Transkript
Kongressbericht/Journal Club
European Cancer Congress (ECC) – 18th ECCO – 40th ESMO – Wien, 25. bis 29. September 2015
Schwangerschaft
Krebsdiagnose sollte nicht zuTherapieverzögerung oder Interruptio führen
Frauen, die während ihrer Schwangerschaft eine Krebsdiagnose erhalten, können ihre Therapie sofort beginnen und müssen nicht aus Angst vor Folgen für ihr Kind die Schwangerschaft abbrechen. Das ist das Fazit einer Studie, die im Rahmen einer Sitzung zu Schwangerschaft bei Krebs auf dem European Cancer Congress vorgestellt wurde, zeitgleich mit der Publikation im «New England Journal of Medicine».
«Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Angst vor einer Schädigung des Fetus durch eine Krebsbehandlung nicht berechtigt ist. Eine notwendige Chemotherapie ist daher kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch. Die Therapie der Mutter sollte ohne Verzögerung starten», betonte Prof. Frédéric Amant (Amsterdam), gynäkologischer Onkologe und Leiter des Projekts «Krebs in der Schwangerschaft» (Leuven/Belgien).
Überwiegend Brust- und Blutkrebspatientinnen
Insgesamt 129 Kinder im Durchschnittsalter von 22 Monaten (12–42 Monate) aus Belgien, den Niederlanden, Italien und Tschechien waren in die Studie eingeschlossen und wurden mit derselben Anzahl Gleichaltriger verglichen, deren Mütter keine Krebserkrankung hatten (1, 2). Allgemeine Gesundheit und mentale Entwicklung wurden im Alter von 18 Monaten und im dritten Lebensjahr erhoben. Bei 47 Kindern wurde bei der zweiten Untersuchung auch die Herzfunktion mittels Elektrokardiogramm und Echokardiografie untersucht. Die häufigsten Krebserkrankungen der Mütter waren Mammakarzinom und hämatoonkologische Erkrankungen wie Leukämie oder Lymphom. 96 Kinder (74,4%) waren vor ihrer Geburt einer Chemotherapie (allein oder kombiniert mit anderen Therapien) ausgesetzt, 11 (8,5%) einer Strahlentherapie (allein oder in Kombination), 13 (10,1%) einer chirurgischen Intervention der Mutter und 14 (10,9%) keiner Intervention. Jeweils eine Mutter (0,7%) hatte Trastuzumab oder Interferon beta erhalten. Die Rekrutierung der Kollektive erfolgte zwischen 2001 und 2014.
Insgesamt normale Entwicklung – aber ...
Von den 47 Dreijährigen, deren Herzfunktion detailliert untersucht worden war, waren 29 intrauterin einer Chemotherapie ausgesetzt. Gegenüber der Kontrollgruppe wurden keinerlei kardialen Unterschiede oder Abnormitäten festgestellt. Verglichen mit der Kontrollgruppe zeigten sich ferner keine signifikanten Unterschiede in der geistigen Entwicklung der Kinder. Auch die Anzahl der während der Schwangerschaft erhaltenen Chemotherapiezyklen (n = 1 bis 10) hatte keinen Einfluss auf dieses Ergebnis, so Amant. Auf der Bayley Scales of Infant Development erreichten beide Gruppen einen medianen Score von 101. Kinder, die einer Chemotherapie ausgesetzt waren, hatten einen medianen Score von 100 (vs. 99,5 in der Kontrollpopulation). Bei strahlentherapieexponierten Kindern lag der Score bei 102 (vs. 105), in der chirurgisch behandelten Gruppe bei 111 (vs. 102) und jene Kinder, deren Mütter keine Krebstherapie nach der Diagnose erhalten hatten, hatten einen Score von 105 (vs. 97,5).
... Frühgeburtlichkeit bei krebskranken Müttern deutlich erhöht
Die Studienärzte fanden jedoch auf dieser Skala ein Absinken des Scores um median 2,2 Punkte für jede fehlende Schwangerschaftswoche. Prof. Amants Schlussfolgerung: «Verzögerte Entwicklung mentaler Prozesse scheint mit Frühgeburtlichkeit zusammenzuhängen.» Frühgeburten traten bei Kindern krebserkrankter Mütter gehäuft auf, unabhängig davon, ob sie eine Behandlung erhalten hatten oder nicht. Die Schwan-
gerschaftsdauer lag bei den krebserkrankten Müttern bei durchschnittlich 36 Wochen (27 bis 41 SSW); in 61,2% der Fälle wurden die Kinder vor der 37. Woche geboren (vs. 7–8% in der Normalbevölkerung). «In den meisten Fällen liess sich die kurze Schwangerschaft mit einer Entscheidung zur Geburtseinleitung erklären, um nach der Geburt mit der Krebstherapie fortzufahren. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Frühgeburt spontan einsetzte; möglicherweise hat die Krebstherapie eine Rolle gespielt, vermutlich durch ausgelöste Uteruskontraktionen oder eine vaginale Entzündung», erklärte Prof. Amant. Ein Geburtsgewicht unter der 10. Perzentile trat bei 28 der 127 Kinder auf (22,0%) und bei 19 von 125 Kindern (15,2%) in der Kontrollgruppe (p = 0,16).
Botschaft: «Krebstherapie sofort starten»
Die Studie erfolgte im Anschluss an eine frühere Untersuchung bei 70 Kleinkindern, die intrauterin einer systemischen Krebstherapie ausgesetzt waren. Die Untersuchung war aber ohne Kontrollgruppe durchgeführt worden. «Die neuen Daten sind bestätigend; durch die grössere Zahl der Probanden und den Vergleich mit einer Kontrollgruppe handelt es sich hier um wesentlich robustere Ergebnisse», so Prof. Amant. Er ergänzte einige Limitationen: «Unsere Daten schliessen verschiedene Chemotherapien ein, wir können aber nicht garantieren, dass alle Chemotherapien sicher sind. Auch eine Extrapolation der Daten auf neuere Substanzen ist nicht möglich.» Ein Follow-up der Studie zur Prüfung von eventuellen Langzeitfolgen der Kinder bis zum Alter von 18 Jahren ist vorgesehen. I
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Quellen: 1. Amant, F et al.: Pediatric outcome after maternal cancer diagnosed during pregnancy. New England Journal of Medicine, Published online at: www.nejm.org/doi/ full/10.1056/NEJMoa1508913 2. Medienkonferenz/-mitteilung anlässlich des ECC; 28. September 2015.
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