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Allergo goes App
Mit neuen Medien zur besseren Allergiekontrolle
Immer dann, wenn die Pollen reichlich fliegen, suchen Betroffene auch ausserhalb der Arztpraxen nach Hilfe und Informationen. Dabei wenden sie sich auch immer mehr neuen Kommunikationsmitteln zu. Hierfür stehen mittlerweile ausgefeilte Apps zur Verfügung, die nicht nur eine gezielte Information der Betroffenen, sondern auch eine Protokollierung der Symptomatik und Therapie sowie letztlich auch die wissenschaftliche Auswertung dieser Daten ermöglichen.
I n der Schweiz weisen 35 Prozent der Betroffenen allergische Sensibilisierungen auf, und 25 bis 30 Prozent reagieren dabei auf Inhalationsallergene. Unter einer Pollenaller-
gie leiden 15 bis 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung, unter
einem Asthma bis zu 15 Prozent der Kinder und bis zu 8 Pro-
zent der Erwachsenen. Diese Zahlen nannte
Sereina Maibach, aha! Allergiezentrum
Schweiz, aus Bern. Mit diesen Betroffenen
hat die Stiftung aha! tagtäglich zu tun. Um
möglichst vielen Betroffenen helfen zu kön-
nen, werden mittlerweile nicht nur die klas-
sischen Informationswege, wie zum Beispiel
das Beratungstelefon, angeboten. aha! Al-
lergiezentrum Schweiz engagiert sich auch
in der Entwicklung neuer Angebote. Die viel-
fältigen Erfahrungen mit den verschiedenen
Sereina Maibach
Medien präsentierte Maibach auf dem Aller-
giekongress in Basel.
Ein nach wie vor wichtiges Instrument ist die aha!infoline, das
Beratungstelefon der Stiftung aha!. Unter dieser Hotline sind
die Beraterinnen jeweils halbtags zu erreichen. «Wir werden vor
allem von Betroffenen kontaktiert», so Maibach weiter. Früher,
bis 2012, war diese Hotline noch ganztags erreichbar. Die ge-
nutzten Informationsquellen haben sich gewandelt, was aber nicht bedeutet, dass die Zahl der ratsuchenden Patienten abgenommen hat. Nach Umstellung auf das Halbtags-Hotline-Angebot hat die Zahl der Telefonanrufe vorübergehend abgenommen, seit 2014 ist aber wieder eine Zunahme zu verzeichnen. Gleichzeitig hat sich die Zahl der E-Mail-Anfragen erhöht, von 336 im Jahr 2012 auf 609 im Jahr 2014. Insgesamt waren es 2014 etwa 1600 Betroffene, die per Hotline oder EMail beraten wurden. Diese Zahl mache deutlich, dass das Bedürfnis nach weiteren Informationen in der Bevölkerung vorhanden ist, betonte Maibach. Eine Auswertung der Fragen und Anliegen, mit denen sich Betroffene an das Allergiezentrum wenden, zeigt: Insbesondere bezüglich Pollenallergie und Asthma besteht Informationsbedarf. Bei näherer Betrachtung zeigt sich darüber hinaus im Jahresverlauf auch ein direkter Zusammenhang zwischen den Pollenflug-Peaks und der Zahl der Beratungen (siehe Abbildungen).
Allergiemanagement im Zeitalter der Smartphones Doch mit der Verbreitung der Smartphones ergaben sich neue Möglichkeiten der Informationsverbreitung. Daher wurden neben der Telefon- und E-Mail-Beratung mittlerweile auch
Die Apps für Allergiker der Stiftung aha!:
«Pollen-News»: Diese App stellt aktuelle Pollenflugprognosen für die Schweiz sowie wichtige Tipps zum Umgang mit einer Pollenallergie zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es Informationen zu allergenen Pflanzen sowie praktische Tipps zur Prävention und zum Umgang mit Allergien. Die App wird von der Stiftung aha! gemeinsam mit MeteoSchweiz betrieben. Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch.
«Asthma-Info»: Auch an dieser App ist MeteoSchweiz beteiligt. Sie ist für Asthmapatienten konzipiert und bietet daher auch die Möglichkeit der Protokollierung von Peak-Flow, Asthmasymptomatik in Asthma Control Test (ACT) sowie Lebensqualität. Das Protokoll lässt sich an den Arzt weiterleiten. Informationen zu Luftschadstoffen wie Ozon und Feinstaub sowie ein Ratgeber zum Umgang mit Asthma werden hier ebenfalls angeboten. Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch.
«e-symptoms»: Hierbei handelt es sich um ein elektronisches Tagebuch, mit dem Allergie- und Asthmabetroffene ihre Symptome und Beschwerden erfassen und mit Angaben über Lebensgewohnheiten oder Medikation ergänzen und aufbereiten können. Vor einer ärztlichen Konsultation liegen damit wichtige Daten aus der Selbstbeobachtung bereit, was eine präzise Diagnose unterstützt. Die Patienteninfos werden mit Umweltdaten wie Pollenflug, Wetterlage, Luftschadstoffbelastungen oder Ozonwert ergänzt. Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch.
2 Allergologie/Pneumologie • Juli 2015
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mehrere kostenlose Smartphone-Apps entwickelt, die eine zusätzliche Unterstützung der Betroffenen im Alltag ermöglichen (siehe Kasten).
Sobald die Pollen fliegen, steigt der Informationsbedarf Bei allen drei Apps lässt sich, ähnlich wie bei den aha!infoline-Kontakten, ein Peak der Downloads zur Haupt-Pollenflugsaison beobachten, betonte Maibach: «Wenn die Saison
da ist, ist auch das Bedürfnis nach Informationen da.» Ein weiteres Informationsmedium ist die Webseite www.pollenundallergie.ch, die in Zusammenarbeit mit MeteoSchweiz Pollendaten zur Verfügung stellt. Dabei ist eine gezielte Abfrage der Daten nach Region und allergenen Pflanzen möglich. Die Zugriffe auf diese Seite zeigen verständlicherweise ebenfalls die eindeutige Assoziation zur Pollensaison. Das Hauptziel all dieser Massnahmen ist es, die Lebensqualität von Patienten mit Allergien zu verbessern. Neben einer präzisen Diagnose und einer guten Therapie spielt hier die Information des Patienten über seine Erkrankung sowie über die aktuelle Pollenflugsituation eine wichtige Rolle, betonte Maibach. Es gibt allerdings noch eine weitere Nutzungsmöglichkeit, die bei «e-symptoms» realisiert wird: Die Daten werden zur wissenschaftlichen Auswertung verschlüsselt auf einen Server übermittelt, was aus Sicht des aha! Allergiezentrum Schweiz einen wichtigen Zusatznutzen für die Forschung ermöglicht. Durch die Auswertung der Daten können Zusammenhänge zwischen Pollenflug, sonstigen Wetterdaten, Symptomen und Therapie eingehender untersucht werden. So wird man für zukünftige Pollensaisons noch besser gewappnet sein.
Adela Žatecky
Quelle: Vortrag Sereina Maibach «Pollen and patients: focus on e-symptoms app» am SGAI-Kongress, 13. März 2015 in Basel.
Abbildungen: Beratungen zum Thema Pollenallergie 2013 im Vergleich mit der Pollensaison in der Schweiz.
Take Home Messages
• Bei Allergiepatienten besteht ein Bedürfnis nach weitergehenden Informationen zu ihrer Erkrankung.
• Apps bieten eine gute Möglichkeit, die Betroffenen zeitnah mit personalisierten Informationen zu versorgen.
• Die wissenschaftliche Auswertung der über die App «e-symptoms» gewonnenen Daten soll noch präzisere Voraussagen und Informationen für die Zukunft ermöglichen.
Anaphylaxie nach Bremsenstich
Bei anaphylaktischen Reaktionen auf Insektenstiche denkt man in Mitteleuropa in erster Linie an die Hymenopteren. Doch auch die Bisse und Stiche anderer Insekten können zu schweren allergischen Reaktionen führen. Über einen solchen Fall berichtete Dr. Oliver Brandt vom Universitätsspital Basel auf dem SGAI-Jahreskongress in Basel: Ein zehnjähriger Junge entwickelte Dyspnoe, Angioödeme im Gesicht, eine generalisierte Urtikaria, Sehstörungen und Parästhesien der unteren Extremitäten innerhalb von drei Minuten nach einem Insektenstich auf dem Rücken. Die Allergietestung auf Bienengift ergab zwar ein positives Ergebnis im Pricktest, einen Nachweis von spezifischem IgE (Bienengift: 21,50 kU/l, Api m 1: 0,92 kUA/l) sowie erhöhte IgG-Konzentrationen gegen Bienengift (7,36 mgA/l). Da aber die Basophilen nur eine leichte Aktivierung und nur
eine geringgradige Degranulation auf Bienengift zeigten und zudem der kleine Bruder als Zeuge des Ereignisses das Insekt als «grosse Fliege» beschrieb, wurden zusätzliche Untersuchungen mit Gesamtkörperextrakten von Bremsen (Tabanus spp.) durchgeführt. Dabei zeigten sich deutliche Erhöhungen von bremsenspezifischem IgE (4,18 kUA/l) sowie eine deutliche Basophilenaktivierung und -degranulation als Reaktion auf diesen Stimulus. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Major-Allergene in den Speicheldrüsen von Bremsen den Allergenen Api m 5 und Api m 2 der Biene ähneln. Daher erscheint es möglich, dass es sich bei der hier nachweisbaren Reaktivität auf Bienengift um eine Kreuzreaktivität aufgrund der Sensibilisierung gegen Bremsen handelt, erläuterte Brandt. Es ist aber auch eine echte Sensibilisierung gegen beide Insekten denkbar.
Foto: Dennis Ray/Wikimedia Commons
Die Kreuzreaktivität wurde hier jedenfalls therapeutisch genutzt: Da derzeit keine Bremsenextrakte zur Anwendung beim Menschen existieren, wurde bei dem beschriebenen Patienten eine bienengiftbasierte Immuntherapie eingeleitet. Diese Massnahme soll ihn in Zukunft vor allergischen Reaktionen sowohl auf Bienen- als auch auf Bremsenstiche schützen. AZA
Brandt O et al. Anaphylaxis after a horsefly (Tabanus spp.) bite. Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie, Poster A-P3.
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