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Kongressbericht
European Cancer Congress (ECC), Wien, 25. bis 29. September 2015
Neuroendokrine Tumoren (NET)
mTOR-Hemmer Everolimus verzögert signifikant das Tumorwachstum
Sowohl bei fortgeschrittenen Lungen- als auch gastrointestinalen (GI) NET zeigte der Einsatz des mTOR-Inhibitors Everolimus (Afinitor®) im Vergleich zu Plazebo eine Risikoreduktion für ein Krankheitsfortschreiten um 52% mit einem um 7,1 Monate verlängerten PFS. Dies ergab die randomisierte, multizentrische, doppelblinde RADIANT-4-Studie, welche ein Highlight auf dem ECC 2015 darstellte.
Der Hemmer des «mammalian target of rapamycin» (mTOR) ist bei fortgeschrittenen NET pankreatischen Ursprungs zugelassen, fortgeschrittene NET im GIund im Lungenbereich sind jedoch eine grosse therapeutische Herausforderung mit fehlendem Therapieangebot geblieben. Weil die Tumoren kein Hormon produzierten, oder nur eines, das keine Symptome verursache, werde diese Gruppe der NET oft erst sehr spät, meist im metastasierten Stadium, diagnostiziert. «Da etwa 80% der NET nicht funktionell sind, ist eine späte Diagnose leider sehr häufig und stellt ein grosses Problem dar», sagte Prof. James Yao, Houston/ Texas. Die Studie rekrutierte 302 Patienten mit einem medianen Alter von 63 Jahren.
Plazebokontrollierte Doppelblindstudie mit über 300 Patienten weltweit
Studienleiter Yao präsentierte die Resultate der Phase-III-Studie RADIANT-4, welche im randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden, multizentrischen Design bei Patienten mit fortgeschrittenen, gut differenzierten, funktionell nicht aktiven NET des GI-Trakts und der Lunge durchgeführt wurde. Die Studie wurde in 13 europäischen Ländern sowie in Japan, Kanada, Korea und den USA durchgeführt. Nach der Randomisierung im Verhältnis 2:1 erhielten 205 Patienten Everolimus, 97 Plazebo; beide Gruppen erhielten zudem «best supportive care». Die häufigs-
ten Tumorlokalisationen waren die Lunge (30%) und das Ileum (24%). «Was die Vortherapien betrifft, sind die beiden Gruppen gut ausbalanciert, sodass ein die Studienaussage beeinträchtigender Fehler ausgeschlossen werden kann», so Yao. Die häufigsten Vortherapien waren Somatostatin-Analoga (SSA, 53% in der Everolimusgruppe, 56% in der Plazebogruppe), gefolgt von Chemotherapie (26 bzw. 24%) und Strahlentherapie (22 bzw. 20%). SSA werden bei NET nicht nur eingesetzt, um die Hormonproduktion zu stoppen, sondern auch, um das Tumorwachstum zu hemmen. Während SSA bei gastrointestinalen NET in Studien ihre Wirksamkeit gezeigt hätten, fehle ein derartiger Nachweis für NET der Lunge, erklärte Yao. Die Patienten waren durchschnittlich 63 Jahre alt, 53% waren Frauen und 76% Kaukasier. 64% respektive 35% befanden sich im Krankheitsstadium I respektive II, 74% im WHO PS 0. Die Tumoren wurden meist in der Lunge (30%) lokalisiert, das Ileum war bei 24% der Patienten betroffen.
Medianes PFS: 11,0 versus 3,9 Monate
Beim progressionsfreien Überleben (PFS), dem primären Endpunkt, ermittelt durch ein unabhängiges Prüfkomitee, zeigte sich ein hochsignifikanter Unterschied: Unter Everolimus betrug das PFS 11,0 Monate (95%-KI: 9,23–13,3), unter Plazebo dagegen nur 3,9 Monate (95%-KI: 3,58–7,43), was einer Hazard Ratio (HR) von 0,48 entspricht (p < 0,00001).
«Wir fanden eine statistisch signifikante
Reduktion um 52% hinsichtlich Progressi-
onsrisiko oder Tod zugunsten von Ever-
olimus. Das mediane progressionsfreie
Überleben erreichte das 2,8-Fache (7,1
Monate) des Werts in der Plazebogrup-
pe», erläuterte der Referent.
Subgruppenanalysen nach Stratifikati-
onsfaktoren waren mit der primären Wirk-
samkeitsanalyse konsistent. Die Krank-
heitskontrollrate war unter Everolimus
höher als unter Plazebo (82 vs. 65%). Eine
geplante Zwischenanalyse des Gesamt-
überlebens zeigte eine HR von 0,64 (95%-
KI: 0,40–1,05; p = 0,037) zugunsten der
Studiengruppe; der Unterschied zeigte
aber keine statistische Signifikanz. Sto-
matitis, Diarrhö und periphere Ödeme
waren die häufigsten Grad-1- und -2-Ne-
benwirkungen, Grad-3- und -4-Begleit-
wirkungen waren zumeist Stomatitis
(7 vs. 0%), Diarrhö (9 vs. 2%) und Anämie
(5 vs. 2%). Everolimus wurde damit gut
vertragen und hatte ein günstiges Si-
cherheitsprofil.
«Wir wissen aus früheren Studien, dass
Everolimus das Wachstum von pankrea-
tischen NET verzögern kann. Diese Stu-
die ist jetzt die erste, die schlüssig nach-
weisen kann, dass der mTOR-Inhibitor
auch bei anderen NET-Lokalisationen
wirkt. Wir hoffen, dass wir damit eine
neue Therapieoption für Patienten mit
NET des Gastrointestinaltrakts und der
Lunge erschliessen, und wir hoffen, bald
über weitere Ergebnisse dieser Studie –
zum Gesamtüberleben und zur Lebens-
qualität – berichten zu können», so das
Fazit von Prof. Yao.
L
hir
Quellen: 1. Yao, J et al.: Everolimus in advanced non-functional
neuroendocrine tumours (NET) of lung or gastrointestinal (GI) origin: Efficacy and safety results from the placebo-controlled, double-blind, multicenter, Phase 3 RADIANT-4 study. ECC 2015; Late-Breaking Abstract (LBA) 5. 2. Medienmitteilungen ECC 2015.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2015
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