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EDITORIAL
Im Fokus: Kolorektalkarzinom
D ie Karzinome des Kolons und des Rektums gehören zu den häufigsten Krebstodesursachen in den westlichen Industrienationen, speziell auch in der Schweiz. Gegenwärtig kann etwa die Hälfte aller Patienten mit einem neu diagnostizierten Karzinom des Kolons oder des Rektums chirurgisch geheilt werden. Adjuvante postoperative Therapiestrategien haben dazu beigetragen, dass weitere zirka 10 Prozent aller Patienten ihre Krebserkrankung überwinden können; sie bleiben ohne einen Krankheitsrückfall und sehen einer normalen Lebenserwartung entgegen. Für die verbleibenden 40 Prozent aller Erkrankten stehen heute palliative Therapiemodalitäten zur Verfügung, wie die zytostatische Chemotherapie, die Strahlentherapie, lokalablative Tumortherapieverfahren und biologische beziehungsweise immunologische Interventionsmöglichkeiten mit monoklonalen Antikörpern, nie-
Mehr Optionen verlangen
dermolekularen Signaltransduktionsinhibitoren und Kombinationen dieser verschiedenen therapeutischen Ansätze.
Prävention weiter vorantreiben Die wirkungsvollste Strategie, die Zahl der an den Folgen eines kolorektalen Karzinoms versterbenden Patienten zu verringern, wäre eine effektive Prävention; der zweitbeste Ansatz wäre eine verbesserte Früherkennung, um den Anteil definitiv kurativ behandelbarer Patienten zu erhöhen. Trotz umfangreicher epidemiologischer Forschung über Jahrzehnte und trotz einiger konsolidierter Erkenntnisse zu präventiven Einflüssen durch Ernährung, Sportverhalten und Lifestyle-Änderungen ist es bisher nicht gelungen, einen praktisch erkennbaren Effekt auf die Krankheitsstatistiken zu erreichen. Das Vorsorgeangebot der Gesundheitsversicherungen und Kostenträger ist mittlerweile gesetzlich verankert, aber Information und Akzeptanz in der Bevölkerung können noch wesentlich verbessert werden. Die Ärzteschaft und die Pflegenden haben hier ebenso ihren Beitrag zu verstärken wie die Gesundheits- und die Erziehungsbehörden. Anders als heutzutage die weibliche Brust ist der Darm und speziell der Enddarmbereich immer noch eine «Tabuzone» in unserer Gesellschaft.
Optimierte Therapie für alle Patienten Die Behandlung fortgeschrittener Kolon- und Rektumkarzinome hat in den vergangenen Jahren mittels neuer Medikamente und multimodaler The-
rapiestrategien die medianen Überlebenszeiten mehr als verdoppeln können. Hier hat sich die hervorragende Zusammenarbeit der kommunalen und universitären onkologischen Zentren in nationalen und internationalen Studiengruppen bewährt, unter der aktiven Teilnahme niedergelassener engagierter Onkologen. Dem therapeutischen Nihilismus, der vor zirka 20 Jahren noch weit verbreitet war, ist eine generelle Bereitschaft gefolgt, den Patienten angemessene Therapieangebote zu vermitteln. Wermutstropfen ist dennoch die insgesamt relative Langsamkeit, mit der die therapeutischen Fortschritte die betroffenen Patienten erreichen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in Europa und in der Schweiz (anders als in den USA) die Bereitschaft vieler Patienten zur Teilnahme an klinischen Studien noch wesentlich verbessert werden kann. Gegenwärtig werden weniger als 10 Prozent aller Patienten mit kolorektalen Tumoren innerhalb klinischer Studien behandelt. Eine wirksamere Informationspolitik seitens der Ärzteschaft, der Pflegenden, der Behörden und Kostenträger sowie der Medien wäre ein erster Schritt, die Studienakzeptanz zu erhöhen. Die Erkenntnisse aus grossen und gut konzipierten klinischen Studien über optimierte Therapieverfahren bei fortgeschrittenen Kolon- und Rektumkarzinomen müssen durch rasche Rekrutierung schneller verfügbar werden. Nur so können evidenzbasierte Therapiestandards für kolorektale Karzinome entwickelt werden. Die neuen Erkenntnisse der Forschung müssen begleitet sein von einer wirksamen Präventions- und Vorsorgeinformation im Verbund mit einer bereits in der Schule einsetzenden Gesundheitserziehung.
Prof. Dr. med. Alexander Knuth Direktor Klinik und Poliklinik für Onkologie
UniversitätsSpital Zürich
ONKOLOGIE 2/2004
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