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CongressSelection
Ist die neue Generation der Herzschrittmacher kabellos?
Medizintechnik spielt in der Kardiologie eine immer grössere Rolle. Daher zählen aktuelle Daten zu neuen Devices auch zu den meistbeachteten Präsentationen am diesjährigen ESC-Kongress. Für Diskussionen sorgte unter anderem ein elektroden- und kabelloser Herzschrittmacher.
Der elektroden- und kabellose Herzschrittmacher wird direkt im Herzen verankert; er benötigt keinerlei Kabelverbindungen. Seine Wirksamkeit und Sicherheit werden gegenwärtig in der prospektiven, nicht randomisierten Pre-Marketing-Studie LEADLESS II an 526 Patienten untersucht. Dazu Dr. Vivek Reddy, Icahn School of Medicine, New York: «Kabellose Schrittmacher haben das Potenzial, viele Probleme der Schrittmachertechnologie zu überwinden. Der Schwachpunkt der konventionellen Schrittmacher sind nämlich die transvenösen Kabel.» Mittlerweile liegen die ersten 6-Monats-Daten vor, sie wurden im Rahmen der Hotline des ESC-Kongresses präsentiert und gleichzeitig prominent publiziert (1). Mehr als 90 Prozent der erfolgreich implantierten Geräte funktionierten einwandfrei, auch der primäre Sicherheitsendpunkt (das Fehlen schwerer unerwünschter Devicewirkungen – serious adverse device effects – SADE) wurde in mehr als 90 Prozent erreicht. Bei 6,7 Prozent der Patienten traten SADE auf, darunter Myokardperforationen (1,3%), Dislokation des Device mit erfolgreicher perkutaner Bergung (1,7%) und eine Fehlfunktion des Device, die den Austausch notwendig machte (1,3%). Es traten keine Infektionen auf. Bei 3 der Patienten mit Dislokation des Schrittmachers kam es zu einer Embolisierung in die Lunge, bei 2 zu einer Migration in die rechte Vena femoralis.
LEADLESS II: Technologie reif für die Praxis? In der Diskussion wurde das nicht randomisierte Design der Studie ebenso kritisiert wie die Nebenwirkungsrate, die insgesamt höher liegt als bei konventionellen Schrittmachern. Ob diese systembedingt ist oder der mangelnden Erfahrung mit dem Device geschuldet, müssen weitere Studien zeigen. Reddy verweist auf eine Subgruppenanalyse, die eine Abhängigkeit der Komplikationsrate von der Erfahrung des implantierenden Kardiologen zeigt. Der Vergleich der Komplikationsrate der ersten zehn Implantationen jedes Operateurs mit jener weiterer Eingriffe zeigte eine Reduktion prozeduraler Komplikationen und Dislokationen: «Interpretiert man die Daten im Kontext der begrenzten Erfahrungen mit dieser neuen Technologie, so sprechen sie für die Einsetzbarkeit des elektrodenlosen Schrittmachers in der klinischen Praxis.»
SERVE-HF: Zentrale Schlafapnoe bei Herzinsuffizienz keine Indikation für ASV Eine der zahlreichen Studien mit negativen Ergebnissen am Kongress betraf die nächtliche Atemunterstützung bei herzinsuffizienten Patienten mit zentraler Schlafapnoe. Untersucht wurde
die Technik der adaptiven Servoventilation (ASV), eine intelligentere Weiterentwicklung von CPAP, die Variationen im Atemfluss erkennt und mit einer Anpassung des Drucks in der Maske reagiert. Aufgrund dieser intelligenten Steuerung kann das System die typischen Atemunregelmässigkeiten im Rahmen einer bei systolischer Herzinsuffizienz häufigen zentralen Schafapnoe kompensieren. In der Studie SERVE-HF wurde bei 1325 Herzinsuffizienzpatienten die optimale Standardtherapie allein oder mit zusätzlich 5 Stunden ASV pro Nacht verglichen. Diese Intervention erwies sich über eine mediane Beobachtungszeit von 31 Monaten insofern als wirksam, als die Schlafapnoe damit sehr gut kompensiert werden konnte − allerdings ohne dass die Patienten profitierten. Hinsichtlich des primären kombinierten Endpunkts aus Gesamtmortalität, Verschlechterung der Herzinsuffizienz, lebensrettender kardiovaskulärer Intervention oder ungeplanter Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz wurde kein Vorteil für die ASV beobachtet. Hinsichtlich der Mortalität schnitt der ASV-Arm sogar schlechter ab. Damit sei die ASV bei zentraler Schlafapnoe obsolet, so Studienautor Dr. Martin Cowie vom Imperial College London. Allerdings dürfe man aus diesen Daten keine Schlüsse für andere Indikationen von ASV oder CPAP wie etwa die obstruktive Schlafapnoe ziehen. Die Hintergründe der Beobachtungen sind unklar. Die Autoren spekulieren, dass die für die zentrale Schlafapnoe typische Cheyne-Stokes-Atmung eine sinnvolle Anpassung an die pathologische Kreislaufsituation bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz sein könnte.
Reno Barth
OPTILINK-HF: Kein Vorteil für Monitoring
Ebenfalls negative Ergebnisse brachte die OPTILINK-HF-Studie, die die Sinnhaftigkeit erweiterter Möglichkeiten eines ICD untersuchte. Das Gerät verfügt über zusätzliche Telemonitoring-Funktionen und überwacht durch Messung der intrathorakalen Impedanz den Flüssigkeitsstatus in den Lungen. So kann eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz erkannt und an das behandelnde Zentrum gemeldet werden. Die klinische Wirksamkeit dieses Vorgehens wurde bei 1002 Patienten mit hohem Risiko für eine Progression ihrer Herzinsuffizienz untersucht. Die Studie war randomisiert und kontrolliert. Das heisst, alle Patienten erhielten den ICD, bei 505 Patienten war die Überwachungsfunktion aktiviert. Im Fall eines Alarms wurde der Patient ins Zentrum gerufen, und die erforderlichen Therapieanpassungen wurden vorgenommen. Leider brachte das Monitoring keinen klinischen Vorteil. Im Beobachtungszeitraum zeigten sich zwischen den Gruppen weder hinsichtlich diverser klinischer Endpunkte noch der Mortalität signifikante Unterschiede. reb
Kardiologie • Dezember 2015
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Referenzen: 1. Reddy VY, LEADLESS II Study Investigators. Percutaneous Implantation of an Entirely Intracardiac Leadless Pacemaker. N Engl J Med. 2015; 373 (12): 1125–1135. 2. Abstract FP 5063, Präsentation im Rahmen der Hotline V am 30. August 2015. 3. Abstract FP 5057, Präsentation im Rahmen der Hotline V am 30. August 2015.
10 Kardiologie • Dezember 2015