetzt werden. Insgesamt kommt Calverley zu dem Schluss, dass der Umgang mit ICS differenzierter erfolgen sollte, um jedem Patienten indi- viduell die beste und sicherste Therapie- option anbieten zu können (1). O Petra Stölting Literatur: 1. Calverly P: What to use INSTEAD of inhaled cortico- steroids in COPD? Eur Respir J 2014; 44: 1391–1393. 2. Rossi A, van der Molen T et al.: INSTEAD: a randomised switch trial of Indacaterol versus salmeterol/fluticasone in moderate COPD. Eur Respir J 2014; 44: 1548–1556. Interessenkonflikte: Die Studie wurde von der Novartis Pharma AG, dem Hersteller von Indacaterol (Onbrez® Breezhaler®), finanziert. ARS MEDICI 2 I 2016 77