Transkript
QUALITÄTSSICHERUNG
«Qualität nachgewiesen und uns positioniert» –
die Bedeutung des Equam-Zertifikats für das Ärztenetz PizolCare
PizolCare hat als eines der
ersten Ärztenetze die Equam-
Zertifizierung erhalten.
Urs Keller, Geschäftsführer
und Verwaltungsratspräsi-
dent der PizolCare AG, er-
klärt im Interview, dass
die Zertifizierung nicht nur
für die Versicherungen
und die PatientInnen von
Bedeutung ist, sondern dass
sie auch im Netz einiges
ausgelöst hat.
P izolCare AG wurde am 26. November 2003 als erstes Ärztenetz nach dem Medix Ärzteverbund Equam-zertifiziert. Die Zertifizierung bezieht sich auf die Grundversorger des Netzes. Neben der Zertifizierung des Netzes war nötig, dass 80 Prozent der Grundversorger des Netzes ihre Praxis zertifizieren liessen. Kriterien für die Praxen beinhalten Aus- und Weiterbildungsstandards für Ärzte und Mitarbeiter, Fortbildungen, Dokumentation des Notfallszenarios und der Qualitätssicherungsmassnahmen und eine Patientenzufriedenheitsbefragung. Das Netz muss unter anderem einen Ombudsarzt bezeichnen, Massnahmen zur Patientensicherheit treffen (Umgang mit kritischen Vorkommnissen), Qualitätszirkel abhalten, Handlungsleitlinien erarbeiten, externe Leistungen kontrollieren
und Präventionskampagnen durchführen.1 «Managed Care» hat Urs Keller, Präsident des Verwaltungsrates und Geschäftsführer der PizolCare AG, befragt, welche Schwierigkeiten bei der Zertifizierung zu meistern waren und was die Zertifizierung für das Netz, für die einzelnen Praxen und für die PatientInnen bedeutet.
Managed Care: Was haben Sie sich von diesem Zertifikat versprochen? Urs Keller: Einen Marktvorteil. Einerseits wenn es darum geht, kontrahiert zu werden. Ob der Kontrahierungszwang fallen wird oder nicht, war nicht klar, als wir uns zur Zertifizierung entschlossen haben. Andererseits haben wir im Fürstentum Liechtenstein in der unmittelbaren Nachbarschaft viele Ärzte aus dem EWR-Raum, die eine neue Praxis eröffnet haben. Dies war für uns ein Vorzeichen, was passieren könnte, wenn die Personenfreizügigkeit Tatsache wird oder auch sonst die Ärztezahl steigt.
MC: Was haben Sie erreicht, obwohl der Kontrahierungszwang (noch) nicht gefallen ist? Keller: Wir haben unsere Qualität nachgewiesen. Wir konnten uns positionieren als ein Ärztenetz, das zusammenarbeitet, das fähig ist, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dabei haben wir ein besseres Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Uns selber hat es bestätigt, dass das, was wir machen, gut ist. Gute Qualität in der Arbeit für die Patienten zu leisten, macht zudem zufrieden.
MC: Dies sind einige interne Effekte. Keller: Wir müssen auch selber etwas vom Zertifikat haben. So besteht für die Ärzte als Kleinunternehmer einen Anreiz, das Zertifikat anzugehen. Bevor die KVG-Revision abgelehnt worden ist, hätten wir gesagt, das Externe sei wichtiger. Jetzt sind uns die internen und externen Effekte gleich wichtig.
MC: Welche Vorteile bringt jetzt diese Zertifizierung ganz konkret für die einzelne Praxis? Keller: In der einzelnen Praxis kann das Zertifikat im Wartezimmer aufgehängt werden und der Arzt oder die Ärztin kann den Patienten zeigen, dass er oder sie diese Qualitätsrichtlinien erfüllt. Dies ist nicht zu unterschätzen. Unser Patientenbeirat sagte, dass Labels und Auszeichnungen für die Patienten wichtig seien. Und dies sagen uns auch die Patienten.
MC: Denken Sie, dass sich dies direkt in den Patientenzahlen ausdrücken wird? Keller: Nein, dies ist auch gar nicht das Ziel. Wir alle haben grundsätzlich eher zu viel zu tun.
MC: Ist dies ein Grund dafür, weshalb nicht alle Ärzte bei der Zertifizierung mitgemacht haben? Keller: Dafür gibt es ganz verschiedene Gründe. Die einen haben aus grundsätzlichen Überlegungen nicht mitmachen wollen – darunter sind auch solche Ärzte, von denen wir wissen, dass sie die Kriterien erfüllen würden –, sie wollen die Zertifizie-
1 Die Kriterien für die Zertifizierung von Ärztenetzen können auf der Website www.equam.ch eingesehen werden.
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Urs Keller (50) arbeitet seit 1985 in seiner eigenen Praxis als Grundversorger (FMH Allgemeine Medizin) in Wangs. Er ist zudem als Schularzt in Wangs und an der Kantonsschule Sargans tätig und dort auch Lehrbeauftragter für Gesundheitslehre. Standespolitisch hatte er sich im Ärzteverein Werdenberg-Sargans engagiert, bevor er 2000 das Amt als Verwaltungsratspräsident der PizolCare AG übernahm. Keller ist zugleich als Geschäftsführer der PizolCare zu 20 Prozent angestellt. Keller ist verheiratet und Vater von vier Kindern. In seiner Freizeit sammelt er Briefmarken, fährt gerne Ski, macht Fitness und spielt Klavier.
rungsstellen nicht unterstützen, sie wollen keinen vorauseilenden Gehorsam leisten, sie sind gegen mehr Bürokratie. Andere Ärzte sagen, sie hätten die Patientenzufriedenheitsbefragung nicht nötig. Dazu muss angemerkt werden, dass bei der Gründung von PizolCare jeder und jede aus dem Ärzteverein Werdenberg-Sargans eine Aktie zeichnen durfte und somit Mitglied wurde. PizolCare ist aus der Basis entstanden, im Gegensatz zu fast allen anderen Ärztenetzen, bei denen hoch motivierte Ärzte das Netz gegründet haben und weitere sehr interessierte Personen um sich scharen konnten. Bei uns war es umgekehrt. Es wurde uns zum Teil auch vorgeworfen, dass wir ein Jekami-Club seien. Wir haben keine volle Strukturbereinigung durchgeführt. Es gibt Aktionäre, die nicht mit allem einverstanden sind, was der Verwaltungsrat beschliesst.
MC: Aber die Mitglieder unterschreiben doch zum Beispiel, dass sie die Patienten zur Zufriedenheit befragen werden? Keller: Ja, die neuen Mitglieder schon. Wer aber die Aktie bei der Gründung zeichnete, bei dem war das nicht so. Instrumente wie die Equam-Zertifizierung zeigen uns so auch, welche Mitglieder mittelfristig weiterhin dabei sein werden. Ein weiterer Vorteil der EquamZertifizierung ist, dass das Netz und der einzelne Arzt eher zu einem Anschlussvertrag kommen. Ganz konkret ist der neue Anschlussvertrag mit der Helsana, der jetzt dann unterzeichnet wird, nicht zuletzt deswegen zustande gekommen, weil das Netz Equam-zertifiziert ist. Und es ist eine Abmachung, dass wir die neuen Verträge, auch derjenige mit der Swica, nur den Equam-zertifizierten ÄrztInnen anbieten werden. Die anderen werden einzeln bei den Versicherungen nachsuchen und sich erklären müssen. Und die Versicherung kann sagen, dass sie nur mit den Zertifizierten Managed-Care-Verträge abschliessen möchte.
MC: Ist bei den Kriterien für die einzelne Praxis vor allem die Patientenbefragung die Hürde? Keller: Im Prinzip ja. Aber zudem «verstehen» einige Mitglieder nicht, wieso sie das Notfallszenario auf das Papier bringen, ihre Fortbildung dokumentieren und ihr Diplom in den Zertifizierungsordner legen müssen. Der Papiertiger schreckt ab. Denn die Zertifizierung heisst vor allem auch Papier ausfüllen; dies ist nicht nur bei uns so, sondern auch in der Industrie, zum Beispiel bei Betonlieferanten.
MC: Hat der Patient spezielle Vorteile von der Zertifizierung? Keller: Ich denke schon, eine «Grundqualität» ist ihm damit sicher garantiert. Der Patient realisiert aber nicht, was die Zertifizierung genau bedeutet. Für den Patienten ist es wichtig, dass er gut behandelt und falls nötig an einen guten Spezialisten überwiesen wird. Der Vertrauensarzt, wie wir den Gatekeeper nennen, kann auch ein Spezialist sein. Bei einer Frau, die viele gynäkologische
Probleme hat, ist es nahe liegend, dass der Vertrauensarzt oder Gatekeeper ein Gynäkologe oder eine Gynäkologin ist. Für den Patienten mit Schuppenflechte kann der Vertrauensarzt der Dermatologe sein. Wir sind nicht auf einen Grundversorger fixiert.
MC: Was waren die Nachteile für das Netz, dieses Zertifikat zu erlangen? Keller: Neben dem schriftlichen Aufwand waren am Anfang die Kosten ein Problem. Die Zertifizierung ist sehr teuer und wir konnten sie nicht bezahlen. Aus diesem Grund haben wir die Equam-Stiftung gebeten, sie soll nochmals über die Kosten nachdenken. Die Equam-Stiftung hat dann Sponsoren gefunden, welche einen Teil der angefallenen Kosten von Equam übernommen haben. Die Kosten von Equam waren betriebswirtschaftlich errechnet worden – es wird günstiger werden, wenn sich mehr Netze zertifizieren lassen.
MC: Hat es Nachteile gegeben, mit denen Sie gar nicht gerechnet haben? Keller: Ja, unsere Netz-eigenen Spezialisten waren unzufrieden. Im «Sarganserländer» wurden die 28 zertifizierten Grundversorger auf der Titelseite namentlich publiziert, obwohl wir an der Medienkonferenz die Namen bewusst nicht genannt haben, sie standen aber auf der Website von Equam geschrieben. Die Spezialisten sind nicht dabei, weil es für sie noch gar kein Zertifikat gibt. Die Patienten schauten aber nur, ob ihr Arzt auf der Liste war, und wenn nicht, haben sie ihn darauf angesprochen, wieso er nicht zertifiziert sei. Dies zeigt, wie stark die Zertifizierung beachtet wird. Wir mussten deshalb diesen Sachverhalt im «Sarganserländer» nochmals klar stellen. Übrigens brachte auch das Lokalfernsehen einen Beitrag zur Zertifizierung.
MC: Gab es auch Reaktionen von Ärzten, die nicht im Netz sind? Keller: Direkte Reaktionen nicht, aber ich habe den Eindruck, dass Nicht-Mitglieder zum Teil auf Distanz gehen. Wenn sich ein Netz mit einer Zertifizierung abgrenzt,
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so schafft es sich nicht nur Freunde. Es sind Gräben entstanden, die wir nicht wollten. Wir haben nun einen Graben zwischen denen, die nicht bei PizolCare sind und den Mitgliedern. Zudem haben wir einen zwi-
Ärztenetz PizolCare
Die PizolCare AG ist ein Zusammenschluss von Hausärzten, Spezialärzten mit eigener Praxis und Spitalärzten aus den Regionen Sarganserland und Werdenberg zu einem Netzwerk. Die 92 ÄrztInnen aus dem Ärzteverein Werdenberg-Sargans haben im Jahr 2000 zusammengefunden, um den «gesundheitspolitischen Herausforderungen» entgegenzutreten. Die Mitglieder sind als Aktionäre eingebunden. Sie haben sich das Ziel gesetzt, das Gesundheitsumfeld ihrer Region aktiv zu gestalten und damit auch ihre Berufszufriedenheit zu erhalten. Die Mitglieder verpflichten sich unter anderem dazu, die Qualitätszirkel zu besuchen, die Daten an PizolCare zu liefern und eine Patientenbefragung durchzuführen. PizolCare führt auch Präventionskampagnen durch, zum Beispiel zu den Themen Impfen oder Herzgesundheit.
schen den zertifizierten und den nicht zertifizierten Mitgliedern.
MC: Was passiert mit den Ärzten im Netz, die sich nicht zertifizieren liessen? Keller: Wir werden mit diesen Mitgliedern das Gespräch suchen, sie müssen sich dazu äussern, wie sie in Zukunft ihre Mitarbeit im Netz sehen. Wir hoffen, dass die Nicht-Zertifizierten merken, dass das Zertifikat eine gute Sache ist, welche Erfolg hat und dass der Aufwand dafür nicht so gross ist. Die andern werden mit der Zeit wohl gar nicht mehr mitmachen wollen.
MC: Was war die grösste Schwierigkeit, um das Zertifikat zu erhalten? Keller: Die Kollegen zu überzeugen, dass die Zertifizierung keine schlechte Sache und keine Hexerei ist. Und dass sich der Aufwand in Grenzen hält. Denn die Managed-CareVerträge verpflichten uns sowieso schon zu Fortbildung, MitarbeiterInnen-Fortbildung, Qualitätszirkel und so weiter, wir brauchten es nur noch zu dokumentieren.
Erleichtert hat es uns die Tatsache, dass wir in Form einer Aktiengesellschaft organisiert sind. Der Verwaltungsrat hat beschlossen, die Zertifizierung anzustreben, und er hat den Mitgliedern angeboten, mitzumachen. Ein Grossteil stieg darauf ein. Es war kein basisdemokratischer Entscheid, diese Diskussionen reiben nur auf.
MC: Und wie geht es weiter?
Keller: Die Zertifizierung ist keine
einmalige Geschichte, wir streben
die Rezertifizierung in drei Jahren
an. Wir müssen die Kriterien weiter-
hin erfüllen, wir werden mit den
Projekten weiterfahren: Als nächstes
ist ein Schmerzprojekt geplant, das
wir zusammen mit der Physiothera-
pie, der Spitex und den Altersheimen
machen wollen, und später ist eins
zu Diabetes mellitus vorgesehen.
Daraus werden weitere Lernschlau-
fen entstehen.
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Interview:
Brigitte Casanova
Redaktion «Managed Care»
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