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FORTBILDUNG
Atopische Dermatitis: Was hilft in welchem Stadium?
Aktuelle Empfehlungen für Diagnostik und Therapie endogener Ekzeme
Kinder mit atopischem Ekzem zeigen zu einem hohen Prozentsatz bereits im Säuglingsalter entsprechende Symptome. Bis zur Pubertät bilden sich die Ekzeme oft zurück, um dann im Erwachsenenalter teilweise erneut aufzutreten. Im folgenden Beitrag sollen Probleme bei der Diagnostik sowie die aktuellen Therapieempfehlungen kurz dargestellt werden.
Matthias Möhrenschlager
Das atopische Ekzem (auch endogenes Ekzem, atopische Dermatitis, Neurodermitis constitutionalis atopica) gilt als häufigste entzündliche Hauterkrankung im Kindesalter (17), findet sich jedoch nicht selten auch bei Erwachsenen.
Tabelle:
Atopisches Ekzem: Diagnostische Kriterien
Juckreiz Ekzemmorphe (altersentsprechend) Typische Ekzemlokalisation (altersentsprechend) (vgl. Abbildung 1 ) Atopie in Eigen- und/oder Familienanamnese Atopiestigmata (Xerosis cutis, Hertoghe-Zeichen u.v.m.) (vgl. Abbildung 2 ) Immungloblulin-E-vermittelte Sensibilisierung
Zum Stellen der Diagnose «atopisches Ekzem» müssen
mindestens 4 der 6 Kriterien vorliegen.
(nach Ring [11])
Diagnose: nicht immer leicht
Die Diagnosestellung wird erschwert durch das Fehlen eines diagnostischen Goldstandards. Weder pathognomonisch veränderte Laborparameter (wie beispielsweise der Befund einer Hyperglykämie im Rahmen der Diagnostik eines Diabetes mellitus [8]) noch spezifische histomorphologische Charakteristika (2) können derzeit für sich allein die Diagnose «atopisches Ekzem» sichern. Gleiches gilt auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt für molekulargenetische Untersuchungen (14). Hilfsweise werden daher verschiedene – grösstenteils umfangreiche – Kriterienkataloge zur Diagnosefindung verwendet (5, 20–22). Die Tabelle zeigt die diagnostischen Kriterien des atopischen Ekzems nach Ring, welche sich im klinischen Alltag bewährt haben (11). Um die Diagnose «atopisches Ekzem» stellen zu können, müssen mindestens 4 der 6 Kriterien vorliegen.
Prävalenz: steigend
In industrialisierten Ländern wurde in den letzten Dekaden eine deutliche Zunahme der an atopischem Ekzem erkrankten Personen festgestellt. Gegenwärtig wird von einer Prävalenz von bis zu 30 Prozent bei Kindern und bis zu 10 Prozent bei Erwachsenen ausgegangen (13, 15). Die höchste Prävalenz wird für das nördliche Europa berichtet (1). Die Prävalenz des atopischen Ekzems ist in ländlichen Gebieten vielfach niedriger als in Städten, was gemäss der Hygienehypothese unter anderem durch eine verringerte Exposition in der Kindheit gegenüber Infektionserregern zu einer Zunahme allergischer Erkrankungen führen soll (14, 16). Abzugrenzen hiervon ist die sogenannte «Urwald»-Hypothese (10). Demnach richtet sich Immunglobulin E, welches in der Evolution unter anderem der Abwehr von Parasiten diente, nunmehr – in Ermangelung Letzterer – gegen Pollen, Milben und andere Umweltstoffe.
MERKSÄTZE
O Knapp ein Drittel der Kinder mit abgeheiltem atopischem Ekzem erleidet als Erwachsene ein Rezidiv.
O Eine Klimatherapie im Hochgebirge kann nahezu ganzjährig genutzt werden.
Rezidive sind häufig
Etwa 60 Prozent der Patienten mit atopischem Ekzem zeigen initiale Krankheitszeichen im 1. Lebensjahr, und 85 Prozent der Patienten zeigen diese vor dem 5. Geburtstag (7, 11). Mehr als 70 Prozent der erkrankten Kinder erfahren zunächst eine vollständige Rückbildung der Symptome des atopischen Ekzems bis zur Pubertät (11). Nach einer Langzeitbeobachtung des Verlaufs des frühkindlichen atopischen Ekzems über 20 Jahre (6) erlebt jedoch knapp ein Drittel im Erwachsenenalter ein Rezidiv. Das atopische Ekzem kann darüber hinaus auch erstmalig im Erwachsenenalter klinisch
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manifest werden (18). Hier ist vielfach keine ImmunglobulinE-vermittelte Sensibilisierung nachzuweisen (9, 12, 13).
Therapie: Es muss nicht immer Kortison sein Gemäss den aktuell gültigen S2-Leitlinien (19) sieht die Neurodermitisbehandlung bei trockener Haut (Stufe 1) neben einer Vermeidung beziehungsweise Reduktion von Triggerfaktoren den Einsatz von rückfettenden Topika vor. Bei leichten Ekzemen (Stufe 2) wird – neben den Therapeutika des Stadiums 1 – zum Einsatz von Glukokortikoiden der Klasse I oder II geraten. Alternativ kommt auch ein Einsatz von Calcineurininhibitoren in Betracht. Auch werden hier Antiseptika und Antipruriginosa eingesetzt. Bei moderatem Ekzem (Stufe 3) werden neben den Massnahmen der Stufen 1 und 2 topische Glukokortikoide der Klasse III eingesetzt. Bei per-
Abbildung 1: Beugenekzem bei Neurodermitis
Abbildung 2: Stigmata des atopischen Ekzems (Beispiele): Rarefizierung der Augenbrauendichte lateral und Doppelung der Unterlidfalten
10 000 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000
0
Basel (273 m ü. NN)
Samedan (1705 m ü. NN)
Davos (1600 m ü. NN)
Abbildung 3: Durchschnittliche jährliche Summe an Birkenpollen
sistierenden, schwer ausgeprägten Ekzemen (Stufe 4) kommen neben den Massnahmen der Stufen 1 bis 3 systemische Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin) zum Einsatz. Eine UVTherapie wird additiv ab Stufe 2 empfohlen (19).
Klimatherapie im Hochgebirge
Ergänzend hierzu kann eine Klimatherapie die Behandlung
der Neurodermitis unterstützen. In Abhängigkeit von der
Höhe kommt es zu Veränderungen bedeutsamer Umge-
bungsparameter. Das besondere Strahlungsklima im Hoch-
gebirge – mit Zunahme der täglichen Sonnenscheindauer
oberhalb von 800 m in Herbst und Winter, einer höheren
Globalstrahlung und Intensitätszunahme des für die Derma-
totherapie bedeutsamen Wellenlängenbereichs von 290 und
350 nm – kann in Form der Heliotherapie nahezu ganzjährig
genutzt werden. Selbst bei bedecktem Himmel erreicht noch
eine therapeutisch nutzbare Reststrahlung den exponierten
hautkranken Patienten (3).
Ein erniedrigter Sauerstoffpartialdruck, wie er im Hochge-
birgsklima gegenüber dem Flachland besteht, bewirkt eine
Kreislaufaktivierung, eine Vertiefung der Atmung sowie eine
Verbesserung der Hautdurchblutung, welche therapeutisch
genutzt wird.
Eine erniedrigte Luftfeuchtigkeit in der Höhe führt zu einer
erhöhten Abdunstung über die Haut, zu einer Erniedrigung
der Hauttemperatur sowie zu einer Minderung des Juck-
reizes. Weiterhin führt die im Hochgebirgsklima fehlende
Schwüle zu reduzierter Schweiss- und Wärmebelastung am
Hautorgan. Auch wird die geschützte Hochgebirgs-Tal-Lage
(z.B. Davos) dafür verantwortlich gemacht, dass dort eine
verminderte Anzahl von Infektionserregern – im Vergleich zu
tiefer gelegenen Regionen – nachgewiesen werden kann (3).
Durch die oft deutliche Entfernung vom Wohnort bezie-
hungsweise Arbeitsplatz ergeben sich weiterhin positive Ef-
fekte für Psyche und Haut. Oberhalb von 1500 Höhen-
metern ist von einer Hausstaubmilbenfreiheit auszugehen.
Andere potente Allergene (z.B. Birken- und Gräserpollen,
Schimmelpilzsporen) sind deutlich in der Konzentration wie
auch in der Zeitdauer ihres Auftretens reduziert beziehungs-
weise fehlen fast völlig.
Abbildung 3 zeigt für die Konzentration der Birkenpollen
(durchschnittliche jährliche Pollensumme) die Unterschiede
für Basel (273 m über NN), Samedan (1705 m über NN)
sowie Davos (1600 m über NN) auf. Interessanterweise weist
das gegenüber Davos höher gelegene Samedan hinsichtlich
der Pollenkonzentration höhere Werte auf (4). Das wird mit
relativ gesehen, ungünstigeren Standortbedingungen von
Samedan (wie vermehrte aerogene Pollenzufuhr aufgrund
meteorologischer und geografischer Besonderheiten) in
Zusammenhang gebracht.
O
PD Dr. med. Matthias Möhrenschlager Zentrum Dermatologie/Allergologie Hochgebirgsklinik 7265 Davos
Interessenkonflikte: keine deklariert. Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 18/2015. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
Summe Birkenpollen pro Jahr
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