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Praxisübergabe – (k)ein Erfolgserlebnis!
Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für eine Einzelpraxis zu finden ist heute keine einfache Aufgabe. Die Suche endet nicht sel-
ten in Frustration und mit Aufgabe der Praxis. Das muss nicht sein. Zumindest gibt es mehrere private Initiativen von Kollegen, die den veränderten Umständen Rechnung tragen und neue Nachfolgemodelle anbieten. Einige Überlegungen hierzu.
ziert er weiter, schreibt Inserate und lässt die Praxis von einem Experten einer Firma für Praxisübernahmen einschätzen. Ähnlich ergeht es den Kolleginnen und Kollegen aus den umliegenden Einzelpraxen; auch sie finden keine Nachfolger. Junge Ärztinnen und Ärzte interessieren sich nur kurz für eine Praxisübernahme, lassen aber bald wissen, dass sie lieber in einer Gemeinschaftspraxis tätig sein möchten und das Risiko einer Übernahme scheuen. Der geforderte Goodwill stellt für sie zusätzlich eine erhebliche Belastung dar. Schliesslich nimmt Kollege A. im Alter von bald 70 Jahren Abschied von seinen Patienten und schliesst die Praxis – unglücklich und frustriert über die Tatsache, keinen Nachfolger gefunden zu haben. Auch seine Patienten sind unzufrieden und finden nur mit Mühe einen neuen Hausarzt.
STEPHAN GEROSA
Der alte Praktiker Kollege A. hat über drei Jahrzehnte eine Hausarztpraxis geführt. Er hatte sie von einem älteren Arzt übernommen, der 40 Jahre tätig war. Die Praxis wurde 1985 renoviert und laufend modernisiert. Das Röntgengerät stammt aus dem Jahr 2000, das Labor aus dem Jahr 2005. Über all die Jahre ist ein treuer Patientenstamm aufgebaut worden. Der Kollege pflegt regelmässigen Kontakt mit der benachbarten Ärzteschaft; das Einvernehmen ist gut, man besucht einmal monatlich gemeinsam einen Qualitätszirkel. Drei Jahre vor Erreichen des Pensionsalters macht sich Kollege A. Gedanken im Hinblick auf eine Übergabe an einen jüngeren Kollegen. Zu seinem Erstaunen findet sich niemand, der die Praxis übernehmen möchte. Deshalb prakti-
Die jungen Kollegen
Unweit von Kollege A. treffen sich vier innovative junge angehende Hausärztinnen und Hausärzte, die zusammen eine Gemeinschaftspraxis eröffnen möchten. Sie planen, sie im Teilzeitpensum zu betreiben, und setzen sich deshalb mit älteren Kollegen zusammen, um die Bereitschaft zur Gründung einer grossen Gemeinschaftspraxis in neuen Räumen zu prüfen. Ihnen schwebt eine Zusammenarbeit mit den älteren Kollegen vor. Möchte sich einer mit den Jahren zurückziehen, könnte er seinen Anteil an eine jüngere Ärztin oder einen jüngeren Arzt veräussern. Doch leider, sind die Rückmeldungen durchwegs negativ. Die älteren Kollegen möchten ihre Einzelpraxen zwar veräussern, aber ohne zusätzlichen Aufwand. Die jungen Ärztinnen und Ärzte wenden sich frustriert an ihre ehemaligen Chefärzte und fragen nach einer Oberarztstelle, welche sie problemlos erhalten.
Wo liegt das Problem?
Das Beispiel zeigt auf, dass es durchaus Interesse an Hausarztmedizin gibt. Es sind die Umstände, die junge Kolleginnen und Kollegen davon abhalten, als Hausärztinnen und Hausärzte tätig zu werden. Eine Erhebung bei Medizinstudenten in den Jahren 2002 bis 2009 durch Prof. Dr. med. Peter Tschudi vom Universitären Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel (Praxis 2013; 102 [6]: 1–5) zeigt auf, dass rund 10 Prozent der Studierenden und 20 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung das Berufsziel Hausarzt angeben. Neuere Zahlen liegen leider nicht vor, aber durch die Anstrengungen der verschiedenen Hausarztinstitute der Schweizer Universitäten sollte diese Quote eher im Steigen begriffen sein. Unsere Gesellschaft macht einen gewaltigen Umbruch durch, welcher nicht vor dem Arztberuf haltmacht. Junge Ärztinnen und Ärzte haben nicht mehr das gleiche Verständnis vom Berufsleben wie die älteren Semester. Die sogenannte Work-Life-Balance ist wichtig und ein zentraler Faktor geworden: Der Beruf ist Teil des Lebens, die totale Aufopferung als Hausarzt mit permanenter Erreichbarkeit hingegen ist nicht mehr erstrebenswert. Man muss diesen Wandel akzeptieren und sollte ihn nicht negativ werten oder verurteilen. Frauen wie Männer suchen Teilzeitbeschäftigungen, damit Familie und Freizeit nicht zu kurz kommen. Schliesslich wurde jahrelang propagiert, dass Ehemänner sich mehr in die Kinderbetreuung einbringen sollten, um den Ehefrauen Berufstätigkeit ermöglichen zu können. Nun ist dieser Umbruch eingetreten, und es gilt, die Konsequenzen wie die Reduktion der Arbeitszeit bei den Männern und die Teilzeitbeschäftigung bei den Frauen zu akzeptieren.
Warum sie nicht
zusammenkommen
Arbeiten in modernen Gemeinschaftspraxen ist attraktiv. Allerdings scheuen die jüngeren Kolleginnen und Kollegen das Unternehmertum und arbeiten lieber im Angestelltenverhältnis und ohne finanzielles Risiko. Ausserdem generiert der Fachärztemangel an den Spitälern ein grosses Angebot für diverse Facharztausbildungen, das gerne angenommen wird. So bleiben denn die jungen Ärztinnen und Ärzte lieber im
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PrasixPro AG
Gründungsdatum: Januar 2015
Zweckartikel:
Beratung bei der Nachfolgeplanung und Nachfolgeregelung von Arztpraxen in der Nordwestschweiz und deren Betrieb sowie alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten.
Initianten und VR: Gerosa Stephan, Ceccon Jean-Pierre, Misteli Reto, Reifler Martin, Schäfer Rolf, Schaub Jacqueline, Schmutz Thomas
Aktivitäten:
Übernahme einer HA-Praxis in Arisdorf Februar 2015, verschiedene Beratungen, Planung einer weiteren Gemeinschaftspraxis im Raum Basel
sicheren Hafen des Spitals und wechseln nur zögerlich in die Praxis. Die Feminisierung im Arztberuf (heute sind ca. zwei Drittel der Medizinstudenten Frauen) verschärft die Situation zusätzlich. Wie erwähnt streben Kolleginnen mit Familie ein Arbeitspensum von 40 bis maximal 50 Prozent an. Das bedeutet: Eine gut gehende Hausarztpraxis einer älteren Kollegin oder eines älteren Kollegen benötigt bei einer Übergabe eine Belegschaft von mindestens 3 bis 4 jungen Ärztinnen oder Ärzten. Ein wichtiger Umstand: Die Praxen von älteren Kolleginnen und Kollegen sind Einzelpraxen und eignen sich von der Grösse her in der Regel schlecht als Gemeinschaftspraxen. Die Einrichtung ist meist älteren Datums, und wegen des beschränkten Raums können oft nicht mehrere Ärzte gleichzeitig arbeiten. Bereits bestehende Gemeinschaftspraxen sind vielfach veraltet und besitzen keine moderne Infrastruktur wie etwa elektronische Krankengeschichten. Ver-
ständlicherweise wollen ältere Hausärztinnen und Hausärzte kurz vor der Pensionierung keine grösseren Investitionen mehr tätigen. Genau dieser Umstand ist jedoch ein Hauptgrund, weshalb keine Nachfolger zu finden sind. Wenn sich hingegen ältere Einzelkämpfer zusammenfinden und zu grösseren Einheiten zusammenschliessen könnten, würden sie ihre Attraktivität beträchtlich erhöhen und jüngere Kolleginnen und Kollegen finden. (Ein gutes Beispiel dafür ist die Gemeinschaftspraxis Hausärzte Region Reiden, ein Zusammenschluss von sechs alteingesessenen Hausärzten, welche am 1. Juli 2013 erfolgreich einen gemeinsamen Neustart wagten. Mittlerweile sind dort acht Hausärztinnen und Hausärzte tätig.)
Warum sie doch
zusammenkommen könnten
Eine einfache Lösung ohne grossen Aufwand wäre es, den Patientenstamm eines älteren Kollegen an eine jüngere Kollegin beziehungsweise einen jüngeren Kollegen zu übergeben, damit einem Start in einer neuen Praxisgemeinschaft mit optimalen Bedingungen nichts im Wege steht. In der Praxis eines erfahrenen Kollegen hat sich gezeigt, dass mit der Anstellung und der Ausbildung von motivierten Praxisassistenten diese von der Hausarzttätigkeit zu begeistern sind und sich anschliessend sogar weiter anstellen lassen. Aus eigener Erfahrung weiss der Autor, dass es, wenn eine jüngere Kollegin beziehungsweise ein Kollege einmal in die Praxis eingestiegen ist, rasch zu weiteren Kontakten mit interessierten jüngeren Ärztinnen und Ärzten kommt und es auf diese Weise möglich ist, Nachwuchs zu rekrutieren.
Es gibt zahlreiche Ideen, wie sich die Kontaktaufnahme zwischen jüngeren und älteren Ärztinnen und Ärzten fördern liesse. So könnten Spitalärztinnen und -ärzte in Qualitätszirkel eingeladen oder regionale Plattformen gegründet werden. Diese würden ähnlich einer Partnervermittlung jüngere und ältere Ärztinnen und Ärzte zusammenbringen. Des Weiteren existieren mehrere ärzteeigene Verbindungen mit dem Ziel, geeignete Nachfolgeregelungen für eigene oder fremde Arztpraxen inklusive Finanzierung für junge Hausärztinnen und Hausärzte zu ermöglichen. Der Autor hat mit drei Kollegen, einer Kollegin, einem Treuhänder und einem Investor eine solche Aktiengesellschaft (PraxisPro AG) gegründet, die genau dieses Ziel verfolgt.
Fazit
Die Ausführungen zeigen, dass eine Nachfolgeregelung so früh wie möglich geplant werden muss. Ideal wäre es, wenn sich einzelne (ältere) Ärztinnen und Ärzte einer Region zu grösseren Einheiten zusammenschlössen. Erst ein bis zwei Jahre vor der Pensionierung mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger zu beginnen, ist häufig frustrierend und endet nicht selten in der definitiven Schliessung der Praxis. O
Dr. med. Stephan Gerosa Hirzenfeldweg 4 4448 Läufelfingen E-Mail: stephan.gerosa@hin.ch
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