Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 18.3.2015
HPV-Impfung von Knaben und jungen Männern
Liliane Maury Pasquier Ständerätin SP Kanton Genf
Seit 2007 wird die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für alle Mädchen und jungen Frauen in der Schweiz empfohlen, um Gebärmutterhalskrebs vorzubeugen. Seit März 2015 empfehlen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eidgenössische Kommission für Impffragen die Impfung nun auch für Knaben und junge Männer als ergänzende Impfung zur Krebsprävention und zur Prävention von Genitalwarzen. Im BAG-
Bulletin Nr. 10 vom 2. März 2015 wird eine Schätzung der Zahl der Frauen und Männer, die an mit HPV-16 und HPV-18 assoziiertem
Krebs erkranken – also die Fälle, die mit einer Impfung theoretisch verhindert werden könnten –, veröffentlicht. Die Schätzung stützt sich auf Zahlen des Nationalen Instituts für Krebsepidemiologie und -registrierung und auf international erhobene Daten für die Jahre 2007 bis 2011. In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Gibt es, neben der für 2016 an-
gekündigten Studie «CIN3 plus», Daten für die Schweiz, die die Wirkung der im Jahr 2007 gestarteten Kampagne zur Impfung von Mädchen berücksichtigen? 2. Das BAG weist in seinem Bulletin darauf hin, dass die Kosteneffektivität des Einbezugs von Männern nicht bestimmt werden kann, weil dafür die Daten fehlen. Ist eine solche Studie zu den Männern geplant und, wenn ja, innerhalb welcher Frist? 3. Hätten nicht die Resultate der «CIN3 plus»-Studie abgewartet werden müssen oder hätte nicht eine umfassende Studie zu den Männern durchgeführt werden müssen, bevor die Impfkampagne auf die Knaben und jungen Männer ausgedehnt wird? 4. Hat der Bundesrat Kenntnis von Studien, die untersuchen, wie sich die Impfung auf die Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs (weniger Kontrollen) und auf das Sexualverhalten der geimpften Personen (Rückgang von Verhaltensweisen, mit denen die Risiken der Ansteckung mit einer sexuell übertragbaren Krankheit reduziert werden) auswirkt?
Antwort des Bundesrates vom 20.5.2015
1. Seit der Veröffentlichung der Empfehlung zur Basisimpfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen und junge Frauen im Jahr 2007 mit dem Ziel, Gebärmutterhalskrebs vorzubeugen, wurden unterschiedliche Daten gesammelt, analysiert und in verschiedenen Bulletins des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) sowie auf Websites veröffentlicht:
a. eine Erhebung bei den Kantonsärzten im Jahr 2009, um zu ermitteln, wie die kantonalen Impfprogramme umgesetzt wurden, sowie um erste Schätzungen zur Durchimpfung zu erhalten. Die Erhebung zeigte Unterschiede zwischen den Kantonen auf, ergab aber auch, dass es möglich ist, eine gute Durchimpfung zu erreichen, zum Beispiel eine Durchimpfung von 70 bis 80 Prozent bei den Jugendlichen in den Kantonen Wallis und Jura;
b. die nationalen Durchimpfungserhebungen, die routinemässig alle drei Jahre in allen Kantonen durchgeführt werden, wobei jedes Jahr jeweils ein Drittel der Kantone erfasst wird, ergaben eine allmähliche Zunahme der Durchimpfung, die derzeit im gesamtschweizerischen Durchschnitt bei den 16-Jährigen 51 Prozent erreicht;
c. eine Bevölkerungsbefragung wurde 2014 durchgeführt (siehe Antwort 4);
d. die bei Swissmedic gemeldeten unerwünschten Impferscheinungen wurden analysiert und veröffentlicht. Sie deuten auf eine gute Verträglichkeit der Impfung hin: Zwischen 2007 und 2014 gingen in der Schweiz 167 Meldungen von unerwünschten Ereignissen, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung standen, ein. Diese stehen im Verhältnis zu etwa 200 000 im selben Zeitraum geimpften Personen. Die Mehrheit der gemeldeten Nebenwirkungen (62%) wurde als nicht schwerwiegend erachtet. Sechs Jahre nach der Einführung der Impfung bei Mädchen zwischen 11 und 14 Jahren in der Schweiz ist es noch zu früh, um die Wirkung auf die Entstehung von Krebsvorstufen
oder Krebserkrankungen am Gebärmutterhals zu messen, da viel Zeit zwischen einer Infektion und dem Auftreten von Veränderungen vergeht. Die kantonalen Krebsregister erfassen Krebsvorstufen dritten Grades und mehr («CIN3 plus»; «3» gibt den Grad der Zellveränderung auf einer Skala von 1 bis 3 – also schwerwiegend – an, und «plus» bedeutet, dass es sich um einen invasiven Krebs handelt). Es wird somit möglich sein, die Entwicklung der Häufigkeit des Auftretens im Verlauf der kommenden Jahre zu analysieren. Mit der Studie «CIN3 plus» soll ein routinemässiges System zur Überwachung der Auswirkungen der Impfung etabliert werden. Dabei werden auch Informationen zum Impfstatus der Frauen und zum Vorkommen der verschiedenen HPV-Typen in den Zellveränderungen erfasst. Derzeit handelt es sich um eine Pilotstudie in sechs Kantonen. Die ersten Ergebnisse werden 2016 erwartet. Eine Publikation wird dann folgen. 2. In seinem Bulletin Nr. 10 vom 2. März 2015 hält das BAG fest, dass derzeit für die Schweiz keine unabhängige und öffentlich zugängliche Kosten-Effektivitäts-Analyse der Impfung von Knaben vorliegt. Die verfügbaren Analysen liefern gewisse hilfreiche Anhaltspunkte, beruhen aber auf einer Reihe von Annahmen, die Unsicherheiten beinhalten. Insbesondere ist die Wirksamkeit der Impfung gegen gewisse Krebsarten wie jene im Mund- und Rachenraum noch unbekannt. Vor diesem Hintergrund ist derzeit keine Kosten-Effektivitäts-Studie für die Impfung der Männer in der Schweiz vorgesehen. Der Nutzen einer Studie kann zu einem späteren Zeitpunkt neu geprüft werden. 3. Die Ergebnisse der Studie «CIN3 plus» zu Krebsvorstufen oder Krebserkrankungen am Gebärmutterhals bei Frauen in der Schweiz sind nicht dienlich, um über eine Impfempfehlung für Knaben und Männer zu entscheiden. Die Ergebnisse der heute vorlie-
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genden klinischen Studien zu Immunogenität, Wirksamkeit und Sicherheit der Impfung bei Knaben und Männern und die beobachteten Auswirkungen der Impfung von jungen Mädchen und Frauen in anderen Ländern werden als ausreichend erachtet, um die HPVImpfung für Knaben und junge Männer in der Schweiz als ergänzende Impfung zu empfehlen. Die ergänzende Impfung dient dem individuellen Schutz von Personen, die sich optimal vor seltenen, aber schwerwiegenden Krankheiten (Krebserkrankungen im Ano-Genital-Bereich) oder häufigen, aber gutartigen Erkrankungen (Genitalwarzen) schützen möchten. Es wird kein Durchimpfungsziel definiert, welches unter dem Blickwinkel der öffentlichen Gesundheit erreicht werden soll, und es ist keine Impfkampagne für diese Bevölkerungsgruppe vorgesehen. 4. Das BAG hat 2014 eine Bevölkerungsbefragung bei 2414 Frauen zwischen 18 und 24 Jahren und 1174 Frauen zwischen 25 und 49 Jahren in Auftrag gegeben zu ihrer Einstellung zur Impfung und zur Vorsorgeuntersuchung von Gebärmutterhalskrebs wie auch zu ihrem Sexualverhalten. Die wichtigsten Ergebnisse werden demnächst im Bulletin des BAG veröffentlicht (2. bis 3. Quartal 2015). Sie deuten darauf hin, dass die HPV-Impfung nicht zu weniger Vorsorgeuntersuchungen führt. Im Gegenteil, geimpfte Frauen sind tendenziell häufiger als nichtgeimpfte der Ansicht, dass Kontrollen nach der Impfung ebenso häufig vorgenommen werden müssen. Es zeigte sich auch, dass 92 Prozent der befragten Frauen der Meinung sind, dass Kondome ebenso häufig zu verwenden sind, wenn man geimpft ist, wie wenn man es nicht ist.
Stand der Beratung: im Rat noch nicht behandelt.
INTERPELLATION vom 19.6.2014
Genügen die Massnahmen des Bundes gegen die zunehmenden Zecken-Risiken?
Kathi Riklin
Nationalrätin CVP Kanton Zürich
Die Antwort des Bundesrates auf meine Interpellation zu Massnahmen gegen Zecken-Risiken führt zu folgenden weiteren Fragen: 1. Das Schweizerische Kompe-
tenzzentrum für Zeckenkrankheiten wurde 2013 aufgegeben. Öffentlichkeit und Ärzteschaft wurden nie sichtbare Ergebnisse kommuniziert. a. Wie viele Mittel wurden diesem direkt oder indirekt vom Bund zur Verfügung gestellt? b. Ist der Bund der Meinung, dass sich der Aufwand gelohnt hat? c. Was war aus seiner Sicht oder des BAG der Nutzen und Ertrag dieses Projektes? d. Hat man es aufgegeben, weil es nichts gebracht hat? e. Wenn Letzteres der Grund war, wieso hat man es nicht verbessert? Die Absicht war ja ursprünglich eine sehr gute, sinnvolle und unterstützungswürdige.
2. Ist ein Programm, sei es in der Forschung, Prävention oder Epidemiologie der Zeckenkrankheiten geplant?
3. Zur FSME-Impfung. Die ZeckenRisiko-Gebiete erstrecken sich inzwischen über weite Gebiete der Schweiz. Auch letztes Jahr kamen wieder etwa 100 schwere FSME-Fälle mit Invalidität oder mit Teilinvalidität hinzu. Dies müsste nicht sein, wenn die Bevölkerung geimpft wäre. Die Grundimpfung, die einmal im Leben durchgeführt werden muss, besteht bekanntlich aus 3 Teilimpfungen: 1. Teilimpfung zu Beginn, nach 14 Tagen bis 3 Monaten erfolge die 2. Teilimpfung. Nach der 2. Teilimpfung ist man für 1 Jahr geschützt. 5 bis 12 Monate nach der 2. Teilimpfung wird noch eine 3. Teilimpfung durchgeführt, die dann für 10 Jahre schützt. Alle 10 Jahre wird dann eine einmalige Rappelinjektion durchgeführt. Eine statistisch signifikante Umfrage an über 2000 Personen im Jahr 2014 zeigte, dass 69 Prozent der Bevölkerung die erste Teilimpfung machen liessen. Leider liessen
aber nur noch 31 Prozent die 2. Injektion durchführen. Korrekt und Langzeit-geimpft für 10 Jahre mit einer 3. Injektion sind aber nur gerade 18 Prozent, was völlig ungenügend und bedenklich ist. In Österreich sind vergleichsweise über 95 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft! Die Untersuchung zeigt, dass sowohl die Ärzteschaft als auch die Bevölkerung vor allem die 3. Injektion vergessen. Ein einfaches Kontrollsystem durch die Impfperson wäre von grossem Nutzen. Wie will das BAG eine bessere Impfrate erzielen? 4. Ist das BAG bereit, im Frühsommer eine Kampagne zu den Zeckenrisiken – ähnlich der AidsKampagnen – zu lancieren?
Stand der Beratung: im Rat noch nicht behandelt.
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