Transkript
EDITORIAL
Johanniskraut wirkt auch in der Erhaltungstherapie
Bei der differenziellen Indikation eines bestimmten Antidepressivums in der Akuttherapie sollte bereits an eine möglicherweise notwendige Langzeittherapie gedacht werden. Trotz der zweifellos sehr guten Erfolge in der Akuttherapie der Depression mit einer Therapieansprechrate von 70 bis 80 Prozent auf Antidepressiva im Vergleich zu 20 bis 30 Prozent auf Plazebo bleibt der Langzeitverlauf der depressiven Erkrankung prognostisch ungünstig. Bei 80 bis 90 Prozent der Patienten rezidiviert die Krankheit innerhalb von zehn Jahren, und 20 bis 30 Prozent der depressiven Patienten erleben eine Chronifizierung der Symptome. Deshalb bedeutet eine antidepressive Therapie in der Praxis in der Regel eine Langzeitbehandlung. Generell werden für ein Antidepressivum Studien gefordert, die dokumentieren, dass es einerseits bei allen Schweregraden der Depression und andererseits in den drei Behandlungsphasen der Depression eingesetzt werden kann, nämlich in der Akuttherapie (6 bis 12 Wochen), in der Erhaltungstherapie (4 bis 9 Monate) und in der prophylaktischen Therapie (ab 1 Jahr). Dieses Therapiephasenschema wurde 1991 von Kupfer publiziert, und danach richten sich alle evidenzbasierten Guidelines einer antidepressiven Behandlung. Die in diesem Heft vorgestellte Studie von Kasper et al.1 bestätigt Hinweise aus früheren, kleineren
Untersuchungen, dass Johanniskraut nicht nur in der Akuttherapie der Depression eingesetzt werden kann, sondern auch eine anhaltende Wirksamkeit mit der Verhinderung von Rückfällen in der Erhaltungstherapie gewährleistet sowie darüber hinaus im Vergleich zu den synthetischen Antidepressiva ein sehr gutes Sicherheitsprofil aufweist. Ein grosses Problem bei der Erhaltungstherapie ist die Compliance der Patienten, die häufig durch störende Nebenwirkungen beeinträchtigt wird. Das günstige Nebenwirkungsprofil von Hypericum bietet eine gute Grundlage für eine bessere Compliance und damit letztlich eine zuverlässige Erhaltungstherapie. In diesem Sinne schliesst die Studie von Kasper et al. eine wichtige Lücke im Behandlungsprofil von Johanniskraut.
Prof. Dr. med. E. Holsboer-Trachsler Leiterin Abt. für Depressionsforschung, Schlafmedizin und Neurophysiologie Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel
1 vgl. S. 1 ff.
thema PHYTOTHERAPIE
3/2009