Transkript
STUDIE REFERIERT
Typ-1-Diabetes und kardiovaskuläre Mortalität
Länger leben dank Insulinpumpe
Eine grosse Beobachtungsstudie kommt zu dem Ergebnis, dass die Insulinpumpentherapie mit einer geringeren kardiovaskulären Mortalität einhergeht als die Behandlung mit mehrfachen täglichen Insulininjektionen.
British Medical Journal
Seit mehr als 25 Jahren gibt es Insulinpumpen für die Behandlung des Typ-1-Diabetes. Doch erst seit der Jahrtausendwende werden sie breiter eingesetzt. In der Schweiz behandelt man etwa 15 Prozent der Typ-1Diabetiker mit der Insulinpumpe. Damit ist die Insulinpumpentherapie eine wichtige Alternative zur konventionellen Insulintherapie mit Pen oder Spritze geworden. Ein grosser Vorteil der Pumpentherapie gegenüber der konventionellen Therapie besteht darin, dass die Insulinabgabe sehr genau an den zirkadianen Bedarf angepasst werden kann. Typ-1-Diabetes geht mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität einher. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Typ-1-Diabetiker mit einem HbA1c-Wert von 6,9 Prozent (52 mmol/l) bereits ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an einer kardiovaskulären Erkrankung zu sterben. Bei noch höheren HbA1c-Werten ist die Gefahr um ein Vielfaches gesteigert (1).
MERKSÄTZE
O In der Schweiz behandelt man etwa 15 Prozent der Typ-1-Diabetiker mit der Insulinpumpe. Damit ist die Insulinpumpentherapie eine wichtige Alternative zur konventionellen Insulintherapie mit Pen oder Spritze geworden.
O Eine grosse schwedische Studie zeigte, dass die Risiken für tödliche koronare Herzerkrankungen und für tödliche kardiovaskuläre Erkrankungen sowie die Gesamtmortalität bei Insulinpumpenträgern signifikant geringer sind als bei Typ-1-Diabetikern, die sich mehrmals täglich Insulin spritzen.
O Es ist davon auszugehen, dass die Insulinpumpentherapie einen günstigen Einfluss auf den Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat.
Ob die Insulinpumpentherapie im Vergleich zur konventionellen Insulinbehandlung das kardiovaskuläre Sterberisiko senkt, wurde in einer grossen schwedischen Beobachtungsstudie untersucht.
Studiendesign und -ziel
Die Beobachtungsstudie wurde von 2005 bis 2012 in Schweden durchgeführt. Ausgewertet wurden Daten des Schwedischen Nationalen Diabetes-Registers. 18 168 Menschen mit Diabetes Typ 1 nahmen an der Studie teil. 2441 von ihnen wurden mit Insulinpumpe behandelt; 15 727 injizierten sich mehrmals täglich Insulin. Es gab keine Ausschlusskriterien. Primäre Endpunkte waren eine tödliche oder nicht tödliche koronare Herzerkrankung, eine tödliche oder nicht tödliche kardiovaskuläre Erkrankung, eine tödliche kardiovaskuläre Erkrankung sowie die Gesamtmortalität. Sekundärer Endpunkt war die Mortalität aufgrund von Erkrankungen, welche nicht kardiovaskulär bedingt waren.
Studienergebnisse
Die mittlere Beobachtungsperiode lag bei 6,8 Jahren. Während des Beobachtungszeitraums traten 1423 Fälle einer tödlichen oder nicht tödlichen Herzerkrankung auf. Die jährliche Inzidenzrate (Anteil der Personen, die innerhalb eines Jahres erkranken, bezogen auf die Population, die dem Erkrankungsrisiko ausgesetzt ist) für kardiovaskuläre Erkrankungen betrug 1,1. Mehrere Hazard Ratios (HR) wurden bestimmt. Die HR ist ein Quotient aus den Risiken von zwei Gruppen und gibt an, um wie viel die Sterberate in der einen Gruppe höher ist im Vergleich zu der Sterberate der anderen Gruppe. In der Studie wurden die HR von mit Insulinpumpentherapie behandelten Patienten im Vergleich zu Patienten, die sich mehrmals täglich Insulin spritzten, bestimmt.
Die HR für tödliche oder nicht tödliche koronare Herzerkrankungen lag bei 0,81 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,66–1,01). Dies bedeutet, dass das Risiko bei Insulinpumpentherapie 0,81-mal so hoch war wie das der Patienten mit mehrfacher täglicher Insulininjektion (oder um 19% geringer). Ähnlich günstige Ergebnisse für die Insulinpumpentherapie ergaben auch andere Bewertungen. So lag die HR für tödliche koronare Herzerkrankungen bei 0,55 (95%-KI: 0,36– 0,83), für Tod aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen bei 0,58 (95%-KI: 0,40– 0,85) und für die Gesamtmortalität bei 0,73 (95%-KI: 0,58–0,92). Nicht signifikant geringere HR zeigten sich bei tödlichen oder nicht tödlichen kardiovaskulären Erkrankungen. Die absolute Ereignisrate (pro 1000 Personenjahre) für tödliche beziehungsweise nicht tödliche koronare Herzerkrankungen betrug unter mehrfacher täglicher Insulininjektion 10,7 und unter Pumpentherapie 6,2. Auch die absolute Rate tödlicher oder nicht tödlicher Erkrankungen (-4,8) und tödlicher kardiovaskulärer Erkrankungen (-3,3) sowie die Gesamtmortalitätsrate (-5,7) waren bei Insulinpumpenträgern reduziert. Auch wenn der Body-Mass-Index sowie vorherige kardiovaskuläre Erkrankungen nicht berücksichtigt wurden, traten ähnliche Ergebnisse auf.
Diskussion
Eine Einschränkung der Studie war, dass die bereits bestehende Zeitdauer einer Insulinpumpentherapie vor Studienbeginn nicht bekannt war. Zudem ist davon auszugehen, dass bei der Insulinpumpentherapie auch andere Faktoren wie eine häufigere Blutzuckerbestimmung sowie eine intensivere Patientenschulung einen günstigen Effekt haben.
Fazit
Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes geht die
Behandlung mit Insulinpumpe mit einer
geringeren kardiovaskulären Mortalität ein-
her als die Therapie mit mehrfachen täg-
lichen Insulininjektionen.
O
Claudia Borchard-Tuch
Quelle: Steineck I et al.: Insulin pump therapy, multiple daily injections, and cardiovascular mortality in 18 168 people with type 1 diabetes: observational study. BMJ 2015; 350: h3234.
Literatur: 1. Lind M et al.: Glycemic control and excess mortality in type 1
diabetes. N Engl J Med 2014; 371: 1972–1982.
Interessenlage: Bei den Autoren der referierten Studie besteht kein Interessenkonflikt.
1022 ARS MEDICI 21 I 2015