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SARKOPENIE
Optimierte Ernährung bei Sarkopenie
Eva Kiesswetter
Die Ernährung wird als ein wesentlicher Faktor in der Genese der Sarkopenie gesehen. Neben einer bedarfsgerechten Energiezufuhr wird dem Protein eine besondere Bedeutung beigemessen. Auch weitere Ernährungsfaktoren wie Vitamin D, Antioxidanzien, Omega-3-Fettsäuren, β-Hydroxy-β-Methylbutyrat und Kreatin sind in den Muskelstoffwechsel involviert und werden hinsichtlich der Prävention und Therapie von Sarkopenie diskutiert.
Eva Kiesswetter
Sarkopenie – Definition und Prävalenz
Sarkopenie beschreibt ein geriatrisches Syndrom, welches durch einen übermässigen Verlust von Muskelmasse, -kraft und -funktion gekennzeichnet ist (1) und mit Einschränkungen bei Alltagsaktivitäten und einem erhöhten Mortalitätsrisiko einhergeht (2). Aktuelle Operationalisierungsbestrebungen zielen darauf ab, die Sarkopeniediagnostik zu standardisieren. Diesbezüglich wurden in den letzten Jahren von verschiedenen Arbeitsgruppen Kriterien und Grenzwerte veröffentlicht (1, 3, 4) (Tabelle 1). Die jüngst publizierten Kriterien der Foundation for the National Institutes of Health (FNIH) basieren auf einer gemeinsamen Auswertung neun grosser epidemiologischer Studien mit insgesamt mehr als 25 000 Teilnehmern (Männer 75 ± 6, Frauen 79 ± 6 Jahre) (4). Erstmals wird hier vorgeschlagen, die appendikuläre Muskelmasse nicht wie bis anhin auf die Körpergrösse, sondern auf den Body-Mass-Index zu beziehen (4).
Tabelle 1:
Kriterien zur Bestimmung von Sarkopenie
Niedrige Muskelmasse (Referenzwerte für DXA) Langsame Gehgeschwindigkeit Schwache Handkraft
European Working Group on Sarcopenia in older people (EWGSOP) (1) ALM [kg/m²]: Männer ≤ 7,23 Frauen ≤ 5,67
≤ 0,8 m/s
Männer < 30 kg Frauen < 20 kg
International Working Foundation for the
Group on Sarcopenia National Institutes of
(IWGS) (3)
Health (FNIH) (4)
ALM [kg/m²]: Männer ≤ 7,23 Frauen ≤ 5,67
ALM [kg/BMI]: Männer < 0,789 Frauen < 0,512
< 1,0 m/s
≤ 0,8 m/s
– Männer < 26 kg Frauen < 16 kg
DXA: Dual-X-Ray-Absorptiometrie; ALM: appendikuläre Skelettmuskelmasse; BMI: Body-Mass-Index
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Aufgrund unterschiedlicher Methoden der Sarkopenieerfassung variieren die in bisherigen Studien angegebenen Prävalenzraten erheblich. Für selbstständig lebende Senioren wurden in einer aktuellen Übersichtsarbeit Prävalenzraten zwischen 1 und 29 Prozent beschrieben (5). Für institutionalisierte Senioren sind aufgrund von Multimorbidität sowie funktionellen Einschränkungen generell höhere Prävalenzen zu erwarten. Zurzeit existieren nur wenige Studien, die für den Krankenhausbereich Prävalenzen von 10 (6) und 25 (7) und für den Pflegeheimbereich von 14 (8) und 33 Prozent (9) angeben.
Die Rolle der Ernährung
Die Genese der Sarkopenie wird primär auf altersassoziierte Veränderungen des Stoffwechsels zurückgeführt. Daneben werden neurodegenerative sowie inflammatorische Prozesse als Ursachen diskutiert (1). Einen dritten Ursachenbereich bilden die Lebensstilfaktoren unzureichende körperliche Aktivität und Ernährung. Im Folgenden soll ein Überblick über verschiedene Ernährungsfaktoren gegeben werden, die im Zusammenhang mit Sarkopenie stehen. Ausserdem wird auf die Wechselwirkung zwischen Ernährungs- und Trainingsintervention eingegangen.
Energie
Die Energiezufuhr über die Nahrung ist bei älteren Menschen oft ungenügend. Physiologische Altersveränderungen, die Sinneswahrnehmung, gastrointestinale Funktionen sowie Hunger- und Sättigungsregulation betreffen, können eine Abnahme des Appetits und der Nahrungsmenge bedingen (10). Gesundheitliche, psychologische, soziale und ökonomische Faktoren können sich zudem negativ auf die Nahrungsaufnahme auswirken (11). Bei einer längerfristigen nicht bedarfsdeckenden Energiezufuhr werden sowohl Körperfett als auch
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Muskelmasse abgebaut. Der damit verbundene Gewichtsverlust scheint bei älteren Menschen stärker zulasten der Muskelmasse zu gehen als bei jüngeren Menschen (12, 13). Auch bei einem teilweisen oder vollständigen Ausgleich des Gewichtsverlustes ist es für ältere Menschen schwierig, das ursprüngliche Muskelmasseniveau wieder zu erreichen. Es kommt zu einer ungünstigen Verschiebung der Anteile von Fett- und fettfreier Masse (12, 13). Ein Gewichtsverlust kann somit den altersbedingten Verlust an Muskelmasse noch verstärken. Mangelernährung ist ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von Sarkopenie. Neben dem Sarkopenie-Screening sollte daher auch die regelmässige Bestimmung des Ernährungszustands in die klinische Routine integriert werden, da sie Anhaltspunkte bezüglich des Sarkopenierisikos geben kann.
Protein
Protein ist der Nährstoff, dem im Hinblick auf Sarkopenie die meiste Bedeutung geschenkt wird, da die Muskelfunktion wesentlich über Proteine bestimmt wird. Eine Atrophie der Muskelmasse resultiert aus einem Ungleichgewicht zwischen Muskelproteinsynthese und -abbau. Bei älteren Menschen scheint der Muskel weniger stark auf anabole Stimuli – wie die Aufnahme von Nahrungsprotein – zu reagieren als bei jüngeren Erwachsenen (15). Als Auslöser der «anabolen Resistenz» kommen nach gegenwärtigem Wissensstand inflammatorische Prozesse, eine verminderte postprandiale Verfügbarkeit von Aminosäuren, Insulinresistenz und Dysregulationen intrazellulärer Signalwege infrage (15, 16). Unter Präventions- und Interventionsgesichtspunkten erscheinen bezüglich der Proteinzufuhr besonders die Menge, die Qualität, die Verteilung über die Mahlzeiten und der Zeitpunkt der Zufuhr relevant.
a) Proteinmenge Die derzeitige Empfehlung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Ernährungsfachgesellschaften (D-A-CH) für die tägliche Proteinzufuhr für Senioren liegt bei 0,8 g pro Kilogramm Körpergewicht und unterscheidet sich nicht von der für jüngere Erwachsene (17). Die Empfehlungen basieren vorwiegend auf Messungen der Stickstoffbilanz (17). Neuere experimentelle und epidemiologische Studien indizieren, dass diese Menge zu gering ist, um die Muskelproteinsynthese im Alter optimal zu stimulieren und dem Verlust von Muskelmasse entgegenzuwirken (18, 19). In der Health-ABC-Studie nahm beispielsweise die Magermasse der älteren Studienteilnehmer über einen Zeitraum von drei Jahren in der höchsten Quintile der Proteinzufuhr (1,1 g/kg KG/Tag) um zirka 40 Prozent weniger ab als in der niedrigsten Quintile (0,7 g/kg KG/Tag) (18). In aktuell publizierten Positionspapieren verschiedener Expertengruppen (PROT-AGE, ESPEN) wird daher eine höhere optimale tägliche Proteinzufuhr von 1 bis 1,2 g pro Kilogramm Körpergewicht für gesunde Senioren empfohlen, um dem Abbau von Muskelmasse entgegenzuwirken (20, 21).
Tabelle 2:
Beispielmahlzeiten, die mindestens 25 g Protein und 2,5 g Leucin enthalten
(nicht für einen Tag bilanziert)
Frühstück 2 Scheiben Vollkornbrot mit Leinsamen 1 Scheibe Schnittkäse (min. 40% Fett i. Tr.) 1 Scheibe gekochter Schinken Butter (10 g) 250 ml Milch Gesamt Mittagessen Lachsfilet (125 g) Rahmspinat (150 g) Salzkartoffeln (200 g) Gesamt Abendessen 1 Roggenbrötchen Körniger Frischkäse (75 g) 1 Scheibe Vollkornbrot 1 Scheibe Hartkäse (min. 45% Fett i. Tr.) Rohkost (150 g) Gesamt
Protein (g)
8,4 7,9 5,7 0,1 6,8 28,9
25,6 4,6 3,7 33,9
6,3 9,2 3,6 8,3 4,1 31,5
Leucin (g)
0,6 0,7 0,4 0,0 0,8 2,5
2,1 0,4 0,2 2,7
0,4 0,9 0,2 0,7 0,3 2,5
b) Proteinqualität Nahrungsproteine wie Molkeprotein, Kasein oder Sojaprotein unterscheiden sich in ihrer Aminosäurezusammensetzung. Als besonders wertvoll wird das Molkeprotein angesehen. Studien zeigen, dass Molkeprotein gegenüber Kasein schneller verdaut wird, sodass es postprandial zu einem früheren und höheren Anstieg der Aminosäuren im Blut kommt, welcher sich positiv auf die Stimulation der Muskelproteinsynthese auswirkt (22). In diesem Zusammenhang spricht man auch von «schnellen» und «langsamen» Proteinen (22). Neben der schnellen Verwertbarkeit wird auch der hohe Leucingehalt des Molkeproteins als positiv für die Muskelproteinsynthese gesehen. Leucin gehört zu den essenziellen Aminosäuren und ist nicht nur ein wichtiges Substrat für die Muskelproteinsynthese, sondern dient auch der Aktivierung von Signalwegen zur Stimulation der Proteinsynthese (23). Es wird angenommen, dass eine Leucinschwelle von zirka 2,5 bis 3 g pro Mahlzeit überschritten werden muss (Tabelle 2), um die postprandiale Muskelproteinsynthese zu stimulieren (16).
c) Proteinverteilung über die Mahlzeiten Aufgrund von Hinweisen, dass bei älteren Menschen eine bestimmte Proteinmenge pro Mahlzeit überschritten werden muss, um die postprandiale Muskelproteinsynthese zu stimulieren (16), und Studienergebnissen, die zeigen, dass diese bei einer Gabe von 25 bis 30 g Protein maximal stimuliert wird (24), wird eine gleichmässige Verteilung der Proteinzufuhr über die Hauptmahlzeiten (Beispiel Tabelle 2) gegenüber dem sogenannten «pulse feeding», bei dem der Hauptproteinanteil zum Mittag- oder Abendessen eingenommen wird, empfohlen (25). Andere Forschergruppen gehen dagegen davon aus, dass die anabole Antwort mit zunehmender Proteinmenge in den
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«Vitamin D ist das
einzige Vitamin, das vom Körper selbst mithilfe von UV-Strah-
»lung gebildet werden
kann.
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Mahlzeiten ansteigt, da einerseits die Proteinsynthese stimuliert und andererseits durch eine zunehmende Insulinausschüttung der Proteinabbau gehemmt wird (26). In einer aktuellen Studie wurde beobachtet, dass zwar die tägliche Proteingesamtzufuhr (0,8 g/kg KG vs. 1,5 g/kg KG) einen positiven Einfluss auf die Proteinsynthese und die Proteinbilanz hat, nicht aber die Proteinverteilung über die Mahlzeiten (gleichmässig vs. ungleichmässig) (19). Welches Konzept sich durchsetzen wird, müssen weitere Studien zeigen.
d) Zeitpunkt der Einnahme, Proteinsupplementation und Training Neben der Ernährung stimuliert auch körperliche Aktivität die Muskelproteinsynthese. In einer Studie mit älteren Männern (~ 75 Jahre) hatte ein kombiniertes Ausdauer- und Krafttraining einen zusätzlichen Effekt auf die postprandiale Muskelproteinsynthese nach Gabe von 20 g Protein (27). Dieser Effekt scheint auch noch einige Tage nach dem Training anzuhalten (15). Auf der anderen Seite wird davon ausgegangen, dass die anabole Resistenz durch Inaktivität verstärkt wird (15). Vom physiologischen Standpunkt her erscheinen daher kombinierte Interventionen, bestehend aus Proteinsupplementierung und körperlichem Training, besonders effektiv zur Prävention und Therapie von Sarkopenie. Die Ergebnisse einzelner Interventionsstudien bei älteren Menschen sind allerdings uneinheitlich hinsichtlich ihrer Effekte auf Muskelmasse, Kraft und Funktion (28, 29). Die Untersuchungsprotokolle der Studien unterscheiden sich deutlich bezüglich Studienpopulation, Art der Supplementierung (quantitativ, qualitativ), Dauer der Intervention, Gestaltung der Kontrollbedingungen, Motivation der Patienten und der Operationalisierung der OutcomeKriterien. In einer Metaanalyse wurde geprüft, ob eine Proteinsupplementation (min. 1,2 g/kg KG/Tag) bei älteren Menschen (> 50 Jahre) einen zusätzlichen Effekt gegenüber singulärem Krafttraining (min. 6 Wochen) auf fettfreie Körpermasse und Kraft (Maximalkraft Beinpresse) hat (30). Während in den einzelnen Studien keine Interventionseffekte festgestellt wurden, ergab die Metaanalyse eine signifikante Zunahme der fettfreien Masse um durchschnittlich 0,48 kg und eine Kraftzunahme um durchschnittlich 13,1 kg gegenüber der Kontrollgruppe (30).
β-Hydroxy-β-Methylbutyrat (HMB)
HMB ist ein Metabolit des Leucins und kommt in den menschlichen Muskelzellen vor. Ihm werden positive Wirkungen auf die Proteinbilanz durch eine Steigerung der Proteinsynthese und eine Hemmung des Abbaus zugeschrieben (31). Daher wird HMB auch als potenzieller Kandidat zur Prävention und Therapie der Sarkopenie gesehen. Unterschiedliche randomisiert kontrollierte Studien zeigen zum Teil positive Effekte durch die Supplementation von HMB auf Muskelmasse, Kraft und Funktion (32–35). Die Studien waren hinsichtlich der HMB-Gabe (2–3 g/Tag) vergleichbar, unterschieden sich jedoch bezüglich der Dauer sowie zusätzlicher Interventionsstrategien. Trotz einiger positiver Effekte
lassen sich keine eindeutigen Empfehlungen für eine HMB-Supplementation ableiten, da insbesondere noch weitere Studien mit längeren Interventionszeiträumen benötigt werden.
Kreatin
Kreatin wird sowohl endogen synthetisiert als auch über Nahrung aufgenommen. Der grösste Kreatinspeicher ist der Muskel. In Form von Kreatinphosphat spielt es eine wichtige Rolle für die Energiebereitstellung während der Muskelkontraktion. Athleten supplementieren Kreatin zur Erhöhung der Muskelkraft und Verbesserung der anaeroben Ausdauer (36). Zudem zeigen Studien positive Effekte auf die Kraftentwicklung bei Patienten mit Muskeldystrophien sowie bei der Reduktion von Zellschäden und Inflammation nach intensiven Laufeinheiten (37, 38). Eine Metaanalyse, die auf zehn Studien basiert, untersuchte, ob eine Kreatinsupplementation einen zusätzlichen Effekt gegenüber singulärem Krafttraining auf Magermasse, Kraft und Funktion bei älteren Menschen hat (39). Es zeigten sich positive Effekte auf Magermasse, einige, aber nicht alle erfassten Kraftparameter sowie auf die Leistung beim 30-Sekunden-Aufstehtest (39). Für Kreatin mangelt es an systematischen Dosisstudien über längere Interventionszeiträume. Die über die normale Nahrung aufgenommenen Kreatinmengen (1–2 g/Tag) sind vermutlich zu gering, um positive Effekte auszulösen.
Vitamin D
Vitamin D ist das einzige Vitamin, das vom Körper selbst mithilfe von UV-Strahlung gebildet werden kann. Bei älteren Menschen sind die Vitamin-D-Spiegel häufig erniedrigt (40), was primär auf eine verminderte Vitaminbildungsfähigkeit der Haut sowie auf unregelmässige Aufenthalte im Freien zurückzuführen ist. Neben Effekten auf den Knochenstoffwechsel werden Vitamin D auch Funktionen im Muskelstoffwechsel zugesprochen. Es werden indirekte Effekte über Kalzium und Phosphor als auch direkte Effekte über die Aktivierung des Vitamin-D-Rezeptors auf den Skelettmuskelzellen diskutiert (41). In einigen epidemiologischen Studien werden Assoziationen zwischen Vitamin D und einzelnen Diagnosekriterien für Sarkopenie beschrieben. Beispielsweise zeigte eine Studie mit Senioren zwischen 60 und 90 Jahren, dass niedrige Serum-Vitamin-D-Spiegel (< 40 nmol/l) mit einer langsameren Gehgeschwindigkeit assoziiert waren, verglichen mit höheren Serumspiegeln (42). In der Longitudinal Aging Study Amsterdam nahm die Handkraft der Teilnehmer mit niedrigen Serum-Vitamin-DSpiegeln (< 25 nmol/l) über einen Zeitraum von drei Jahren stärker ab als bei Teilnehmern mit höheren Vitamin-D-Spiegeln. Ein ähnlicher Trend konnte auch für die Abnahme der appendikulären Muskelmasse festgestellt werden (43). Darüber hinaus zeigten einige Interventionsstudien bei älteren Menschen einen positiven Effekt einer Vitamin-D-Supplementation auf Muskelkraft und körperliche Funktion (44).
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Tabelle 3:
Mögliche ernährungsstrategische Massnahmen im Rahmen der Sarkopenieprävention
Praktische Hinweise Ernährungszustand: • Regelmässiges Screening • Gewichtskontrolle Energie: • Bedarfsdeckende Energiezufuhr (24–36 kcal/kg KG/Tag) Protein: • Menge: 1 bis 1,2 g/kg KG/Tag für gesunde Senioren • Verteilung: 25 bis 30 g hochwertiges Protein pro Mahlzeit • Leucin: 2,5 bis 3 g pro Mahlzeit Andere Nährstoffe: • Vitamin D: 800 IU/Tag • Antioxidanzien: regelmässiger Verzehr von Obst und Gemüse • ω-3 Fettsäuren: regelmässiger Verzehr von fettem Seefisch und pflanzlichen Ölen (z.B. Rapsöl) Körperliche Aktivität: • Mehrmals pro Woche Bewegung oder Training
Bis heute fehlen Interventionsstudien, die einen möglichen Effekt einer Vitamin-D-Supplementation bei sarkopenen Senioren untersuchen.
dings nicht nur aufgrund ihrer antiinflammatorischen Eigenschaften im Hinblick auf Sarkopenie diskutiert, sondern auch wegen ihres Einflusses auf die Insulinresistenz sowie ihrer Rolle bei der Aktivierung von Signalproteinen (49). In einer 8-wöchigen randomisiert kontrollierten Studie mit 16 Senioren (≥ 65 Jahre) konnte durch die Supplementation von Omega-3-Fettsäuren (1,86 g Eicosapentaensäure + 1,5 g Docoshexaensäure/Tag) die Muskelproteinsynthese nach Infusion von Aminosäuren und Insulin signifikant gesteigert werden (48). Eine weitere randomisiert kontrollierte Studie konnte keine Effekte einer 12-wöchigen Alpha-Linolensäure-Supplementation (30 ml Leinöl/Tag) in Kombination mit einem Krafttraining (3 ×/Woche) gegenüber der Gabe eines Plazebos in Kombination mit Krafttraining auf Muskelmasse und -kraft zeigen (50). Die Supplementation von Omega-3-Fettsäuren könnte eine einfache und sichere Massnahme zur Sarkopenieprävention darstellen. Allerdings sind die genauen Wirkmechanismen noch nicht vollständig geklärt, und es bedarf weiterer Interventionsstudien, um die mögliche Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf Muskelmasse, -kraft und -funktion nachzuweisen und Aussagen über die Dosierung machen zu können.
Antioxidanzien
Fazit
«Die Supplementa-
tion von Omega-3-Fettsäuren könnte eine einfache und sichere Massnahme zur Sarko-
»penieprävention dar-
stellen.
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Oxidativer Stress und die Anhäufung reaktiver Sauerstoffspezies können die Mitochondrienfunktion stören und proteolytische sowie apoptotische Prozesse verstärken und somit Muskelzellen schädigen (45). Die Zufuhr von Antioxidanzien wie Vitamin C und E oder Carotinoiden könnten dazu beitragen, oxidative Schädigungen des Muskels zu reduzieren, und somit dem Verlust von Muskelmasse entgegenwirken. Während Evidenz aus randomisiert kontrollierten Studien fehlt, zeigen einige Beobachtungstudien positive Assoziationen zwischen der Aufnahme von Antioxidanzien beziehungsweise dem antioxidativen Status und verschiedenen Funktionsparametern. In der InCHIANTI-Studie mit älteren Studienteilnehmern (~ 75 Jahre) war nur die Zufuhr von Vitamin C, nicht aber die Zufuhr von Vitamin E, Retinol und β-Carotin mit der Beinkraft und der körperlichen Leistungsfähigkeit assoziiert (46). In der gleichen Studie konnte ein Zusammenhang zwischen niedrigen Carotinoid-Plasma-Konzentrationen zu Studienbeginn und der Abnahme der Bein- und Handkraft nach sechs Jahren gezeigt werden (47). Aufgrund der aktuellen Studienlage ist es noch nicht möglich, spezifische Empfehlungen für die Zufuhr von Antioxidanzien im Rahmen der Sarkopenieprävention und -therapie abzuleiten.
Omega-3-Fettsäuren
Wie zuvor bereits erwähnt, scheint bei älteren Menschen eine anabole Resistenz gegenüber nahrungsinduzierten Stimuli zu einer verminderten Muskelproteinsynthese zu führen. Es ist wahrscheinlich, dass entzündliche Prozesse die anabole Resistenz mitbedingen (48). Omega-3-Fettsäuren werden aller-
Zahlreiche Ernährungsfaktoren, die wegen ihrer physiologischen Funktionen in Zusammenhang mit Sarkopenie bedeutsam erschienen, erweisen sich aufgrund epidemiologischer und experimenteller Studien in diesem Untersuchungsfeld als Kandidaten für präventive und therapeutische Massnahmen. Die Komplexität der Ernährungssituation bei älteren Menschen und der damit verbundene Untersuchungsaufwand sind Gründe, weshalb es in verschiedenen Teilbereichen noch an hochwertigen, theoriegeleiteten und randomisiert kontrollierten Studien fehlt. Um den Praxisbezug zu erhöhen, ist es in zukünftigen Interventionsstudien sinnvoll, verstärkt den Ernährungszustand, die üblichen Ernährungsgewohnheiten, den Zeitpunkt und die Akzeptanz der Supplementgabe zu berücksichtigen (28). Die Implementierung von Ernährungsstrategien, die eine bedarfsdeckende Energiezufuhr sowie den regelmässigen Verzehr hochwertiger Proteinquellen, zum Beispiel von Milchprodukten, pflanzlichen Ölen sowie von Obst und Gemüse, berücksichtigen, kann die Ernährung älterer Menschen optimieren und möglicherweise einen Beitrag zur Sarkopenieprävention leisten (Tabelle 3). Der körperlichen Aktivität kommt in Zusammenhang mit der Nahrungsverstoffwechselung und dem Muskelaufbau eine stimulierende Bedeutung zu.
Korrespondenzadresse: Dr. Eva Kiesswetter Institut für Biomedizin des Alterns Kobergerstrasse 60 D-90408 Nürnberg E-Mail: eva.kiesswetter@fau.de
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