Metainformationen


Titel
Resonanz
Untertitel
Zweiklassenmedizin gewollt
Lead
«Wir können uns im Gesundheitswesen noch sehr viel, aber nicht mehr alles leisten», stellt die Zürcher Gesundheitsdirektorin Verena Diener in einem Interview in der «Neuen Zürcher Zeitung» fest. Deshalb habe sie eine Diskussion über Hotellerie-Standards in Spitälern lanciert. Die Zweiklassenmedizin – in Form eines Unterschieds zwischen Grundversorgung und Zusatzversicherung – sei vom Krankenversicherungsgesetz nämlich gewollt.
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rubriken
Schlagworte
-
Artikel-ID
17519
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/17519
Download

Transkript


RESONANZ

Stimmen zu Entwicklungen im Gesundheitswesen

Zweiklassenmedizin gewollt
«Wir können uns im Gesundheitswesen noch sehr viel, aber nicht mehr alles leisten», stellt die Zürcher Gesundheitsdirektorin Verena Diener in einem Interview in der «Neuen Zürcher Zeitung» fest. Deshalb habe sie eine Diskussion über Hotellerie-Standards in Spitälern lanciert. Die Zweiklassenmedizin – in Form eines Unterschieds zwischen Grundversorgung und Zusatzversicherung – sei vom Krankenversicherungsgesetz nämlich gewollt. Die Politik und auch sie selber hätten aber lange versucht, den Unterschied zwischen den Klassen möglichst klein zu halten. Nun müssten die Patienten einsehen, dass sie nicht alles haben könnten, «wenn sie nicht bereit sind, dafür mit Steuergeld und Krankenkassenprämien zu zahlen». Auch die Frage, ob ein neues Produkt die Mehrkosten wert ist, will Frau Diener künftig stellen und von einem Fachgremium beantworten lassen. Allerdings sei der Kanton hier eigentlich die falsche Ebene. «Das Tragische ist, dass sich der Bund diesen Fragen zu wenig stellt.» (rs)
Die medizinische Versorgung bleibt gewährleistet. Gesundheitsdirektorin Verena Diener zum Sparen in Spitälern. Neue Zürcher Zeitung, 23. Juni 2004.
Kontrahierungszwang als Fremdkörper
Die Freiheit der Versicherten bezüglich Kassenwahl allein schaffe noch keinen Leistungswettbewerb unter den Versicherern, sagte Robert E. Leu (Professor für Volkswirtschaft, Universität Bern) am 6. Schweizerischen Forum der sozialen Krankenversicherung. Erst wenn die Freiheit der Versicherer bezüglich Vertragsgestaltung mit den Leistungsanbietern hinzukomme, könnten sich die Versicherer «durch eigene Leistung voneinander abheben». Erst dann nämlich könnten sie den Leistungserbringern «Anreize zu wirtschaftlichem Handeln vermitteln» und sie dazu zwingen, «sich durch hohe Qualität und wettbewerbsfähige Preise» immer wieder von neuem für einen Versorgungsver-

trag zu qualifizieren. In einem wettbewerbsorientierten Gesundheitssystem sei der Kontrahierungszwang also ein «Fremdkörper». (rs)
Robert E. Leu: Planung oder freier Markt im Gesundheitswesen? Vortragsmanuskript zum 6. Schweizerischen Forum der sozialen Krankenversicherung der RVK Rück vom 13. Mai 2004 in Zürich. Internet: www.rvk.ch
Ja zu Managed Care
Ja zur Aufhebung des Kontrahierungszwangs, ja zu Managed Care: Dies meinen sechs von sieben Aargauer National- und Ständerätinnen und -räten, die sich an einer Umfrage der argomed Ärzte AG beteiligt haben. Einzig Heiner Studer von der EVP ist in Sachen Aufhebung des Kontrahierungszwangs «sehr zurückhaltend». Und Luzi Stamm von der SVP relativiert das Wirkungspotenzial von Managed Care. Dagegen finden die beiden Vertreterinnen der CVP, Doris Leuthard und Ruth Humbel, einmütig: «Ich bin der Überzeugung, dass die Vertragsfreiheit die Bildung von Netzwerken fördern wird.» Und: «Managed-Care-Modelle werden in der zukünftigen Gesundheitsversorgung einen zentralen Stellenwert bekommen.» (rs)
Welchen Wert hat Gesundheit? Gesundheitspolitische Umfrage bei den Aargauer National- und Ständerätinnen und -räten. Defacto (Fakten und Meinungen der argomed Ärzte AG) 2/04, Juli 2004.
Qualvoller Rationierungsentscheid
Die Gesundheitspolitik sei immer noch «von jenem paternalistischen Geist durchsetzt, der in den Arztpraxen längst im Verschwinden begriffen» sei, heisst es in einem Kommentar in der «Neuen Zürcher Zeitung». Deshalb entscheide der Staat anstelle der Individuen über den Leistungsumfang und die Prämienhöhe der Krankenversicherung. Dabei sollte eine mündige Person laut dem Kommentar-Autor eigentlich fähig sein, «ein auf sie zugeschnittenes Leistungspaket und ein entsprechenden Krankenversicherungsmodell zu wählen». Wenn sich jemand für ein Versicherungsmodell entscheide, das «von

den Ärzten ausdrücklich verlangt, bei der Behandlung die Kostenseite zu berücksichtigen», könne das dann halt aber im Krankheitsfall bedeuten, «dass ihm eine teure medizinische Leistung vorenthalten wird, weil deren zusätzlicher Nutzen die Extrakosten nicht rechtfertigt». Diese Form von Rationierung möge problematisch erscheinen. Andererseits erfolgten im planwirtschaftlichen Modell Rationierungsentscheidungen einfach implizit, in Form von Angebotsregulierungen durch staatliche Stellen und in Form der ärztlichen Prioritätensetzung am Krankenbett infolge der Ressourcenknappheit. Im ManagedCare-System sei dieser Entscheid «individualisiert», was ihn transparenter und vielleicht gerade deshalb umso qualvoller mache. (rs)
Mündige Patienten haben die Qual der Wahl. Neue Zürcher Zeitung, 22. Mai 2004.
Herzoperation in Hammerfest?
«Zum Auftakt dieses Jahres wurden», wie Christian Schär in der Zeitschrift «Competence» berichtet, «etliche Rehabilitationskliniken in der Schweiz wie vom Blitz getroffen, als einzelne grosse Krankenversicherer in ihren Kundenzeitschrift für ausländische Rehabilitationsangebote warben». Matthias Mühlheim von der Rehaklinik Rheinfelden betont in derselben Zeitschrift, dass die Schweizer Kliniken in der Konkurrenz zu deutschen ohne Weiteres bestehen könnten, «sofern Gleiches mit Gleichem verglichen wird». Und er vermutet, dass die Rehabilitation – «als relativ kleines und überschaubares Betätigungsfeld» – für die Krankenkassen ein «Testmarkt» für das «Abschieben» von Patienten ins Ausland sei. «Vielleicht», so fragt er, «empfehlen sie ihren Patienten schon bald, zur Herzoperation nach Hammerfest zu reisen?» (rs)
Quellen: Christian Schär: Qualität gut – Betten leer! Und: Matthias Mühlheim: Rehabilitation ennet der Grenze – der Kommentar. Competence 6/2004, Seiten 3, 11 und 7.

Managed Care 6 ● 2004 37