Transkript
FORSCHUNG
Die Behandlung des prämenstruellen Syndroms mit Vitex agnus castus
Eine prospektive, randomisierte Multizenterstudie aus China1
Seit etwa zehn Jahren gibt
es in der Schweiz Präparate
mit Vitex-agnus-castus-Extrak-
ten zur Behandlung des prä-
menstruellen Syndroms (PMS).
Es sind notabene die einzigen
Präparate mit dieser Indika-
tion. Die vorliegende chinesi-
sche Studie bestätigt Resul-
tate von früheren Studien,
die eine Wirksamkeit des
Mönchspfeffers beim PMS
belegen.
Christoph Bachmann
Einleitung
Die vorliegende Studie wurde zwischen 2005 und 2007 in vier Zentren von Beijing durchgeführt. Es wurde untersucht, ob die als wirksam dokumentierten (1–4) Extrakte aus Vitex agnus castus (VAC), Mönchspfeffer, auch bei chinesischen Frauen, die an
1 Gekürzte und auf Deutsch übersetzte Fassung der englischen Originalpublikation: Zhong He et al.: Treatment for premenstrual syndrome with Vitex agnus castus: A prospective, randomized, multicenter placebo controlled study in China, Maturitas. 2009 Aug 20; 63(4): 369. Übersetzung und Kürzungen: Dr. C. Bachmann. 2 In der Schweiz als Cyclodynon® im Handel.
Vitex agnus castus, Lamiaceae (Lippenblütler), Mönchspfeffer
einem prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden, wirken.
Studiendesign
Die Studie wurde als prospektive, doppelblinde, plazebokontrollierte Parallelgruppen-Multizenterstudie angelegt. Basierend auf den Resultaten früherer Studien wurden für jede Gruppe 100 Probandinnen benötigt. Wegen der Drop-out-Rate von etwa 20 Prozent mussten pro Gruppe etwa 120 Frauen rekrutiert werden. Zur Erfassung moderater und schwerer PMS wurde das Premenstrual Syndrome Diary (PMSD) verwendet. Es handelt sich um eine Selbstbeurteilungskala mit 17 Fragen betreffend negativer Stimmung, Wasserretention, Ernährung und Schmerzen. Eine Frage kann von 0 (nicht vorhanden) bis 3 (schwer) beantwortet werden. Die primäre Zielvariable der Studie war der Gesamtscore während der sieben letzten Tage der Lutealphase des Zyklus. Für die Studie wurde auch die Premenstrual Tension Syndrome Self-Rating Scale (PMTS) verwendet, ein Fragebogen mit 36 Fragen, die 10 verschiedene Bereiche von PMS-Symptomen erfassen. Die Fragen können mit «Ja» (1) oder mit «Nein» (0) beantwortet werden. Für den Verlauf der Studie wurden eine
Screening-, eine Vorbereitungs- und eine Behandlungsphase mit genau definierten Zeitplänen, Vorgehen, Einschluss- und Ausschlusskriterien bestimmt. Verschiedene Visiten, bei denen verschiedene Parameter erhoben wurden, fanden während aller Phasen statt. Die Vorbereitungsphase schloss zwei Zyklen ein, die Behandlungsphase drei Zyklen. Für die Studie wurden Frauen zwischen 18 und 45 Jahren rekrutiert, die in den letzten zwölf Monaten einen normalen Zyklus hatten. Während der Vorbereitungsphase wiesen sie einen PMTS-Wert von ≥ 18 auf. Während der letzten sieben Tage der beiden Zyklen in der Screeningphase zeigte der PMSD gegenüber der Follikelphase einen Anstieg von mindestens 16 Punkten auf. Es wurden verschiedene Ausschlusskriterien wie die Einnahme verschiedener Hormonpräparate, Psychopharmaka, Bestehen von endokrinologischen Krankheiten und so weiter definiert. Primäre Zielvariable war die mittlere Veränderung des PMSD-Scores während der letzten sieben Tage vor der Menstruation, gemessen vom ersten Zyklus (= Baseline) bis zum dritten Zyklus der Behandlungsphase. Sekundäre Zielvariablen waren die mittlere Veränderung des PMSD-Scores nach einem und nach zwei Menstruationszyklen der Behandlungsphase verglichen mit Baseline sowie die Veränderung des Summenscores der PMTS-Selbstbeurteilungskala nach drei Zyklen der Behandlungsphase.
Studienpräparat
Beim Studienpräparat handelte es sich um den Vitex-agnus-castus-Extrakt BNO 10952 der Firma Bionorica, Deutschland. Jede Tablette enthält 4,0 mg VAC-Trockenextrakt (entsprechend 40 mg Arzneidroge). Die Probandinnen erhielten während der drei Zyklen der Behandlungsphase täglich eine
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FORSCHUNG
Tablette. Die Frauen der Plazebogruppe erhielten eine identisch aussehende Tablette ohne Wirkstoff.
Resultate
Nach der Screening- und der Vorbereitungsphase wurden 217 Frauen in die Behandlungsphase aufgenommen, 108 in die Verumgruppe, 109 in die Plazebogruppe. Während der dreimonatigen Behandlungsphase zogen sich 15 Frauen (7 Verum, 8 Plazebo) zurück, die Begründungen wurden dokumentiert. Von den je 101 Probandinnen wurden die Resultate mit verschiedenen statistischen Methoden ausgewertet. Die Verminderung der PMS-Beschwerden im Verlauf der drei Zyklen dauernden Behandlungsphase ist in der Tabelle dargestellt. In allen drei Abschnitten der Behandlungsphase wurden in der Verumgruppe sowohl mit dem PMSD wie auch mit der PMTS signifikant grössere Verbesserungen der PMSSymptome gemessen als in der Plazebogruppe. Mit der PMTS-Selbstbeurteilung verminderte sich der Wert in der Verumgruppe von 26,17 ± 4,79 auf 9,92 ± 9,01, in der Plazebogruppe von 27,10 ± 4,76 auf 14,59 ± 10,69 (p < 0,01). Total wurde von 19 unerwünschten Ereignissen (UE) berichtet, keines davon war schwerwiegender Natur. Bei 5 UE wurde ein Zusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Studienpräparat als wahrscheinlich angenommen. Zwischen der Verum- und der Plazebogruppe gab es in der Verteilung der UE keinen signifikanten Unterschied. Am meisten wurden Kopfschmerzen genannt.
Diskussion
Die vorliegende Studie ist eine Bestätigung von früheren Studien, die die Wirksamkeit von VAC bei PMS belegen (1–5). Sie zeigt, in Übereinstimmung mit den zitierten früheren Studien, dass in beiden Gruppen mit dem PMSD und der PMTS-Selbstbeurteilung eine Verbesserung gefunden wurde. In der Verumgruppe war die Verbesserung aber signifikant höher. In früheren Studien wurde eine 50-prozentige Verbesserung als klinisch wirksam definiert. Die Autoren der vorliegenden Studie setzten diese
Tabelle: Verminderung der PMS-Beschwerden während der Behandlungsphase
Zyklus
(Baseline) 1 Baseline – 1 2 Baseline – 2 3 Baseline – 3 Zyklus
(Baseline) 1 Baseline – 1 2 Baseline – 2 3 Baseline – 3
FAS: Full analysis set PPS: Per-protocol set
Verum (n = 104) 29,13 ± 7,8 11,83 ± 10,13 17,29 ± 10,96 8,57 ± 8,58 20,56 ± 10,24 6,41 ± 7,94 22,71 ± 10,33
Verum (n = 101) 29,06 ± 7,85 11,62 ± 10,11 17,44 ± 11,07 8,25 ± 8,40 20,81 ± 10,28 6,04 ± 7,62 23,02 ± 10,31
FAS Plazebo (n = 104) 28,14 ± 7,6 16,10 ± 10,29 12,05 ± 10,29 13,18 ± 9,9 14,96 ± 12,16 12,64 ± 10,41 15,50 ± 13,09 PPS Plazebo (n = 101) 28,26 ± 7,65 16,30 ± 10,29 11,96 ± 10,91 13,36 ± 9,97 14,90 ± 12,16 12,65 ± 10,41 15,61 ± 13,09
p
0,4017 < 0,0001 0,0016 < 0,0001 0,0003 < 0,0001 < 0,0001
p
0,5082 < 0,0001 0,0012 < 0,0001 0,0002 < 0,0001 < 0,0001
Limite auf 60 Prozent an. In der Verumgruppe erreichten 83 Prozent der Probandinnen diese Limite, in der Plazebogruppe 52 Prozent. Dieser Plazebowert liegt in der vorliegenden Studie höher als in früheren, bei denen 23 bis 34 Prozent gefunden wurden (6, 7). Das könnte mit der Selbstbeurteilung der PMS-Symptome zu tun haben.
Schlussfolgerung
Das Vitex-agnus-castus-Präparat BNO
1095, entsprechend 40 mg Arzneidroge, er-
wies sich als sicheres, gut toleriertes und
wirksames Arzneimittel zur Behandlung
von Patientinnen mit moderatem bis
schwerem prämenstruellen Syndrom (PMS).
Die Wirksamkeit wurde von den Probandin-
nen und den Prüfärzten bestätigt.
◆
Anschrift des Korrespondenzautors der Originalpublikation: Zhong He (Korrespondenzadresse) Department of Obstetrics and Gynecology Peking Union Medical College Hospital Chinese Academy of Medical Science, Beijing hezhong@pumc.edu.cn
Literaturreferenzen:
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