Transkript
EDITORIAL
Die Grippeverkäufer
Haben Sie sich schon genügend mit Schutzmasken, antiviralen Medikamenten, Hände- und Raumdesinfektionslösungen und Hygienetüchern eingedeckt? Vollziehen Sie eine Begrüssung nicht mehr mit Handschlag und Küsschen? Meiden Sie grosse Menschenansammlungen? Wenn Sie diese Fragen alle mit Ja beantworten, dann haben Sie auf die gegenwärtig laufende Marketingkampagne gut angesprochen. Diese wird von Marketingmanagern, Journalisten, aber auch von Fachleuten des Gesundheitswesens durchgeführt, die ihre besondere Fähigkeit, ein neues Produkt zu vermarkten, unter Beweis stellen: Sie verkaufen mit bemerkenswertem Erfolg die jährlich auf uns zukommende Grippewelle. «Mexikogrippe», «Schweinegrippe», «H1N1-Grippe». Es gibt verschiedene Namen für die in diesem Jahr etwas früher und stärker auftretende Grippewelle. Elemente dieser Verkaufsstrategie sind zum Beispiel Berichte in Nachrichtensendungen, in denen Worst-Case-Szenarien mit leeren Schulen, Einkaufszentren, nicht mehr fahrenden Zügen und Tausenden von durch die Grippe Dahingerafften so gezeigt werden, dass viele nicht mehr zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können. Weiter treffen fast täglich «Schweinegrippe-Angebote» für Masken und Desinfektionsprodukte ein, mit denen sich Firmen gegenseitig zu übertrumpfen versuchen.
Schade, dass ich nicht im Lager dieser Grippeverkäufer bin, denn an Ideen würde es mir nicht fehlen: Man könnte doch ein H1N1-Präservativ lancieren, das garantiert eine genitale Übertragung der Grippe verhindert, oder einen Antigrippeapparat, der elektromagnetische Wellen verbreitet, deren Frequenz garantiert die Hülle der H1N1-Viren zerstört. Spass beiseite, oder besser gesagt, trauriger Ernst wieder hervor: Cui bono? Wem nützen diese Machenschaften? Und wie steht es mit den pflanzlichen Präparaten, deren Wirksamkeit gegen grippale Infekte gut dokumentiert ist? Man hört in der laufenden Mexiko-Schweine-H1N1-GrippeKampagne (fast) nichts von Echinacea, Pelargonium und Eleutherococcus. Aber diese Arzneipflanzen haben halt keine einflussreiche Lobby hinter sich. Oder haben die entsprechenden Firmen das neue Geschäftsfeld einfach noch nicht entdeckt ...?
Dr. Christoph Bachmann
thema PHYTOTHERAPIE
5/2009