Transkript
FORUM
Die Cochrane Collaboration
Porträt einer internationalen wissenschaftlichen Organisation
Auf der Homepage des deutschen Cochrane-Zentrums (www.cochrane.de) findet man Angaben über das Wesen und die Struktur der Cochrane Collaboration. Die folgenden Ausführungen sind von dort entnommen.
Cochrane Review Groups (CRG). Die Mitglieder dieser Gruppen sind Forscher, Mitarbeiter im Gesundheitswesen, Ärzte, Patienten und andere. Sie haben ein gemeinsames Interesse daran, verlässliche und aktuelle Erkenntnisse zusammenzufassen, die relevant sind im Hinblick auf Prävention, Behandlung und Rehabilitation bestimmter Gesundheitsprobleme oder Problemgebiete. Editorial Teams (Redaktionsteams) der CRG koordinieren die Erstellung und Aktualisierung der Reviews und achten darauf, dass alle Arbeiten nach den hohen Qualitätsstandards der Cochrane Collaboration durchgeführt werden.
Struktur der Cochrane Collaboration
Die Cochrane Collaboration wird bei der Entwicklung ihrer Grundsätze von den Zielen geleitet, die im Collaboration’s Strategic Plan (Strategiepapier) festgelegt sind. Die Mitglieder der Steering Group haben ihre Stelle für einen Zeitraum von ein oder zwei Jahren inne; jährlich wird etwa ein Drittel der Mitglieder neu gewählt. Das Wahlsystem baut auf ein Prinzip der proportionalen Repräsentation, und jedes Mitglied der Steering Group vertritt eine der verschiedenen Cochrane Entities. Neue Mitglieder der Steering Group nehmen ihren
Christoph Bachmann
Die Cochrane Collaboration (CC) ist eine internationale gemeinnützige Organisation, die sich an den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin (vgl. Kasten 2) orientiert. Das zentrale Ziel ist die Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlagen für Entscheidungen im Gesundheitssystem. Dieses Ziel wird vor allem durch die Erstellung, Aktualisierung und Verbreitung systematischer Übersichtsarbeiten (systematic reviews) auf der Basis von kontrollierten klinischen Studien erreicht. Die Cochrane Collaboration wurde 1993 gegründet und ist nach dem britischen Epidemiologen Sir Archibald Leman Cochrane (vgl. Kasten 1) benannt. Das wichtigste Produkt der Collaboration ist die Datenbank systematischer Übersichtsarbeiten (Cochrane Database of Systematic Reviews), welche vierteljährlich als Teil der Cochrane Library publiziert wird. Die Erstellung und Aktualisierung systematischer Übersichtsarbeiten (die Hauptaufgabe der CC) fällt in die Verantwortung der zurzeit 52 international besetzten
Sir Archibald Leman Cochrane (1909–1988)
Kasten 1: Archibald Leman Cochrane war ein britischer Arzt und Epidemiologe, dessen Wirken und Denken wesentlich das Entstehen der evidenzbasierten Medizin und der Cochrane Collaboration beeinflusste. Sein Buch «Effectiveness und Efficiency» widmete er 1972 der Bevölkerung von Rhonda Fach in Wales, ohne deren Mithilfe er seine ersten epidemiologischen Studien nicht hätte verwirklichen können.
Kasten 2:
Definition: evidenzbasierte Medizin (Quelle: Wikipedia)
EbM von englisch Evidence-based Medicine – «auf Beweismaterial gestützte Heilkunde» – ist eine Richtung in der Medizin, die fordert, dass bei jeder medizinischen Behandlung patientenorientierte Entscheidungen ausdrücklich auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden. Der Begriff wurde Anfang der Neunzigerjahre von Gordon Guyatt aus der Gruppe um David Sackett von der McMaster University, Hamilton, Kanada, Department of Clinical Epidemiology and Biostatistics, geprägt. Im deutschen Sprachraum wurde über das Konzept erstmals 1995 publiziert, wobei die Verfasser bei der Übertragung ins Deutsche falsch lagen: Während «evidence» im Englischen je nach Kontext die Bedeutungen «Beweis», «Beleg», «Hinweis» oder «Zeugenaussage» hat, bedeutet Evidenz im Deutschen Offensichtlichkeit (die keines Beweises bedarf) (englisch: obviousness). Deshalb wurde vorgeschlagen, im Deutschen den Begriff nachweisorientierte Medizin zu verwenden.
5/2009
thema PHYTOTHERAPIE
17
FORUM
Posten bei der jährlichen Hauptversammlung ein. Die Mitglieder der Steering Group treffen sich zweimal jährlich und stehen zwischen diesen Treffen über Telefonkonferenzen und E-Mail in Kontakt. Die Steering Group besteht aus drei Untergruppen und sieben beratenden Gruppen. Weitere offizielle Ämter sind: ◆ Funding Arbiter (ein Mitglied der Stee-
ring Group) und zwei weitere Mitarbeiter, die das Funding Arbitration Gremium bilden, welches Hilfestellung bei Schwierigkeiten mit den Grundsätzen der Organisation bezüglich kommerziellen Sponsorings gibt. ◆ Company Secretary der Collaboration, dessen Aufgaben vom Administrator des «Sekretariats» wahrgenommen werden und dessen Gebiet sowohl die eingetragene «Charity» als auch ihre Handels-Nebengesellschaften (trading subsidiary) umfasst. ◆ Zwei Ombudsmen, die zur Lösung von Konflikten zwischen einzelnen Mitgliedern oder Entities beitragen, für die der übliche Weg der Schlichtung durch den Direktor des zuständigen Zentrums nicht ausreichend war. ◆ Publication Arbiter, der schlichtend und vermittelnd eingreift bei Streitigkeiten zwischen verschiedenen Editorial Teams (z.B. über die Frage nach der passenden Review-Gruppe für einen spezifischen Cochrane-Review) oder zwischen Review-Autoren und dem Editorial Team (z. B., wenn sich Autoren und Editoren über bestimmte Aspekte eines Reviews nicht einigen können). ◆ Das Secretariat ist das Büro der Cochrane Collaboration und unterstützt die Arbeit der Steering Group und ihrer Ausschüsse, verwaltet die zentralen Finanzen der Organisation und fördert die Kommunikation. Es hat seinen Sitz in Oxford, England, und beschäftigt vier Vollzeitmitarbeiter: den Chief Executive Officer, den Administrator, den stellvertretenden Administrator und den Assistenten.
Die Cochrane Library
Systematische Übersichtsarbeiten der Cochrane Collaboration bieten Wissenschaftlern und praktisch Tätigen im Gesundheitswesen eine wissenschaftlich fundierte Informationsgrundlage, um den aktuellen Stand der klinischen Forschung in kurzer Zeit objektiv beurteilen zu kön-
Kasten 3:
Publikationen der Cochrane Library im Juli 2009
Als Beispiele der Publikationen der Cochrane Library werden in der Folge die Titel der Ausgabe 3/2009 (Juli) vorgestellt: ◆ Topical rubefacients for acute and chronic pain in adults ◆ Chinese herbal medicine for endometriosis ◆ Social norms interventions to reduce alcohol misuse in University or College students ◆ Garlic for the common cold ◆ Non-steroidal anti-inflammatory drugs for the common cold ◆ Multiple session early psychological interventions for the prevention of post-traumatic
stress disorder ◆ Long-term effects of weight-reducing drugs in hypertensive patients ◆ Progressive resistance strength training for improving physical function in older adults ◆ Non-pharmacological interventions for assisting the induction of anaesthesia in chil-
dren ◆ Mono and multifaceted inhalant and/or food allergen reduction interventions for pre-
venting asthma in children at high risk of developing asthma ◆ Green tea (Camellia sinensis) for the prevention of cancer ◆ Combined DTP-HBV-HIB vaccine versus separately administered DTP-HBV and HIB vac-
cines for primary prevention of diphtheria, tetanus, pertussis, hepatitis B and Haemophilus influenzae B (HIB) ◆ Interventions to prevent occupational noise induced hearing loss ◆ Erythropoietin as an adjuvant treatment with (chemo) radiation therapy for head and neck cancer
nen. Die Cochrane Collaboration hat sich zur Aufgabe gemacht, diese systematischen Übersichtsarbeiten zu erstellen und in einer eigenen Datenbank, der Cochrane Library, zur Verfügung zu stellen. Neben den Übersichtsarbeiten in der «Cochrane Database of Systematic Reviews» enthält die Cochrane Library auch weitere Datenbanken, wie unter anderem ein Studienregister, Informationen zu HTA, methodische Aspekte und so weiter. Die Cochrane Library stellt damit eine ganz wesentliche Quelle für die systematische und umfassende Literatursuche in der evidenzbasierten Medizin dar und ist zum Beispiel für die Erstellung von Leitlinien und HTABerichten unverzichtbar. Die Cochrane Library wird vierteljährlich veröffentlicht und ist online oder als CDROM über den englischen Verlag Wiley InterScience verfügbar.
Die Datenbanken der Cochrane Library
In der Cochrane Library sind verschiedene Datenbanken enthalten. Ab Ausgabe 2/2006 wurden die bisher mit Abkürzungen benannten Datenbanken mit besser verständlichen Bezeichnungen versehen. Sie werden die ursprünglichen Bezeichnungen
jedoch noch in einigen Publikationen finden, daher sollen auch diese hier noch einmal kurz erklärt werden: Cochrane Reviews – vormals Cochrane Database of Systematic Reviews (CDSR): enthält die von den Cochrane Review Groups erstellten und aktualisierten Übersichtsarbeiten und Protokolle sowie seit Ausgabe 2/2007 auch die Übersichtsarbeiten zu methodischen Aspekten (methods reviews). Other Reviews – vormals Database of Abstracts of Reviews of Effects (DARE): aufgebaut und gepflegt durch das Centre for Reviews and Dissemination in York, Grossbritannien, enthält strukturierte Abstracts und Bewertungen von Nicht-CochraneReviews. Clinical Trials – vormals Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL): weltweit grösste Datenbank randomisierter kontrollierter Studien aus Datenbankrecherchen und Handsuchen; enthält auch Studien, die nur in Kongressberichten oder anderen, nicht in elektronischen Medien erfassten Quellen veröffentlicht sind. Methods Studies – vormals Cochrane Methodology Register (CMR): enthält Referenzen zu Artikeln und Büchern über wissenschaftliche und methodische Aspekte der Review-Erstellung. Die Cochrane Library
thema18
PHYTOTHERAPIE
5/2009
FORUM
umfasst darüber hinaus auch ein Handbuch zur Erstellung von Übersichtsarbeiten und ein Glossar zur Erläuterung der Terminologie. Technology Assessments – vormals Health Technology Assessment Database (HTA): enthält umfassende wertende Berichte zu gesundheitsrelevanten Prozessen. Economic Evaluations – vormals The NHS Economic Evaluation Daatabase: kostenbezogene Arbeiten von Leistungen des Gesundheitswesens (vorwiegend britisch). About Cochrane – vormals About The Cochrane Collaboration: enthält Kontaktadressen und weitere Informationen über Review Groups, Zentren und andere Cochrane-Entitäten sowie Informationen zur Cochrane Collaboration. Protocol: Ein Protocol ist ein CochraneReview (eine Übersichtsarbeit) in Entwick-
lung. Der Titel und viele Teile der Struktur sowie die Liste der einbezogenen Studien sind bereits in der Cochrane Library ersichtlich. Die Veröffentlichung der Protocols in der Cochrane Library ermöglicht es anderen Wissenschaftlern, sich bereits vor der endgültigen Veröffentlichung des Reviews zu informieren.
System für Kommentare und Kritikpunkte
Um den hohen Qualitätsstandard der Cochrane-Reviews zu gewährleisten, können Anwender Lücken oder Fehler in Reviews durch das «Comments & Criticisms»-System mitteilen. Um einen Kommentar zu versenden, klickt man innerhalb des Cochrane-Reviews oder des Protocol auf «Add/View Feedback» im Inhaltsverzeichnis (auf der linken Seite). Durch diese Mithilfe können
die Reviewer ihre Übersichtsarbeiten entsprechend aktualisieren. Die aktuellen Kommentare und Kritikpunkte eines Reviews sind unter «Add/View Feedback» ersichtlich.
Das Deutsche CochraneZentrum
Das Deutsche Cochrane Zentrum (DCZ) ist
seit März 1999 eine Entität der Cochrane
Collaboration (CC). Das DCZ ist der Univer-
sität Freiburg angeschlossen. Es vertritt als
eines der weltweit 13 Cochrane-Zentren die
Cochrane Collaboration im deutschen
Sprachraum und ist Anlaufstelle für Inter-
essenten. Es ist zuständig für Deutschland,
Österreich, Teile der Schweiz, Liechtenstein
sowie für Tschechien, die Slowakei und Un-
garn.
◆