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KIEFER | UPDATE ZAHNENTWICKLUNG KINDER | KONSERVATIV
WACHSTUMSLENKUNG IN DER «ZAHNGÄRTNEREI»
«Lenken, Leiten und Stützen» statt «Zug, Zwang und Druck»
Die Bionatortherapie nach Wilhelm Balters ermöglicht eine funktionelle, schmerzfreie und vollkommen zahnschonende Wachstumslenkung von Zähnen und Kiefer. Sie bietet in vielen Fällen eine Alternative zur konventionellen Kieferorthopädie, ist allerdings sehr abhängig von guter Mitarbeit und Eigeninitiative.
Susanne Grünenberg
Die Bionatortherapie nach Wilhelm Balters setzt an der Ursache der Zahnfehlstellungen an. Das individuelle Umtrainieren der orofazialen Muskulatur – unter Einbezug der gesamten Kiefer-KopfHals-Rückenmuskulatur – stellt eine Therapieform dar, die erwiesenermassen hochwirksam ist und gleichzeitig über den Tellerrand der konventionellen Kieferorthopädie hinaus reicht, die sich oft nur auf die Zähne fokussiert und somit oftmals eine Orthodontie ist.
Abbildung 1–3: Der Bionator muss locker im Mund liegen und darf sich in keinem Fall an den Zähnen festhalten.
Natürliches Wachstum unterstützen
Durch das Lenken, Leiten und Stützen des natürlichen Kieferwachstums kann oft deutlich mehr als durch die konventionelle, oft rein mechanisch ausgerichtete Schulkieferorthopädie erreicht werden. Durch Zug, Zwang und Druck in industriell gefertigte Normen werden zudem oftmals gesunde Strukturen in Mitleidenschaft gezogen. Schmerzen, wie sie während schulkieferorthopädischer Behandlungen auftreten, sind eine gesunde Reaktion des Körpers und weisen darauf hin, dass der angewendete Druck zu gross ist. Es wird gesundes Gewebe abgebaut oder gar zerstört – auch bei in neuester Zeit vermehrt angewendeten Low-force-Drähten.
Erst die Funktion, dann die Struktur
Die Bionatortherapie nach Wilhelm Balters beinhaltet eine reine Änderung der Funktion. Die
Strukturen ändern sich erst sekundär: Die veränderten Funktionen modifizieren mittels neuer formativer Reize die Strukturbildung. Wichtig ist daher die Unterscheidung von Struktur und Funktion im orofazialen Bereich: • Funktion bedeutet das koordinative Zusam-
menspiel aller beteiligten Strukturen bei komplexen Aktivitäten wie Schlucken, Sprechen, Trinken, Saugen, Atmen, Mimik, Lippenschluss, Kauen, Beissen, Pressen, Knirschen. • Struktur bezeichnet morphologisch fassbare Struktur- und Entwicklungsmerkmale wie Zahnform, Zahnbreite, Zahnbogenform, Wachstumsmuster sowie die typischen kieferorthopädischen Befunde in ihrer vertikalen, sagittalen und transversalen Dimension. Im Gegensatz zu diesem in der Biologie allgemein bekannten Prinzip «structure follows function» (die Struktur folgt der Funktion) verändern viele Massnahmen der konventionellen Kieferorthopädie lediglich die Struktur – ohne die Funktion mit einzubeziehen und zu verändern. So entstehen Rezidive. Um genau diese zu verhindern, kleben konventionelle Kieferorthopäden beziehungsweise Zahnärzte nach ihrer Therapie noch Drähte hinter die sechs Front- beziehungsweise Eckzähne, um diese zu verblocken und so das kosmetische Ergebnis zu sichern. Und trotz dieser Vorsichtsmassnahmen habe ich in meiner langjährigen kieferorthopädischen Tätigkeit immer wie-
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der unerfreuliche Rezidive der Schulkieferorthopädie beobachtet.
Bionator: funktionell, schmerzfrei und zahnfreundlich
Die Vorteile des Bionators sind für mich die Dreidimensionalität, die absolute Schmerzfreiheit, die grosse «Zahnfreundlichkeit» und die freie Beweglichkeit des Gerätes im Mund. Die Zähne und Zahnwurzeln werden nicht in Mitleidenschaft gezogen und bleiben in ihrer Substanz vollkommen natürlich erhalten. Der Bionator wirkt in der Vertikalen, der Sagittalen und in der Transversalen. Durch seine «bewegliche Verankerung» können mehr oder weniger starke Funktionsveränderungen ausgelöst werden: Das Kind kann den Impuls auf die Zähne und den Kiefer selbst bestimmen. Das gilt auch bei integrierten «Protrusionsfedern», die bei adäquater Zahntechnik nicht zur Kippung des Zahnes, sondern – aufgrund ihres Ansatzes am Rotationszentrum – zur körperlichen Zahnbewegung führen. Ist der gesetzte Impuls zu stark, reagiert das Kind neurofunktionell von selbst mit weniger Druck, die Zahnreihen werden leicht diskludiert. Somit hat das Kind die Kontrolle über die Therapie und wird nicht fremdbestimmt in Veränderungen «gepresst», die zu stark sind und Schmerzen verursachen können.
Biognathor modifiziert nach Grünenberg
Seit 2007 bin ich mithilfe der
Zahntechnikermeister Urs Wie-
derkehr (CH) und Dirk Geuer
(D) mit der Weiterentwicklung
des Biognathors nach Dr. Hu-
bertus von Treuenfels beschäf-
tigt. Dabei wird der Metalldurch einen Kunststoffbügel
Abbildung 4: Biognathor (mod. nach Grünenberg)
ersetzt. Zunächst stellte Urs
Wiederkehr einen Biognathor aus Flexiplast her, dieses Material ersetzten wir
dann mit Dirk Geuer zusammen durch Polyan, einen hypoallergenen Kunststoff
(mehr Materialinformationen unter www.polyapress-gmbh.com).
Beispiel 1
Schmerz führt zum Abbau natürlichen Gewebes
Tritt Schmerz auf, kommt es zum Abbau von natürlichem Gewebe. Ist der Abbau von Gewebe durch Druck grösser als der Anbau durch Zug, kommt es zwangsläufig zu einem Strukturverlust. Beispiel: die Reduktion der Zahnwurzellängen durch die sogenannte Multibandbehandlungen (siehe Kasten). Beispiel 1: Das erste Kind kam mit 12 Jahren, nach vollendetem Zahnwechsel, zu uns. Der Unterkiefer lag stark zurück, der Oberkiefer wies eine stark gotische Form auf, die oberen Schneidezähne schauten aus dem Mund, die Unterkieferzähne bissen stark in den Gaumen, das Kind atmete chronisch durch den Mund. Nach der Therapie waren beide Kiefer in der Form stark verändert – siehe grüne Orientierunglinie – der Oberkiefer wies eine romanische Form auf (Abbildung 5a). Alle Zähne hatten mehr Platz, der Unterkiefer entwickelte sich rasch nach ventral, der tiefe Biss wurde korrigiert, der Lippenschluss gefördert, die Mundatmung wandelte sich komplett zur reinen Nasenatmung, die Verzahnung der Zähne ineinander verbesserte sich, das Kind konnte wesentlich besser kauen (Abbildung 5b).
Abbildung 5a: Die Form des Oberkiefers Abbildung 5b: Der Unterkiefer entwi-
entwickelte sich von gotisch zu romanisch, alle Zähne hatten mehr Platz.
ckelte sich nach ventral, die Verzahnung der Zähne ineinander verbesserte sich.
Die Mutter berichtete zudem von einer Aufrichtung der Wirbelsäule und einer stark verbesserten Haltung ihres Kindes, parallel verbesserten sich Konzentration und körperliche Leistungsfähigkeit, das Kind gewann dank des nun möglichen Lippenschlusses an Selbstbewusstsein.
Festsitzende Apparaturen
Festsitzende Apparaturen – inklusive des oft im komplementär-medizinischen Kontext angewandten Damon-Systems – werden meines Erachtens ihrem Anspruch auf eine «ganzheitliche Kieferorthopädie» nicht gerecht. Hier werden bis zu 28 gesunde Zähne mit Säure angeätzt, die Brackets werden mit im Mund aushärtenden Kunststoffen befestigt, was zu erheblichen Nebenwirkungen und hoher Nickelbelastung führt. Das gilt auch bei der Verwendung von Nicht-Metall-Brackets: Die einligierten Drahtbögen (insbesondere die Low-force-Drähte und NiTi-Bögen) bestehen aus Nickel-Titan-Legierungen und enthalten bis zu 54 Prozent Nickel. An der Abteilung für Allergologie der Universitätsklinik Zürich wurde festgestellt, dass die Entstehung vieler Nickelallergien auf die Verwendung solcher Multibandsysteme zurückzuführen sind.
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Beispiel 2
Abbildung 6a: Der ehemals offene Biss konnte im Verlauf der Behandlung komplett geschlossen werden.
Abbildung 6b: Nach der Bionatortherapie waren beide Kiefer komplett ausgeformt, erweitert und rund.
SUSANNE GRÜNENBERG, Studium der Zahnmedizin in Aachen, in der Ausbildung diverse Stationen, seit 2007 in der Schweiz. Bis 2009 in einer Praxis für ganzheitliche Kieferorthopädie in zahnärztlicher Praxisgemeinschaft Schifflände, Zürich, seit 2010 in eigener Praxis
Beispiel 2: Das zweite Kind kam in einer Wechselgebissphase im Alter von 9 Jahren mit einem stark offenen Biss zu uns (Abbildung 6a). Die oberen Schneidezähne waren stark intrudiert, das heisst zu stark im Oberkiefer versenkt. die Zunge drückte beim Schlucken stark nach vorne zwischen die Schneidezähne. Auch hier lag der Unterkiefer stark zurück, der Unterkiefer wies eine kantige Form auf, die Schneidezähne im Oberund Unterkiefer standen zu eng, der Oberkiefer war zu schmal.
Verbesserung des Gebisses ermöglichte Nasenatmung
Nach der Bionatortherapie waren beide Kiefer komplett ausgeformt, erweitert und rund (Abbildung 6b). Die Engstände waren beseitigt, der Unterkiefer hatte sich nach ventral in eine neutrale Bissposition entwickelt, wodurch die Verzahnung verbessert wurde. Der ehemals offene Biss war jetzt komplett geschlossen, was dem Kind ermöglichte, mit den Schneidezähnen abzubeissen – und nicht mehr mit den Seitenzähnen. Auch bei diesem Kind entwickelte sich aus der anfänglichen Mundatmung eine vollständige Nasenatmung, die für die Prophylaxe von Allergien sehr wichtig ist, da die Luft beim Einatmen durch die Nase in der grossflächigen Kieferhöhlenschleimhaut der Conchae naseles gefiltert wird.
Wichtig für den Erfolg ist der verbale Umgang
Beobachtet und ertastet man die Vielzahl der Muskeln, die beim Trinken, Schlucken und Sprechen im orofazialen Bereich aktiv sind, lassen sich davon unschwer die vielfältigen Wirkungen einer Veränderung ebendieser Funktionen ableiten. Ich mache meine «Zahngartenkinder» immer darauf aufmerksam, in gemeinsamen «Entdeckungsreisen durch die Funktionen des eigenes Körpers» kommen oft lustige und vertrauensbildende Erlebnisse zustande. Durch das Ertasten mit den Fingerspitzen im Gehörgang können Kinder das Öffnen und Schliessen im Kiefergelenk direkt wahrnehmen. Ich erkläre jedem Kind die Fehlfunktionen und Ursachen seiner Zahnfehlstellungen – wo beispielsweise die Zunge beim Schlucken überall erscheint. Mit dem Verständnis kommt die Motivation zum Tragen des Bionators meistens ganz von allein. Kinder wie Eltern melden mir oft zurück, was ich ihnen erkläre, sei vollkommen logisch. Zudem, das ist mir wichtig, bleibt die Autonomie des Kindes während der Therapie gewahrt, das Kind entscheidet weitestgehend selbst, wie oft und mit welcher Intensität es den Bionator trägt. Wird er viel getragen und kommt beim Schlucken, Trinken und Sprechen funktionell zum Einsatz, ermöglicht das entsprechend rasch eindrückliche Veränderungen, auch in allgemeinmedizinischer Hinsicht.
Danksagung: Herrn Prof. Dr. Dr. Balters bin ich von ganzem Herzen zutiefst dankbar für diese grossartige Behandlungsmethode. Während der nunmehr 25 Jahre meiner Tätigkeit als «Zahngärtnerin» habe ich keine bessere Methode kennengelernt, sie hat mir geholfen, meinen Beruf zur Berufung zu machen. Jeden Tag freue ich mich über die vielfältigen und zahnfreundlichen Verbesserungen, die meine «Zahngartenkindern» dank der Bionatortherapie in dentaler, kieferorthopädischer und allgemeinmedizinischer Hinsicht erleben. Herrn Prof. Dr. Dr. Balters ist diese Publikation gewidmet.
Kontakt: Dr. Susanne Grünenberg Zahngärtnerei zum Frosch E-Mail: gruen@bionatortherapie.ch www.bionatortherapie.ch
Literatur bei der Verfasserin.
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