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Metabolisches Syndrom erhöht die Salzempfindlichkeit
Zentrale Rolle der Niere bisher unterschätzt
Patienten mit Bluthochdruck und metabolischem Syndrom wird oft zur Restriktion ihrer Salzaufnahme geraten. Dass dies eine gute und wissenschaftlich basierte Empfehlung ist, wird durch aktuelle Studien bestätigt. Denn insbesondere Menschen mit einem metabolischen Syndrom haben tatsächlich eine höhere Salzempfindlichkeit.
P atienten mit einem metabolischen Syndrom weisen eine Vielzahl von Stoffwechselstörungen auf. Dazu zählen Adipositas, Dyslipidämie, erhöhte Blutzuckerspiegel und Diabetes, erhöhte Harnsäurespiegel sowie zum Teil auch die Hypertonie, da sie mit all diesen Stoffwechselveränderungen offenbar im Zusammenhang steht. «Ich denke, dass die Insulinresistenz die Basis all dieser metabolischen Störungen ist», postulierte Prof. Michel Burnier vom Service de Néphrologie aus Lausanne. Und zwischen dem Insulin und der
Salzempfindlichkeit des Organismus bestehen, wie man heute weiss, kausale Zusammenhänge.
Michel Burnier
Konzept der Salzempfindlichkeit Nach Einschätzung von Burnier steht heute fest, dass der Blutdruck auf Änderungen der Salzaufnahme reagiert – jedoch: «In der Antwort auf die Salzaufnahme sind nicht alle Menschen gleich», betonte Burnier. Es gibt keinen internationalen Konsens, wie man genau «Salzsensitivität» definieren
Metabolische Risikofaktoren erhöhen Salzempfindlichkeit
Abbildung: Alters- und geschlechtsadjustierter Anteil an Patienten, welche die Kriterien einer Salzempfindlichkeit (definiert als Veränderung des durchschnittlichen arteriellen Blutdrucks über mehr als 5 mmHg, Steigerung während salzreicher bzw. Minderung während salzarmer Diätphase) erfüllten. Quelle: nach Chen et al. (1)
soll. Daher wird immer noch nach einfachen und preisgünstigen Markern der Salzempfindlichkeit gesucht – nicht nur für die Praxis, sondern auch für entsprechende Studien, in denen dieser Faktor bis heute als nicht messbar gilt. Als Goldstandard gilt heute am ehesten die Exposition im Vergleich: eine Woche salzarme Diät und danach eine Woche salzreiche Diät, mit regelmässigen Blutdruckmessungen. Bereits bekannt sind dagegen verschiedene Faktoren, die mitder Salzempfindlichkeit assoziiert sind: Alter, Blutdruckstatus, Nierenfunktion, metabolisches Syndrom, Adipositas, hormonelle und genetische Faktoren. Diese Faktoren hängen zum Teil zusammen, denn mit dem Alter lässt beispielsweise die
«In der Antwort auf die Salzauf-
nahme sind nicht alle Menschen
gleich.»
Nierenfunktion nach, und durch die verminderte Fähigkeit zur Natriumausscheidung reagiert der Körper empfindlicher auf die Salzaufnahme. Hypertonie gilt nicht nur als Folge, sondern per se als Risikofaktor für die Salzempfindlichkeit.
Klärung der Kausalität Nachdem also eine Assoziation für viele metabolische Faktoren identifiziert worden war, stellte sich die Frage nach der Kausalität. Wie Burnier berichtete, gibt es hierzu nur eine grosse Studie (1): In einer chinesischen Untersuchung erhielten 1906 Erwachsene (> 16 Jahre) für jeweils sieben Tage zunächst eine salzarme (3 g bzw. 51,3 mmol Na/Tag) und dann für weitere sieben Tage eine salzreiche Diät (18 g bzw. 308 mmol Na/Tag). Salzempfindlichkeit wurde definiert als Veränderung des mittleren Blutdrucks um über 5 mmHg im Vergleich zur normalen Salzaufnahme. Sowohl unter der salzarmen als auch unter der salzreichen Diät kam es zu Blutdruckveränderungen: In der salzarmen Phase sanken der systolische wie auch der diastolische Blutdruck, in der salzreichen Phase erhöhten sich beide. Interessant war dabei die Beobachtung, dass diese Veränderungen bei Patienten mit einem metabolischen Syndrom jeweils stärker ausfielen. Je mehr metabolische Risikofaktoren bei einem Patienten vorlagen, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass bei ihm eine Salzempfindlichkeit nachweisbar war (Abbildung).
26 Kardiologie • August 2015
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Weniger Salz für die westliche Welt
In der westlichen Welt sei der Salzkonsum viel
höher als notwendig, gab Prof. Francesco P.
Cappuccio von der Warwick Medical School aus
Coventry (GB) zu bedenken. Dies ist nach sei-
ner Einschätzung eine wesentliche Ursache für
die Zunahme an Hypertonie und kardiovasku-
lären Erkrankungen. Er plädierte daher für
eine generelle Salzrestriktion: «Es funktioniert
bei allen: Sobald man die Salzaufnahme redu-
ziert, reduziert man auch den Blutdruck.» Die
Salzrestriktion reduziert darüber hinaus auch
Francesco Cappuccio das Risiko für eine Verschlechterung einer dia-
betischen Nephropathie. Insbesondere im Ma-
nagement von Diabetes und metabolischem Syndrom sollte, so seine For-
derung, eine moderate Reduktion der Salzaufnahme als wichtiges Ziel
angesehen werden. Daher sollten die Leitlinien zum Hypertonie- und Diabe-
tesmanagement entsprechend angepasst werden und als ersten Schritt,
noch vor der medikamentösen Therapie, die moderate Salzrestriktion auf-
nehmen.
AZA
Zentrale Rolle der Niere
Für den Zusammenhang zwischen dem metabolischen Syndrom und der Salzempfindlichkeit spielt nach Einschätzung von Burnier die Niere eine zentrale Rolle: «Wenn wir über Salzempfindlichkeit und metabolisches Syndrom sprechen, müssen wir über die Niere sprechen, denn dort wird die Salzexkretion reguliert.» Es gebe selbstverständlich auch Zusammenhänge, die sich über das sympathische Nervensystem sowie hormonelle Regelkreise erklären lassen. Doch auch diese wirken über ihre Einflüsse auf die Niere, wie zum Beispiel das Renin-Angiotensin-System. Aus der zentralen Bedeutung der Insulinresistenz stellt sich aber in erster Linie die Frage, wie Insulin an der Niere wirkt. Das ist, wie man heute weiss, komplizierter als ursprünglich angenommen, denn nicht alle Kompartimente der Niere reagieren gleich auf Insulin, betonte Burnier: «Es ist in der Tat wie die zwei Seiten einer Münze.» Auf der einen Seite wirkt Insulin auf die Gefässe und die Glomeruli. Dort hat Insulin direkte Effekte auf die renale Hämodynamik, aber auch auf die Podozyten (Filterzellen in den Glomeruli). Bei Diabetikern und Patienten mit metabolischem Syndrom ist hier die Entwicklung einer Insulinresistenz, ebenso wie in der Leber und im Muskelgewebe, zu beobachten.
Dagegen kommt es an den Tubuli selbst bei Vorliegen dieser metabolischen Erkrankungen zu keiner Insulinresistenz. Dort sind in allen Segmenten Insulinrezeptoren nachweisbar, und Insulin führt an den Tubuli zur vermehrten Resorption von Natrium – und somit zur Salzsensitivität (2). Die Hyperinsulinämie ist also die Ursache der erhöhten Salzempfindlichkeit bei Personen mit Diabetes und metabolischem Syndrom, und der Grund für diesen Zusammenhang ist nicht so sehr die Insulinresistenz der renalen Blutgefässe, sondern vielmehr die weiterhin vorhandene Insulinempfindlichkeit an den Nierentubuli.
Adipositas und Salzempfindlichkeit Im Krankheitskomplex des metabolischen Syndroms gibt es noch weitere Faktoren, welche die Salzempfindlichkeit beeinflussen. Auch bei der Adipositas spielt das Renin-AngiotensinAldosteron-System eine wichtige Rolle. Ein wichtiger Link zum Salzmetabolismus ist hier das Aldosteron: In Adipozyten wurden bereits alle Komponenten des Renin-Angiotensin-Systems gefunden. Das von den Adipozyten produzierte Angiotensin II beeinflusst die Salzretention und erhöht den Blutdruck. Darüber hinaus produziert das Fettgewebe auch Fettsäuren, die wiederum in der Nebenniere die Produktion von Aldosteron stimulieren können. Dieses erhöht die Natriumresorption in der Niere und damit auch die Salzempfindlichkeit. Für den Kausalzusammenhang zwischen Adipositas und Salzempfindlichkeit gibt es also deutliche Hinweise. Hierbei sind vermutlich verschiedene Hormonsysteme beteiligt, wobei offensichtlich dem Aldosteron eine wichtige Rolle zukommt. Darüber hinaus tragen wohl auch weitere Adipositas-assoziierte Faktoren, wie Schlafapnoe und chronische Nierenerkrankung, zur Salzempfindlichkeit der betroffenen Patienten bei. Schliesslich bleibe noch die Frage nach der Rolle der Harnsäure, betonte Burnier: «Ist sie im Rahmen der Hypertonie ein unbeteiligter Begleiter oder ein aktiver Mechanismus?» Seine Antwort: Auf die Salzempfindlichkeit selbst scheint die Harnsäure keinen Einfluss zu haben. Allerdings kann es bei schwerer Hyperurikämie aufgrund der Harnsäure-bedingten Nierenschäden im weiteren Verlauf zur Erhöhung der Salzempfindlichkeit kommen.
Adela Žatecky
Referenzen: 1. Chen J et al.: Metabolic syndrome and salt sensitivity of blood pressure in non-diabetic people in China: a dietary intervention study. Lancet 2009; 373: 829–835. 2. Hale LJ u. Coward RJ: Insulin signalling to the kidney in health and disease. Clin Sci (Lond) 2013; 124 (6): 351–370.
Take Home Messages
Quelle: Breakfast-Workshop «Salt and diabetes» beim ESH 2015, 14. Juni 2015 in Mailand.
• Bei Patienten mit metabolischem Syndrom erhöht Insulin die tubuläre Resorption von Natrium in allen Tubussegmenten. Die Tubuli der Niere weisen auch beim metabolischen Syndron keine Insulinresistenz auf.
• Der Hyperinsulinämie-bedingte Anstieg der Natriumresorption ist ein wichtiger pathogenetischer Mechanismus in der Entwicklung der erhöhten Salzempfindlichkeit von Patienten mit metabolischem Syndrom.
• Es gibt wissenschaftliche Hinweise auf einen Kausalzusammenhang zwischen Adipositas und vermehrter Salzempfindlichkeit.
• Harnsäure hat per se keinen Einfluss auf die Salzempfindlichkeit, allerdings kann ein Harnsäure-bedingter Nierenschaden zur Salzempfindlichkeit beitragen.
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