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EDITORIAL
Sarkopenie: Gesundes Altern fördern und Frailty abwenden
Muskelmasse und Muskelkraft nehmen im Alter ab. Verliert der Mensch mehr Muskelmasse, als das für das Alter normal ist, spricht man von Sarkopenie. Obwohl genaue Daten in der Schweiz fehlen, kann man davon ausgehen, dass beispielsweise die Prävalenz der Sarkopenie im Langzeitbereich bei über 90 Prozent liegt. Die Effekte der Sarkopenie sind als eine Summe von altersbedingten Veränderungen verschiedener Regulationssysteme auf die quergestreifte Muskulatur zu verstehen: Entzündungsmediatoren sind chronisch erhöht, die Betroffenen leiden oft an Anorexie, Mangel- und Fehlernährung, Adynamie und Depression, was Immobilität zur Folge hat. Alle diese Faktoren verstärken die Effekte auf die Muskulatur. Für die Geriatrie ist die Sarkopenie von besonderer Bedeutung, weil praktisch alle motorischen Funktionen, die eine unabhängige Lebenssituation gewährleisten (Gang, basale Aktivitäten des täglichen Lebens), betroffen sind. Sarkopenie wird als Teil der Frailty (Gebrechlichkeit) angesehen, die oft den Verlust der Unabhängigkeit zur Folge hat. Betroffene mit einer Sarkopenie klagen auch oft über Appetitlosigkeit. Umso wichtiger ist es, die Ernährung in den Fokus zu stellen. Welche Probleme die Ernährung im Alter erschweren, aber auch welche Möglichkeiten der Verbesserung es gibt, beschreibt der Beitrag der Ernährungsberaterinnen Diana Kappis und Nadine Osswald (Seite 16 ff.). Ziele der Ernährungsbera-
tung sind neben der bedarfsdeckenden Ernährung vor allem der Erhalt der Funktionalität und der Lebensqualität. Oftmals geht vergessen, dass unsere Ernährungsgewohnheiten historisch, kulturell und biografisch geprägt sind. Dieses Wissen sollte bei der Ernährung mitberücksichtigt werden, um individuell auf das Essverhalten eingehen zu können (Beitrag Brombach et al., Seite 20 ff.). Bis heute zu wenig Beachtung findet der Zusammenhang von Sarkopenie und Adipositas. Die beiden Komponenten verstärken sich gegenseitig und können mit zunehmendem Alter zu einem gesteigerten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko führen, wenn im Alter der Bedarf nicht dem Verbrauch angepasst wird (Beitrag Stanga et al., Seite 11 ff.). Die Ernährung wird demnach als ein wesentlicher Faktor in der Behandlung der Sarkopenie gesehen (Beitrag Kiesswetter, Seite 6 ff.). Die Erforschung von Massnahmen zur Prävention und Behandlung der Sarkopenie hat daher einen hohen Stellenwert in der modernen Altersmedizin. Sie soll helfen, ein gesundes Altern zu fördern und Frailty abzuwenden.
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Thomas Münzer Chefarzt und Mitglied der Geschäftsleitung Präsident Schweizerische Fachgesellschaft für Geriatrie Geriatrische Klinik Kompetenzzentrum Gesundheit und Alter Rorschacherstrasse 94 9000 St. Gallen E-Mail: thomas.muenzer@geriatrie-sg.ch
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