Transkript
FORSCHUNG
Bestätigung der Wirksamkeit von ERr 731 bei perimenopausalen Frauen mit menopausalen Beschwerden
Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden Studie
ERr 731 ist ein Extrakt aus der
Wurzel des Rhapontikrhabar-
bers, auch sibirischer Rhabar-
ber genannt, dessen Wirk-
samkeit gegen menopausale
Symptome in den letzten Jah-
ren mit klinischen Kurz- und
Langzeitstudien bestätigt
worden ist. «phytotherapie» hat darüber berichtet1. Der
vorliegende Beitrag ist eine
auf Deutsch übersetzte Kurz-
fassung einer weiteren Studie,
deren Ziel es war, frühere Resultate zu bestätigen2.
Christoph Bachmann
Einleitung
Die Wirksamkeit des Rheum-RhapontikumExtrakts ERr 731 gegen menopausale Symptome ist schon in früheren Studien gezeigt worden (1–4). Das Ziel der aktuellen Studie war, die gewonnenen Resultate zur Wirksamkeit gegen die hauptsächlichen menopausalen Beschwerden wie vasomotorische, psychische und physische Symptome zu bestätigen. Dazu wurden die Werte verschiedener relevanter Symptome bestimmt und
zusätzlich Sicherheitsparameter gemessen. Primäre Zielvariable für die Wirksamkeit war die Veränderung auf der Menopause Rating Scale (MRS) gegenüber Plazebo nach einer zwölfwöchigen Behandlung mit ERr 731. Die Probandinnen verwendeten ein persönliches Tagebuch, in dem sie unabhängig von den Prüfärzten die Häufigkeit und Stärke der Hitzewallungen und anderen Wirksamkeitsparametern eintrugen.
Studiendesign
Die Studie war als zwölfwöchige, multizentrische, prospektive, randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Phase III mit einem mehrstufigen adaptiv-sequenziellen Design konzipiert. Es wurden zwei Interimsauswertungen durchgeführt, um die Wirksamkeit von ERr 731 gegenüber Plazebo bei Frauen in der Perimenopause mit menopausalen Beschwerden zu überprüfen. Die Studie wurde von Februar 2004 bis April 2008 in acht gynäkologischen Zentren in der Ukraine durchgeführt.
Einschlusskriterien: ◆ Frauen zwischen 45 und 55 Jahren ◆ regelmässiger Zyklus in den letzten
zwölf Monaten unterbrochen, letzte Menstruation vor mindestens drei, maximal zwölf Monaten ◆ MRS-Gesamtscore ≥ 18 ◆ schriftliche Einwilligung, an der Studie teilzunehmen ◆ telefonisch erreichbar ◆ willens und fähig, das Vorgehen der Studie durchzuführen.
Ausschlusskriterien: ◆ Anomalitäten des Endometriums und
der Brust, Vorhandensein von weiteren Krankheiten ◆ gleichzeitige Einnahme weiterer Medikamente
◆ vorherige Hormontherapie ◆ übermässiger Genuss von Alkohol, Ni-
kotin, Kaffee ◆ BMI < 18 und > 30.
Studienverlauf
Nach der Baselinevisite mit einer genauen Untersuchung begannen die Probandinnen, ihr Studientagebuch zu führen, in dem sie verschiedene Ereignisse wie Hitzewallungen, Menstruationsblutungen, die Verwendung zusätzlicher Arzneipräparate, unerwünschte Ereignisse (AE) sowie weitere Aspekte der psychischen und physischen Verfassung eintrugen. An den Tagen 28, 56 und 84 fanden zusätzliche Visiten statt. Am Tag 84 und im Fall eines Studienabbruchs wurden eine Schlussuntersuchung durchgeführt und verschiedene weitere Parameter erhoben inklusiv Endometriumbiopsie und Mammografie.
Studienpräparat
Das Studienpräparat war eine überzogene Tablette mit 4 mg ERr 731 (DEV 16–21:1)3. Das Plazebo war äusserlich sowie in Geruch und Geschmack nicht vom Studienpräparat zu unterscheiden.
Zielvariablen
Primäre Zielvariable war die Totalveränderung auf dem MRS-Score (vgl. Kasten). Die MRS-Werte wurden von den Probandinnen in ein Studientagebuch eingetragen sowie von den Prüfärzten bei den Visiten erhoben.
1 Vgl. «phytotherapie» 2007(2); 7: 24 und «phytotherapie» 2008(5); 8: 9. 2 Originalartikel: Kaszkin-Bettag M. et al.: Confirmation of the efficacy of ERr 731 in perimenopausal women with menopausal symptoms, Alternative Therapies 2009(1); 15: 24–34. Übersetzung und Kürzungen: Dr. C. Bachmann 3 Chemisch-Pharmazeutische Fabrik Göppingen (Anmerkung der Redaktion: Das Präparat ist in der Schweiz nicht im Handel.)
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PHYTOTHERAPIE
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FORSCHUNG
Kasten: MRS-Score Beim MRS-Score werden 11 für die Menopause typische Symptome erfasst: 1. Hitzewallungen, Schweissausbrüche 2. Herzbeschwerden 3. Schlafstörungen 4. Depressive Verstimmung 5. Reizbarkeit 6. Ängstlichkeit 7. Körperliche und geistige Erschöpfung 8. Sexualprobleme 9. Harnwegbeschwerden 10. Trockenheit der Scheide 11. Muskel- und Gelenkbeschwerden Jedes Symptom kann mit 0 (nicht vorhanden), 1 (mild), 2 (moderat), 3 (schwer) oder 4 (sehr schwer) charakterisiert werden. Als Resultat einer solchen Befragung kommen Werte zwischen 0 und 44 Punkten zustande. Die 11 Symptome werden unterschieden in eine ◆ psychische Subskala (4–7) ◆ somatische Subskala (1, 2, 3, 11) ◆ urogenitale Subskala (8–10).
Sekundäre Zielvariablen waren: ◆ die individuellen Symptome der MRS ◆ Anzahl und Schweregrad der Hitzewal-
lungen ◆ die gewichtete Skala der wöchentlichen
Hitzewallungen (HFWWS) ◆ die Zeit bis zum Beginn der Wirksamkeit
der Behandlung ◆ Behandlungsresultate gemäss der Re-
sultatskala der Integrativen Medizin (IMOS). Für die Bestimmung der HFWWS wurden genaue Richtlinien angegeben. Für die Bestimmung der Sicherheit des Studienpräparats wurden verschiedene Parameter erhoben.
Responsekriterien Als Response wurden folgende Kriterien definiert: 1. Ein MRS-Score von < 24 am Ende der
Studie 2. Abnahme von ≥ 10 Punkten auf dem
MRS-Score von Baseline bis zum Ende der Studie 3. Frauen, die Kriterium 1 und 2 voll erfüllten. Alle gewonnenen Resultate wurden statistisch ausgewertet.
Resultate
Patientinnenfluss Für die Studie wurden 171 Frauen rekrutiert. Der gesamte Patientinnenfluss wurde genau dokumentiert. Von den 171 rekrutierten Frauen wurden 112 randomisiert. In die Verum- und Plazebogruppe wurden je 56 Pro-
bandinnen eingeteilt, deren Baselinedaten und sonstige demografischen Daten keine wesentlichen Unterschiede aufwiesen. 47 Probandinnen der Verum- beziehungsweise 46 der Plazebogruppe beendeten die Studie plangemäss. Die ITT-Auswertung erfolgte mit je 56 Probandinnen, die PPAuswertung mit 53 (Verum) beziehungsweise 54 (Plazebo). Die Gesamtveränderung des MRS-Scores sind in Tabelle 1 dargestellt. Der Unterschied der Veränderung auf dem MRSScore in der Verumgruppe war gegenüber Plazebo hochsignifikant.
Responderkriterien Responderkriterium 1: 54 Frauen (96,4%) der Verumgruppe erwiesen sich als Responder gegenüber 27 Frauen (48,2%) in der Plazebogruppe. Responderkriterium 2: 47 Frauen (83,9%) der Verumgruppe erfüllten das Responderkriterium 2, gegenüber 2 Frauen (3,6%) der Plazebogruppe. Responderkriterium 3: 46 Frauen (82,1%) erfüllten das Responderkriterium 3 gegenüber 2 Frauen (3,6%) der Plazebogruppe.
Studientagebuch
Die Tagebucheintragungen der ERr-731Gruppe zeigten eine kontinuierliche Verbesserung, die die ganze Studienzeit andauerte. Die Angaben der Plazebogruppe zeigten eine kleine Verbesserung während der ersten Woche, die dann im weiteren Verlauf der Studie stagnierte.
Die Verbesserungen, die in den Studientagebüchern dokumentiert waren, stimmten mit den Resultaten überein, die auch die Prüfärzte ermittelt hatten. Am Ende der Studie gab die Mehrheit der Probandinnen der Verumgruppe an, keine oder nur noch milde Symptome zu haben (0 bis 8 MRS-Punkte), während mehr als 80 Prozent der Probandinnen der Plazebogruppe angaben, immer noch unter starken Beschwerden zu leiden (> 17 MRS-Punkte). Eine Subgruppenauswertung zeigte, dass die Behandlung der psychischen und somatischen Symptome mit ERr 731 zu den grössten Verbesserungen führte .
Hitzewallungen Bei Studienbeginn erlebten die Probandinnen pro Tag im Schnitt 12 Hitzewallungen, ohne Unterschiede zwischen den beiden Studiengruppen. Während der Studie nahmen die moderaten und schweren Hitzewallungen in der ERr-731-Gruppe stärker ab als in der Plazebogruppe. Nach zwölf Wochen betrug die durchschnittliche Anzahl der täglichen Hitzewallungen in der Verumgruppe noch 2,8 ± 2,8. In der Plazebogruppe betrug dieser Wert 11,4 ± 6,8. Die meisten Hitzewallungen waren moderat bis schwer.
Der HFWWS-Wert zur Gewichtung der Schwere der Hitzewallungen Auch beim HFWWS-Wert wurde in derVerumgruppe gegenüber Plazebo eine hochsignifikante Verminderung beobachtet (Tabelle 2).
Veränderung der allgemeinen Beschwerdesymptomatik Auch bei den Angaben über die Veränderung der allgemeinen Beschwerdesymptomatik im Verlauf der Behandlung zeigten sich sehr deutliche Resultate zugunsten der ERr-731-Gruppe (vgl. Tabelle 3).
Unerwünschte Ereignisse (AE)
In der Verumgruppe wurde von 11 AE berichtet (alle als moderat bezeichnet). In der Plazebogruppe berichteten 3 Probandinnen von einem AE (2 moderat, 1 leicht). Von den 11 AE der Verumgruppe wurden 3 als möglicherweise im Zusammenhang mit der Einnahme des Studienpräparats stehend bezeichnet. Sie betrafen Asthenie, Schwindel, Kopfschmerzen. Alle 3 traten bei derselben Probandin auf und verschwanden nach Absetzen des Studienpräparats wieder. Keine der AE betrafen gynäkologische Organe oder Gewebe.
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thema PHYTOTHERAPIE
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FORSCHUNG
Tabelle 1: Gesamtveränderung des MRS-Scores
Zeitpunkt
Baseline Behandlungsende nach 12 Wochen
MRS-Score
ERr 731
Plazebo
27,0 ± 4,7
27,0 ± 5,3
12,4 ± 5,1
24,1 ± 4,3
p (zweiseitiger t-Test) < 0,0001 < 0,0001 Tabelle 2: Veränderung des HFWW-Werts während der Studie Zeitpunkt Baseline Behandlungsendenach 12 Wochen HFWWS-Wert ERr 731 Plazebo 121,83 ± 75,9 144,96 ± 81,6 23,9 ± 27,5 137,6 ± 95,6 p (zweiseitiger t-Test) < 0,0001 < 0,0001 Tabelle 3: Veränderung der Symptome im Verlauf der Behandlung Veränderung starke Verbesserung leichte bis moderate Verbesserung keine Verbesserung Veränderung der Symptome ERr-731-Gruppe 44 (78,6%) 10 (17,9%) 2 (3,7%) 0 Plazebogruppe 2 (3,6%) 5 (8,9%) 46 (85,1) 1 (1,8%) Laborparameter und Biopsien Bei den erhobenen Laborparametern (Hämatologie, Leberwerte) wurden in keiner der beiden Gruppen abnormale Werte beobachtet. Die Resultate der Biopsien sowie von Mammografien, von Vaginalabstrichen und weiteren Sicherheitsparametern werden zusammen mit den Resultaten eines 52 Wochen dauernden Follow-ups zu einem späteren Zeitpunkt publiziert. Verträglichkeit Das Studienpräparat wurde von der Mehrheit der Patientinnen gut bis sehr gut vertragen. In der ERr-731-Gruppe gaben 2 Probandinnen an, die Verträglichkeit des Studienpräparats sei mässig, eine weitere bezeichnete sie als schlecht. Diskussion Die Resultate der vorliegenden Studie bestätigen die Wirksamkeit des RheumRhapontikum-Extrakts ERr 731 gegen menopausale Beschwerden. Die Verminderung sowohl ihrer Häufigkeit wie ihres Schweregrads wurde durch alle Messungen bestätigt. In der Verumgruppe nahm der MRSWert vom ersten bis zum letzten Tag der Studie kontinuierlich ab, was in der Plazebogruppe nicht der Fall war. Der Unterschied in der Abnahme des MRS-Scores zeigte sich als hochsignifikant. Die Wirksamkeit von ERr 731 auf vasomoto- rische und psychische Symptome wurde in den beiden vorangegangenen Studien gezeigt (1, 2). Die vorliegende Studie ermittelte auch Daten über weitere Parameter wie Lebensqualität, Ängstlichkeit und Depression. Die Resultate der Studie bestätigen die Wirksamkeit von ERr 731 auch bei diesen psychischen Symptomen. Sowohl die Häufigkeit wie auch der Schweregrad der Hitzewallungen wurden signifikant vermindert. Nach zwölf Wochen hatten die Probandinnen der Verumgruppe im Schnitt 2,8 Hitzewallungen pro Tag, verglichen mit 11,4 der Probandinnen der Plazebogruppe. Die Verminderung war proportional zum Schweregrad bei Baseline. Frauen, die bei Baseline eine grössere Frequenz der Hitzewallungen (≥ 10/Tag) hatten, beobachteten eine stärkere Verminderung der Symptome als Frauen mit weniger als 10 Hitzewallungen pro Tag bei Baseline. In der Plazebogruppe gab es einige Frauen mit mehr als 10 Hitzewallungen pro Tag bei Baseline, die eine Zunahme der Hitzewallungen im Verlauf der Studie beobachteten. Schwankungen in der Häufigkeit und im Schweregrad der Hitzewallungen sind ein für die Perimenopause typisches Phänomen. Ähnliche Resultate ergaben sich bei der Berechnung der wöchentlichen Rate an Hitzewallungen (HFWWS). Da der HFWWS-Wert auch zur Bestimmung der Wirksamkeit von niedrig dosierten Hormonpräparaten verwendet wurde (5), kann mit dem hier ermittelten HFWWS-Wert die Wirksamkeit von ERr 731 mit den Ergebnissen von Hormontherapiebehandlungen dieser Studie verglichen werden. Da in beiden Studien der HFWWSWert ungefähr gleichmässig vermindert wurde, kann daraus geschlossen werden, dass ERr 731 eine wirksame Alternative für eine niedrig dosierte Hormontherapie ist, vor allem für Frauen, bei denen eine Hormontherapie nicht ratsam ist. Bei keiner der Probandinnen der ERr-731Gruppe wurde ein unerwünschtes Ereignis (AE) im gynäkologischen Bereich beobachtet. Alle AE wurden als mild bis moderat eingestuft. Dies stimmt mit früheren Resultaten überein (1). Diese gute Sicherheit stimmte auch mit den gemessenen Laborparametern überein, bei denen keine klinisch relevanten Veränderungen festgestellt wurden. Schlussfolgerungen Die vorliegende, doppelblinde, plazebokon- trollierte, klinische Studie bestätigt die Überlegenheit des Rheum-Rhapontikum- Wurzelxtrakts ERr 731 gegenüber Plazebo zur Verminderung von perimenopausalen Beschwerden. Speziell wirksam ist er in der Verminderung von vasomotorischen und psychischen Symptomen. ◆ Adresse des Korrespondenzautors: Peter W. Heger Health Research Services Ltd. St. Leon-Rot Deutschland Peter.heger@h-r-s.biz Literaturreferenzen: 1. Heger M.,Ventskovsky B.M., Borzenko I. et al.: Efficacy and safety of a special extract of Rheum (ERr 731) in perimenopausal women with climacteric complaints: A 12week randomized, double-blind, placebo-controlled trial, Menopause 2006; 13(5): 744–759. 2. Kaszkin-Bettag M., Ventskovskiy B.M., Kravchenko A. et al.: The special extract ERr 731 of the roots of Rheum decreases anxiety and improves health state and general well-being in perimenopausal women, Menopause 2007; 14(2): 270–283. 3. Kaszkin-Bettag M., Beck S., Richardson A., Heger P.W., Beer A.M.: Efficacy of the special extract ERr 731 from rhapontic rhubarb for menopausal complaints: A 6-month open observational study, Altern Ther Health Med. 2008; 14(6): 32–38. 4. Hasper I.,Ventskovskiy B.M., Rettenberger R., Heger P.W., Riley D.S., Kaszkin-Bettag M.: Long-term efficacy and safety of the special extract ERr 731 of Rheum rhaponticum in perimenopausal women with menopausal symptoms, Menopause 2009(1); 16: 117–131. 5. Notelovitz M, Lenihan J.P., McDermott M., Kerber I.J., Nanavati N., Arce J.: Initial 17-betaestradiol dose for treating vasomotor symptoms, Obstet Gynecol. 2000; 95(5): 726–731. thema20 PHYTOTHERAPIE 6/2009