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STUDIE REFERIERT
Wie effektiv sind neue Antikoagulanzien bei tiefer Beinvenenthrombose?
Ein Vergleich mit herkömmlichen Gerinnungshemmern
Die tiefe Venenthrombose ist eine häufige und gefährliche Erkrankung mit mehreren therapeutischen Optionen. In einem Review der Cochrane Collaboration wurden Wirksamkeit und Sicherheit von oralen direkten Thrombinund Faktor-Xa-Inhibitoren untersucht.
Cochrane Database Systematic Reviews
Die tiefe Venenthrombose (deep vein thrombosis, DVT) betrifft etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung. Am häufigsten ist die tiefe Beinvenenthrombose. Falls eine DVT nicht sofort ausreichend behandelt wird, können gefährliche Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungenembolie (pulmonary embolism, PE) auftreten. Je nach Sensitivität der Untersuchungsverfahren findet man in über 80 Prozent aller Fälle von Lungenembolien eine ursächliche Beinvenenthrombose und bei bis zu 60 bis 70 Prozent eine oftmals asymptomatische Lungenembolie. Bisher wurde die DVT zumeist mit Antikoagulanzien wie unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin und Vitamin-K-Antagonisten (VKA) behandelt. Inzwischen wurden die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK), wie die oralen direkten Thrombininhibitoren
(DTI) und die oralen Faktor-Xa-Inhibitoren, entwickelt. In einem Review der Cochrane Collaboration wurde die Wirksamkeit von DTI und oralen Faktor-Xa-Inhibitoren zur Behandlung der DVT systematisch untersucht.
Studiendesign und -ziel
Die Recherche der Cochrane Collaboration bezog sich auf das spezialisierte Register in der Cochrane-Bibliothek sowie auf das Register für laufende Studien. Erfasst wurden alle randomisierten kontrollierten Studien bis Januar 2015, in welchen Patienten mit einem oralen DTI oder einem oralen FaktorXa-Inhibitor zur Behandlung einer DVT behandelt worden waren. Pimäre Endpunkte waren eine wiederkehrende venöse Thromboembolie (venous thromboembolism, VTE) und eine PE, wobei zwischen fataler PE mit
MERKSÄTZE
O Die tiefe Venenthrombose (DVT) ist eine häufige Erkrankung. Um gefährliche Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungenembolie zu vermeiden, muss sofort effektiv behandelt werden.
O Verglichen mit herkömmlichen Antikoagulanzien, wie Heparinen und VitaminK-Antagonisten, ergab sich bei DTI-Behandlung kein signifikanter Unterschied bezüglich der Rate wiederkehrender venöser Thromboembolien (VTE) und DVT, einer Lungenembolie (PE) sowie der Gesamtsterblichkeit. Die Gefahr für eine schwere Blutung war jedoch geringer.
O Verglichen mit konventionellen Antikoagulanzien ergab sich bei oralen FaktorXa-Inhibitoren kein signifikanter Unterschied bezüglich einer VTE und einer PE sowie der Gesamtsterblichkeit. Die Häufigkeiten einer wiederkehrenden DVT und die Blutungsgefahr waren jedoch bei Faktor-Xa-Inhibitoren geringer.
Todesfolge und nicht fataler PE unterschieden wurde. Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderen Gesamtsterblichkeit, postthrombotisches Syndrom oder unerwünschte Nebenwirkungen wie schwere Blutungen. Die aufgenommenen Studien waren von hoher Qualität. Das Risiko für eine Verzerrung (Bias), das heisst, systematisch von den «wahren» Ergebnissen abzuweichen, war gering.
NOAK wirksam und sicher
Aufgenommen in den Review wurden elf randomisierte und kontrollierte Studien mit insgesamt 27 945 Patienten. Drei Studien testeten orale DTI, davon zwei Dabigatran (z.B. Pradaxa®) und eine Ximelagatran. Acht Studien untersuchten orale Faktor-Xa-Inhibitoren, davon vier Rivaroxaban (z.B. Xarelto®), zwei Apixaban (z.B. Eliquis®) und zwei Edoxaban (z.B. Lixiana®). Der Evidenzgrad der Studien wurde als hoch eingestuft, da die Endpunkte ein direktes Ergebnis der Behandlung darstellten und die Effektschätzung konsistent und präzise war. Dies zeigte das schmale Konfidenzintervall für die Odds Ratio (OR). Eine Metaanalyse fasste die Ergebnisse von drei Studien mit insgesamt 7596 Teilnehmern zusammen. In den Studien waren orale DTI mit Standardantikoagulanzien wie Heparinen und VKA verglichen. Es ergab sich kein signifikanter Unterschied bezüglich einer wiederkehrenden VTE (OR: 1,09, 95%Konfidenzintervall [KI]: 0,80–1,49), einer wiederkehrenden DVT (OR: 1,08, 95%-KI: 0,74–1,58), einer fatalen PE (OR: 1,00, 95%-KI: 0,27–3,7) und einer nicht fatalen PE (OR: 1,12, 95%-KI: 0,66–1,9) sowie der Gesamtsterblichkeit (OR: 0,82, 95%-KI: 0,6– 1,13). Vorteil der DTI war jedoch, dass die Gefahr einer schweren Blutung geringer war (OR: 0,68, 95%-KI: 0,47– 0,98) als in den Vergleichsgruppen. Eine weitere Metaanalyse fasste die Resultate von acht Studien mit insgesamt 16 356 Teilnehmern zusammen. In den Studien waren orale Faktor-Xa-Inhibitoren mit Standardantikoagulanzien verglichen worden. Es ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich einer wiederkehrenden VTE (OR: 0,89, 95%-KI: 0,73–1,07). Bei oralen Faktor-Xa-Inhibitoren war jedoch die Häufigkeit einer wiederkeh-
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renden DVT geringer (OR: 0,75, 95%KI: 0,57–0,98). Die Raten fataler (OR: 1,2, 95%-KI: 0,71–2,03) und nicht fataler PE (OR: 94, 95%-KI: 0,68–1,28) sowie der Gesamtsterblichkeit (OR: 0,9, 95%-KI: 0,65–1,23) waren in beiden Gruppen ähnlich. Die Blutungsgefahr war bei den Faktor-Xa-Inhibitoren jedoch geringer (OR: 0,57, 95%-KI: 0,43–0,76). Keine der Studien untersuchte die gesundheitsbezogene Lebensqualität oder das Auftreten eines postthrombotischen Syndroms.
Fazit NOAK wie Thrombin- und Faktor-XaInhibitoren stellen im Vergleich zur konventionellen Antikoagulation eine sichere und effektive Therapieoption für eine akute DVT dar.
Claudia Borchard-Tuch
Robertson L et al.: Oral direct thrombin inhibitors or oral factor Xa inhibitors for the treatment of deep vein thrombosis. Cochrane Database Syst Rev 2015; 6: CD010956.
Interessenkonflikte: keine deklariert