Transkript
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Tocilizumab bei früher progressiver rheumatoider Arthritis
Gute klinische Wirkung in Kombination und als Monotherapie
Eine randomisierte, klinische Studie hat erstmals die Wirkung von Tocilizumab allein oder zusammen mit Methotrexat bei früher rheumatoider Arthritis untersucht.
Annals of the Rheumatic Diseases
Interleukin 6 (IL-6) hat bei rheumatoider Arthritis Anteil an der Entwicklung systemischer Symptome und lokaler Entzündungen, an der Pannusbildung und am Knochenabbau mit Schädigung von Gelenken. Die Krankheitsaktivität korreliert mit erhöhten IL-6-Spiegeln. Für Tocilizumab (TCZ, Actemra®), einen humanisierten monoklonalen Antikörper gegen IL-6, konnten Wirksamkeit und Sicherheit in 4 Phase-IIIStudien in Kombination mit konventionellen DMARD (disease modifying drugs) bei Patienten mit zuvor ungenügendem Ansprechen nachgewiesen werden, in 3 weiteren Studien war die Monotherapie mit Tocilizumab wirksam und sicher. Die vorliegende Studie (FUNCTION) umfasste erstmals ausschliesslich Methotrexat-(MTX-)naive Patienten mit früher rheumatoider Arthritis.
Methodik FUNCTION rekrutierte 1162 Patienten, die 1:1:1:1 randomisiert 4 Behandlungsgruppen zugeteilt wurden: O 4 mg/kg TCZ plus MTX O 8 mg/kg TCZ plus MTX O 8 mg/kg TCZ plus Plazebo O Plazebo plus MTX.
Merksätze
O In einer doppelblinden, randomisierten Studie wurde die Wirkung einer Interleukin-6-Hemmung mit dem humanisierten monoklonalen Antikörper Tocilizumab allein oder zusammen mit Methotrexat bei Patienten mit früher rheumatoider Arthritis und hoher Krankheitsaktivität untersucht.
O Die Ergebnisse sprechen dafür, dass sowohl Tocilizumab plus Methotrexat als auch Tocilizumab in Monotherapie bei früher rheumatoider Arthritis effektive Therapien sind.
TCZ oder Plazebo wurde alle 4 Wochen intravenös verabreicht. Anfangsdosis für MTX plus Plazebo waren 7,5 mg mit Dosissteigerung bis maximal 20 mg pro Woche in Woche 8 bei Patienten mit anhaltend geschwollenen oder schmerzhaften Gelenken. Primärer Endpunkt war das Erzielen einer Remission gemäss Disease Activity Score für 28 Gelenke (DAS-28-Erythrozytensedimentationsrate [ESR]) in Woche 24. Radiologische und körperliche funktionelle Verläufe wurden ebenfalls erfasst. Die Ergebnisse beruhen auf einer Beobachtungszeit von 52 Wochen.
Ergebnisse
Die «Intention-to-treat»-Population umfasste 1157 Patienten. In den Gruppen mit 8 mg/kg TCZ plus MTX und 8 mg/kg TCZ plus Plazebo erreichten nach 24 Wochen signifikant mehr Patienten eine DAS-28ESR-Remission (45% und 39% vs. 15%, p < 0,0001). Im Vergleich zu den mit Plazebo plus MTX Behandelten erzielte die Gruppe mit 8 mg/kg TCZ plus MTX auch signifikant grössere Verbesserungen bei der radiologischen Krankheitsprogression und der körperlichen Funktion nach 52 Wochen (mittlere Veränderung im van-der-Heidemodifizierten gesamten Sharp-Score: 0,008 vs. 1,14, p = 0,0001; mittlere Reduktion im Health Assessment Disability Index: -0,81 vs. -0,64, p = 0,0024). Zusätzlich zeigten die Gruppen mit 8 mg/kg TCZ plus Plazebo und 4 mg/kg TCZ plus MTX für diese wichtigsten sekundären Endpunkte eine Effektivität, die mindestens so gross war wie unter MTX allein. Schwerwiegende Nebenwirkungen kamen in den verschiedenen Behandlungsgruppen mit ähnlicher Häufigkeit vor. In der Gruppe mit 8 mg/kg TCZ plus MTX zwangen bei 20 Prozent die Nebenwirkungen zum vorzeitigen Ausscheiden aus der Studie.
Diskussion
FUNCTION hat als erste Studie die Aus-
wirkungen einer IL-6-Hemmung als Erst-
linientherapie bei rheumatoider Arthritis
untersucht. Die Einschlusskriterien zielten
spezifisch auf Patienten mit aktiver Erkran-
kung und Zeichen für eine Krankheitspro-
gression ab. So lagen die Ausgangswerte
des DAS-28-ESR bei 6,6 bis 6,7, und zirka
90 Prozent waren rheumafaktorpositiv
und/oder wiesen Antikörper gegen das zy-
klische zitrullinierte Peptid (anti-CCP) auf.
Solche Patienten sind die Zielpopulation für
eine frühe intensive Therapie, zum Beispiel
auch mit einem Biologikum.
Die Studie besass nicht die statistische Kraft
zum Nachweis von Behandlungsunterschie-
den zwischen den TCZ-Armen und allen
TCZ-Dosierungen im Vergleich zu MTX al-
lein. Dennoch erzielte das Behandlungs-
schema 8 mg/kg TCZ plus MTX konsistent
die besten Werte bei allen Wirksamkeits-
parametern. Über 52 Wochen verbesserten
8 mg/kg TCZ plus MTX im Vergleich zu
MTX allein signifikant häufiger die Krank-
heitsaktivität und die funktionelle Behinde-
rung und verhinderten das Fortschreiten
von Gelenkschädigungen effektiver.
Die Autoren weisen speziell darauf hin, dass
die Kombination mit MTX bei TCZ – im
Gegensatz zur Kombination von Adalimu-
mab (Humira®) und MTX – nicht zu höhe-
ren Wirkstoffspiegeln des Biologikums führt,
und vermuten, dass eine Synergie zwischen
IL-6-Hemmung und MTX-Wirkungsweise
für die besseren Behandlungsergebnisse der
Kombination TCZ plus MTX verantwort-
lich ist. Als Fazit stellen die Autoren fest,
dass TCZ in Kombination mit MTX oder
als Monotherapie zur Behandlung von Pa-
tienten mit früher rheumatoider Arthritis
effektiv ist.
O
Halid Bas
Burmester GR et al.: Tocilizumab in early progressive rheumatoid arthritis: FUNCTION, a randomised controlled trial. Ann Rheum Dis 2015, 0ct 28; DOI: 10.1136/annrheumdis-2015-207628.
Interessenlage: Die Studie wurde von Roche finanziert.
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