Transkript
DIE SGE INFORMIERT
Genuss und Gesundheit bis ins hohe Alter – Realität oder Wunschdenken?
VIVIANE BÜHR
Am 5. und 6. September fand die XII. Dreiländertagung der Schweizerischen, Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (SGE, DGE, ÖGE) statt. Die Hörsäle der ETH Zürich waren mit 500 Besuchern randvoll. Zum Thema «Geniessen und trotzdem gesund essen – und das ein Leben lang» diskutierten die Referenten, ob das genussreiche Essen schuld sei an der Übergewichtsepidemie und wie Fehlernährung und ihre Folgeerkrankungen bei älteren Menschen vermieden werden könnten.
«Es ist wichtig, dass Essen mit Genuss verbunden ist», sagte Prof. Wolfgang Langhans, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, «sonst wären wir längst ausgestorben.» Es sei von der Natur so eingerichtet, dass das Essen Spass mache. Der Genuss kann aber auch Probleme verursachen, denn aufgrund unserer Gene können wir den Verlockungen des heutigen Schlaraffenlands nur schlecht widerstehen. Sie sind noch an Hungerperioden aus früheren Zeiten gewöhnt und treiben deshalb ständig zum Essen an. Ebenfalls genetisch bedingt seien die Geschmackspräferenzen «süss» und «Fettgeschmack» sowie die negativen Bewertungen von bitterem und zum Teil saurem Geschmack, erklärte Prof. Nori Geary von der ETH Zürich. Andere Aversionen oder Präferenzen, zum Beispiel für scharfes Essen, sind erlernt.
Essen von vielen externen Faktoren gesteuert
Doch nicht nur die Gene, sondern auch Verfügbarkeit, Preis, Klima und Religion, aber auch Lebensmittelskandale und psychologische Faktoren wie Angst oder Stress spielen eine wesentliche Rolle bei der Nahrungsaufnahme. Univ. Doz. Dr. Ingrid Kiefer von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) zeigte auf, dass Ärger mit einem erhöhten Konsum von fett- und zuckerreichen Snacks und einem geringeren Verzehr von Hauptmahlzeiten und Gemüse assoziiert ist. Ernäh-
rungsexperten empfehlen zwar das Essen in sozialem Rahmen, Studien weisen jedoch darauf hin, dass die Portionengrösse mit der Anzahl am Essen beteiligter Personen zunimmt.
Vitamin-D-Mangel in der Überflussgesellschaft
Vor allem bei Knochenerkrankungen ist der Vitamin-D-Mangel als Ursache in der Vergangenheit unterschätzt worden. Jüngere Menschen bilden genügend Vitamin D über die Eigensynthese in der Haut, welche durch das Sonnenlicht gefördert wird. Diese Produktion nimmt aber mit dem Alter ab, weshalb viele ältere Menschen einen Vitamin-D-Mangel aufweisen, insbesondere wenn sie sich oft in geschlossenen Räumen aufhalten. Auch die Ernährung kann hier nicht viel weiterhelfen. Laut Prof. Langhans müsste man täglich zweimal Lachs essen, um genügend Vitamin D zu bekommen, und zwar Wildlachs, denn dieser enthält mehr Vitamin D als Zuchtlachs. Der Präsident der DGE, Prof. Dr. Peter Stehle, erwähnte sogar die Überprüfung einer Vitamin-DSupplementation für die breite Bevölkerung. Auch jüngere Menschen, die nicht regelmässig in der Sonne sind, würden davon profitieren. Er plädierte auch für eine routinemässige Erfassung des Ernährungszustands bei älteren Personen. Manchmal seien bis zu 70 Prozent der geriatrischen Patienten suboptimal ernährt. Prof. Dr. med. Heike A. Bischoff-Ferrari vom Universitätsspital Zürich wies in
ihrem Vortrag darauf hin, dass Vitamin D in der Lage sei, die Sturzrate bei älteren Menschen um bis zu 50 Prozent zu reduzieren.
Spezielle Herausforderungen der Ernährung im Alter
Der Präsident der ÖGE, Prof. Dr. Ibrahim Elmadfa, erklärte, wie physiologische Veränderungen im Alter den Nährstoffbedarf beeinflussen. Während die Körperfettmasse zunimmt, nehmen das Körperwasser sowie die Knochen- und die Muskelmasse ab, wodurch der Energiebedarf sinkt. Die Nährstoffempfehlungen für ältere Personen sind aus präventiven Überlegungen jedoch dieselben wie für jüngere Erwachsene, bei manchen Nährstoffen ist der Bedarf vermutlich sogar erhöht. Bei Senioren ist deshalb die sorgfältige Auswahl nährstoffreicher Lebensmittel besonders wichtig, um eine Unter- oder Mangelernährung zu vermeiden.
Korrespondenz: Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) Viviane Bühr, Öffentlichkeitsarbeit Schwarztorstrasse 87, 3001 Bern
Weitere Informationen zu den Referaten der Tagung sind auf der Website der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung unter der Rubrik «Veranstaltungen, Aus- und Weiterbildung» verfügbar: www.sge-ssn.ch
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