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Schweizerische Menopausengesellschaft Société Suisse de la Ménopause Società svizzera di Menopausa
Homepage: www.menopausengesellschaft
Die neuen Empfehlungen zur HRT
Teil 1*: Therapie des klimakterischen Syndroms
Schweizerische Menopausengesellschaft
Die Schweizerische Menopausen-Gesellschaft (SMG) hat aktuell als Reaktion auf die breite Verunsicherung durch die Women’s Health Initiative (WHI) und diverser Folgepublikationen Empfehlungen zur Behandlung des klimakterischen Syndroms und zur Prävention und Behandlung der Osteoporose
herausgegeben. Die Empfehlungen wurden in Kooperation mit der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) und der Schweizerischen Vereinigung gegen Osteoporose (SVGO) erarbeitet. Ziel ist es, eine klare Orientierung im Dschungel der vorhandenen Daten zu schaffen.
Die Ausgangslage
Seit dem Erscheinen der ersten Auswertung der Women’s Health Initiative (WHI) im Jahre 2002 und diverser Folgepublikationen im Jahre 2003/2004 sowie der Million Women Study gab es sehr viele negative und häufig auch unsachliche Berichterstattungen zur Hormontherapie im Klimakterium (HRT, Hormone Replacement Therapy), sowohl in der Laienals auch in der Fachpresse. Aufgrund dieser kontroversen Diskussion wurden zunehmend die postmenopausalen Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden sowie die behandelnden Ärzte/Ärztinnen verunsichert mit der Folge, dass viele Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden keine Hormone mehr zur Therapie einnehmen möchten. So ist es nicht erstaunlich, dass ein Trend zu alternativen Therapien ohne Hormone, die oft miteinander kombiniert werden, feststellbar ist: Alternativen allerdings, deren Wirkung oft nur schlecht oder gar nicht belegt ist und deren Risiken ungenügend bekannt sind. Dies hat die Schweizerische Menopausengesellschaft (SMG) dazu veranlasst, Empfehlungen zu veröffentlichen. Es soll betont werden, dass es sich im vorliegenden Text nicht um einen Konsens sondern lediglich um Empfehlungen handelt, welche sich auf den heutigen
* Teil 2: «Praktische Empfehlungen zur HRT» in: GYNÄKOLOGIE 6/04 Teil 3: «Empfehlungen zur Osteoporoseprophylaxe und -therapie» in: GYNÄKOLOGIE 1/05
Stand der Erkenntnisse stützen. Ziel ist es, eine klare Orientierung im Dschungel der vorhandenen Daten zu schaffen. Es werden Empfehlungen zur Therapie des klimakterischen Syndrom und zur Prävention und Therapie der Osteoporose gegeben (siehe Teil 3).
Klimakterisches Syndrom: Hintergründe
Die Menopause ist ein natürliches Ereignis im Leben einer Frau. Sie tritt im Mittel mit 51 Jahren ein. Heute liegt die mittlere Lebenserwartung einer Frau bei rund 82 Jahren. Somit lebt die Frau nach der Menopause noch 30 Jahre in einem hormonellen Zustand, bei dem im Vergleich zu den Jahren vor der Menopause ein nachweisbares Östrogendefizit be-
steht. Dieses Defizit kann zu klimakterischen Beschwerden führen, insbesondere bei berufstätigen Frauen, die in einem städtischen Milieu leben. Das klimakterische Syndrom kann zu einer schwer wiegenden Beeinträchtigung der Lebensqualität und zu beruflichen Einschränkungen führen. Das klimakterische Syndrom wird durch den kombinierten Ausfall von den drei Hormonen Östrogenen, Gestagenen und Androgenen bewirkt. Die pathophysiologischen Mechanismen, welche bei der Auslösung des klimakterischen Syndroms wirksam sind, sind teilweise unbekannt. Eine Hauptrolle spielen die erniedrigten Östrogenspiegel, die bestimmte Zentren der Hirnbasis (Temperaturregulierungszentrum, Zentren zur Kontrolle des Herzrhythmus, Hypothalamus) massgeblich
Kasten: Definitionen
Klimakterium (= Perimenopause) Lebensabschnitt, welcher den Übergang von der fertilen zur nicht mehr fertilen Phase kennzeichnet und bis einem Jahr nach der Menopause andauert. Diese Lebensphase ist häufig mit Östrogenmangelbedingten Ausfallserscheinungen verbunden, dem so genannten klimakterischen Syndrom, und dysfunktionellen Blutungsstörungen.
Menopause Letzte spontane Menstruationsblutung; erfolgt zurzeit durchschnittlich mit 51 Jahren. Die letzte Menstruation kann erst als Menopause identifiziert werden, wenn es über einen Zeitraum von 12 Monaten nicht erneut zu einer Menstruation kommt.
Vorzeitige Menopause (= Klimakterium praecox) Eintritt der Menopause vor dem 40. Lebensjahr.
Klimakterium tardum Menopause nach dem 56. Lebensjahr.
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beeinflussen. Offenbar senden diese Zentren unvermittelte, unkontrollierte Impulse aus, die einerseits kardiale Palpitationen auslösen können, andererseits die Temperatur in der oberen Körperhälfte erhöhen. Dies wiederum verursacht Schwitzen, während die Palpitationen ein Gefühl von Stress verursachen. Das klimakterische Syndrom kann auch mit atypischen Symptomen vergesellschaftet sein, wie myokardinfarktähnliche Beschwerden, Veränderungen in der Augenfunktion, Abnahme der Tränensekretion (Kontaktlinsen werden nicht mehr vertragen) und Weichteilrheuma.
Diagnostik
Die Diagnostik des klimakterischen Syndroms sollte die Symptomatik, wichtige Risikofaktoren sowie bestimmte Untersuchungen beinhalten. Symptomatik und Risikofaktoren müssen anamnestisch erfasst und im Dossier vermerkt werden. Die Diagnose des klimakterischen Syndroms erfolgt primär klinisch. Eine Hormonanalyse kann zum Ausschluss anderer Hormonstörungen (Hyperthyreose, Hypothyreose, Diabetes mellitus) erforderlich sein und umfasst die Bestimmung der Werte von: FSH, LH, Östradiol, TSH, Prolaktin, eventuell Glukose nüchtern. Zur allgemeinen Diagnostik gehören: ◗ Symptomatik des klimakterischen
Syndroms (z. B. Anwendung der Menopause Rating Scale) ◗ Risikofaktoren für das Mammakarzinom ◗ Risikofaktoren für Osteoporose ◗ Kalziumbilanzierung Weiterhin indiziert sind: ◗ Gynäkologische Untersuchungen, Portiozytologie ◗ Vaginalsonografie und Darstellung der Morphologie von Uterus (Endometriumdicke) und Ovarien ◗ Mammografie Die weiterführende Diagnostik umfasst: Bei Risikofaktoren für eine Osteoporose wird die Osteodensitometrie mittels DEXA empfohlen. Bestehen keine Risikofaktoren für eine Osteoporose, empfiehlt
sich als kostengünstiges Screeningverfahren die Osteosonografie an der Ferse (allerdings nur im Alter zwischen 60 und 65 Jahren). Derzeit gilt die Osteosonografie weiterhin als ein umstrittenes Verfahren, welches nicht die diagnostische Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der DEXA-Methode erreicht. Beim Verdacht auf eine kardiovaskuläre Erkrankung soll an den entsprechenden Fachspezialisten (Kardiologe) überwiesen werden.
Tabelle 1: Symptome des klimakterischen Syndroms, welche bei zirka 85% der Frauen auftreten
Vasomotorische Symptome
Hitzewallungen (79%) Kopfschmerzen Schwindel Palpitationen Parästhesien
Psychische Symptome
Angstzustände Gereiztheit (51%) Depressionen (76%) Schlaflosigkeit (78%) Müdigkeit Vergesslichkeit Nervosität (61%)
Sexualität
Libidoverlust (79%)
Urogenitale Atrophie
Harnwegsinfekte Kolpitis Urininkontinenz Dyspareunie Pruritus vulvae
Hautveränderungen:
Trockenheit Haarausfall
Skelettverände- Osteoporose rungen:
Verdacht auf erhöhtes thromboembolisches Risiko Bei positiver Eigenanamnese (bei Thrombose oder Lungenembolie während der Schwangerschaft oder im Wochenbett) oder bei positiver Familienanamnese ist die Thrombophilie abzuklären. Hierbei sind folgende Bestimmungen empfehlenswert: ◗ Antithrombin III ◗ Protein C
◗ Protein S ◗ Faktor V-Mutation G 1691 A (Factor V
Leiden) ◗ Prothrombinmutation G 20210 A ◗ Plasma-Homozystein ◗ Faktor VIII Bei Harninkontinenz ist die urodynamische Untersuchung angezeigt. In der Differenzialdiagnose sind zu berücksichtigen: ◗ Hyperthyreose (Morbus Basedow) ◗ Subklinische Hypothyreose oder Thy-
reoiditis Hashimoto ◗ Hyperkalzämie ◗ Diabetes mellitus ◗ Kardiovaskuläre Erkrankungen (Myo-
kardinfarkt oder TIA) ◗ Psychiatrische Erkrankungen (Epilep-
sie, Depressionen, Psychosen) ◗ Psychosomatische Erkrankungen ◗ Phäochromocytom
Hormonale Therapien
Die Hormonsubstitution (HRT) ist nach wie vor die effektivste Therapie zur Linderung respektive Beseitigung klimakterischer Beschwerden. Unterschieden wird bei dieser Indikation die klassische HRT mit Östrogenen und/oder Gestagenen und der STEAR (= Selective Tissue Estrogenic Activity Regulator) mit Tibolon.
Klassische HRT mit Östrogenen und/oder Gestagenen Östrogene wirken als Agonist über Östrogenrezeptoren, Gestagene als Agonist über Progesteronrezeptoren. Letztere werden verwendet, um einer ungewollten Endometriumproliferation entgegenzuwirken. Die Effektivität einer Behandlung des klimakterischen Syndroms mit einem Östrogenpräparat ist wissenschaftlich bewiesen. Obwohl Frauen in den Wechseljahren auch ohne jegliche Hormongabe gesund bleiben und sich wohl fühlen können, sind Östrogene, Progesteron und Androgene mitentscheidend für das Wohlbefinden, den Stoffwechsel und die Lebensqualität. Unmittelbar nach Ausfall der ovariellen Funktion löst der Östrogenmangel bei bis
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zu 85 Prozent aller Europäerinnen klimakterische Beschwerden aus, die eine medikamentöse Behandlung notwendig machen können. Die Effektivität einer Behandlung des klimakterischen Syndroms mit einem Östrogenpräparat ist wissenschaftlich bewiesen.
STEAR STEAR (= Selective Tissue Estrogenic Activity Regulator) wirken als Agonist über Östrogenrezeptoren. Die Gewebeselektivität wird durch eine Prä-Rezeptorregulation erreicht. Derzeit gibt es in dieser Gruppe nur eine einzige klinisch verfügbare Substanz: Tibolon.
SERM Derzeit gibt es noch keine klinisch verfügbare Substanz der Klasse der SERM (Selektive Östrogen-Rezeptormodulator), welche für die Behandlung von klimakterischen Beschwerden eingesetzt werden kann.
Anwendung
1. Hormonale Therapie In der praktischen Durchführung der Substitutionsbehandlung mit Östrogenen und/oder Gestagenen beim klimakterischen Syndrom sind folgende Punkte zu beachten: 1. Das Endometrium
Die Behandlung mit Östrogenen muss mit einem Gestagenpräparat kombiniert werden, wenn die Gebärmutter noch vorhanden ist. Eine alleinige Behandlung mit Östrogenen bei noch vorhandenem Uterus führt zunächst zur Hyperplasie des Endometriums und nach einer Einnahmedauer von fünf Jahren in zirka 5 Prozent der Fälle schliesslich zur Bildung eines Endometriumkarzinoms. Bei fehlender Gebärmutter ist die zusätzliche Verabreichung eines Gestagens kontraindiziert. Im Rahmen von prospektiv-randomisiert durchgeführten Studien (WHI) konnte eindeutig gezeigt werden, dass in diesem Fall die Gabe eines Gestagens zusätzlich zum Östrogenpräparat nicht notwendig und eher schädlich ist.
Tabelle 2:
Substanz
Konjugierte equine Östrogene Mikronisiertes Östradiol Transdermales Östradiol Intranasales Östradiol Östradiolvalerat
Äquivalenzdosis bei klim. Beschwerden 0,625 mg täglich, oral 2 mg täglich, oral 50 µg pro 1/2 Woche 300 µg pro Tag 2 mg täglich, oral
Äquivalenzdosis bei Osteopenie 0,3 mg tägl., oral 1 mg täglich, oral 25 µg/1/2 Woche 150 µg pro Tag 1 mg täglich, oral
Die Dosis richtet sich nach dem Beschwerdebild der Patientin. Wenn eine längerfristige Therapie geplant ist, kann man von Anfang an mit der Patientin eine spätere Dosisreduktion vereinbaren, wenn das Beschwerdebild dies zulässt. Bei chronischen Lebererkrankungen sowie bei Verdacht auf Thrombophilie sollte die transdermale oder intranasale Verabreichung bevorzugt werden.
Tabelle 3:
Substanz Mikronisiertes Progesteron Medroxyprogesteron Levonorgestrel Dydrogesteron Norgestrel Norethisteronazetat (NETA)
Cyproteronazetat
Applikation oral, vaginal oral transdermal oral oral oral transdermal oral
Dosierung 100-200 mg/Tag 5-10 mg/Tag 1,5 mg/Pfl. 10-20 mg/Tag 0,5 mg/Tag 1 mg/Tag 2,7–4,8 mg/v 2 mg/Tag
Partialwirkung antimineralocorticoid eher neutral eher neutral neutral neutral androgen androgen antiandrogen
2. Die Wahl einer geeigneten Kombination Es existieren vier Möglichkeiten zur Kombination des Östrogen- und des Gestagenpräparates: ◗ Die umgekehrte sequenzielle Gabe: Kombination eines Östrogenpräparates und eines gonadotropinstatischen Gestagens, bei der letzteres zur Unterdrückung der endogenen Gonadotropinspiegel und damit zur Verhinderung der Ovulation eingesetzt wird. Progesteron selbst und die Retroprogesterone (wie Duphaston) garantieren die Unterdrückung der Ovulation nicht. Hier wird das Gestagenpräparat zusammen mit dem Östrogenpräparat in der ersten Zyklushälfte verabreicht, während in der zweiten Zyklushälfte ausschliesslich das Östrogenpräparat verabreicht wird. Diese Behandlung eignet sich sowohl für prämenopausale Frauen mit klimakterischen Beschwerden als auch zur Therapie im
ersten Jahr nach der vermeintlichen Menopause. ◗ Sequenzielle Behandlung: Kombination eines Östrogenpräparates mit einem Gestagenpräparat, bei der letzteres mindestens 10 Tage/ maximal 12 Tage pro Monat verabreicht wird. Das Gestagenpräparat bewirkt die sekretorische Umwandlung des Endometriums und schützt so vor einer Hyperplasie oder vor einem Endometriumkarzinom. Das Östrogenpräparat wird fortwährend, also ohne Unterbrechung, wie bei einem Ovulationshemmer, verabreicht. Nach Beendigung der Einnahme des Gestagenpräparates kann mit einer menstruationsähnlichen Blutung gerechnet werden. Dieses Schema eignet sich für die Behandlung der Frau in den ersten drei Jahren nach dem Eintreten der Menopause. ◗ Kontinuierlich-kombinierte Gabe: das Östrogenpräparat und das Gestagenpräparat werden parallel und kontinuier-
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lich verabreicht. Das verabreichte Gestagen wirkt als Antimitotikum auf das Endometrium und verhindert so die Bildung einer Endometriumhyperplasie (bzw. eines Endometriumkarzinoms). Bis auf eine leichte Schmierblutung in den ersten drei Monaten der Anwendung sollte dieses Schema mit einer Amenorrhö einhergehen. Dieses Schema eignet sich vorwiegend für die Frau, welche sich seit ungefähr drei Jahren in der Postmenopause befindet. Dieses Behandlungsprotokoll ist allerdings durch mehrere Studien mit einem geringgradig erhöhten Mammakarzinomrisiko negativ behaftet worden. ◗ Kontinuierliche Gabe eines Östrogens mit intrauteriner Anwendung des Gestagens (Gestagen-beladenes IUD): Diese Form der Gestagenverarbeitung garantiert einen Schutz des Endometriums vor dem Auftreten eines Endometriumkarzinoms. Es liegen aber noch nicht genügend Daten zum Auftreten von Mammakarzinomen vor, um dazu eine Aussage zu gestatten. Bei der Behandlung mit Tibolon ist eine zusätzliche Gabe eines Gestagens überflüssig.
Tabelle 4:
Vorgehen bei Nebenwirkungen eines östrogenhaltigen Präparats
Symptome Persistierende Wallungen Zyklusunregelmässigkeiten Meno- und Metrorrhagien
Gewichtszunahme
Mastodynie
Vorgehen Östrogendosierung erhöhen, bis die Symptomatik sistiert. Bei erhöhter Dosierung sollte die Einnahmedauer auf 6 Monate reduziert werden. Während den ersten 3 bis 6 Einnahmemonaten: abwarten! Vor Beginn der HRT muss über die Möglichkeit uteriner Blutungsstörungen und deren Verlauf informiert werden. Unter HRT und bei Endometriumsdicke >6 mm: fraktionierte Kurettage Ohne HRT und bei Endometriumsdicke <6 mm: Hydrosonografie Bei Unregelmässigkeiten des Endometriums: fraktionierte Kurettage und histologische Abklärung der Endometriumstruktur. Bei unauffälligem Endometrium und erneuter unerwarteter Blutung ist auf jeden Fall eine histologische Abklärung nach fraktionierter Kurettage nötig. 1 bis 2 kg sind durch hormonbedingte Natrium- bzw. Wasserretention möglich. Störende Gewichtszunahme (>2 kg) ist häufig bedingt durch den anabolen Partialeffekt des Gestagens. Gestagen mit geringerem androgenem Partialeffekt wählen (Progesteron oder Dydrogesteron) Häufig nur vorübergehend (3 bis 6 Monate) bei Status nach langjährigem Östrogenmangel. Bei stark störender Mastodynie: Östrogendosierung reduzieren oder Wechsel auf Tibolon.
3. Die Wahl eines geeigneten Östrogenpräparates Es stehen verschiedene Östrogene zur Auswahl, welche sich aufgrund des Verabreichungsmodus und der hepatischen Metabolisierung unterscheiden (vgl. Tabelle 2):
4. Die Wahl eines geeigneten Gestagenpräparates Zur Auswahl des geeigneten Gestagenpräparates stehen verschiedene Gestagene zur Verfügung, die sich nicht nur in der Art der Applikation und der Äquivalenzdosis, sondern auch hinsichtlich der Partialwirkung unterscheiden. Unter dem Begriff Partialwirkung werden die unterschiedlichen Nebenwirkungen verstanden, welche aufgrund der Positionierung der Gestagene am Ursprung der Metabolisierung sämtlicher Steroide entstehen.
Für die Auswahl des geeigneten Gestagenpräparates sind daher zusätzliche Symptomkomplexe (wie Hirsutismus, Akne, Seborrhoe und androgenetische Alopezie) oder anamnestische Auffälligkeiten (Libidomangel oder Ödeme) entscheidend (vgl. Tabelle 3)
5. Wahl eines geeigneten Kombinationspräparates Die pharmazeutische Industrie stellt eine Reihe von vorgefertigten Hormonkombinationen bereit, welche die Durchführung der Substitutionsbehandlung erheblich vereinfacht hat. Meistens handelt es sich um sequenzielle oder kontinuierlich-kombinierte Schemata.
2. STEAR Tibolon ist ein künstliches Hormon, das durch die Metabolisierung in der Leber in hormonwirksame Metabolite umgewan-
delt wird. Die Substanz gehört zur Wirkstoffklasse STEAR (s.o.), die je nach Gewebe eine selektive östrogene Aktivität, jedoch lokal auch gestagene oder androgene Wirkungen aufweist. Tibolon ist derzeit die einzige klinisch verfügbare Substanz dieser Gruppe. Es ist wirksam bei der Bekämpfung des klimakterischen Syndroms und bei der Vorbeugung der Osteoporose. Auf das Endometrium hat diese Substanz keinerlei proliferierende Wirkung, sodass uterine Blutungsstörungen unter Einnahme sehr selten sind. Zudem erhöht Tibolon, im Gegensatz zu den herkömmlichen östrogenhaltigen Präparaten, die mammografische Dichte der Brustdrüse nicht. Mastodynie ist selten. Aufgrund der androgenen Partialwirkung kann es libidosteigernd wirken. Im Gegensatz zur herkömmlichen HRT hat es eine eher günstige Wirkung auf die Gerinnungsparameter, wobei aber epidemiologische Daten noch fehlen.
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Tibolon ist damit geeignet bei ◗ der Behandlung des klimakterischen
Syndroms ◗ bei Uterus myomatosus oder bei
Adenomyosis uteri und klimakterischen Beschwerden ◗ als Add-Back-Therapie bei einer langfristigen Down-Regulation mit einem langwirkenden GnRH-Agonisten.
Kontraindikationen
Als absolute Kontraindikationen für eine östrogenhaltige HRT gelten. ◗ akute Thromboembolie ◗ aktuelles Mammakarzinom ◗ aktuelles Endometriumkarzinom ◗ chronische und akute Lebererkran-
kungen Als relative Kontraindikationen gelten differenzierte Vorgaben wie folgt: ◗ Verifizierte Thrombophilie Unter Abwägung der Risiken und des Beschwerdebildes der Patientin kann eine transdermale Substitution oder eine nicht-hormonale Therapie eingesetzt werden. ◗ Erhöhtes Mammakarzinomrisiko Bei positiver Familienanamnese kann die herkömmliche Östrogensubstitution restriktiv und nur nach eingehender Information der Patientin indiziert werden. Ein- oder zweijährige Mammografiekontrollen sind unerlässlich. ◗ Status nach Mammakarzinom Eine Behandlung mit einem Östrogenpräparat nach Mammakarzinom geht mit einem erhöhten Rezidivrisiko einher (HABITS-Studie). Daher müssen alternative Behandlungsmöglichkeiten bei der Beseitigung des klimakterischen Syndroms ausgeschöpft werden. Innerhalb der ersten fünf Jahre kann eine klassische Östrogensubstitution nur in absoluten Ausnahmefällen und nach eingehender Information der Patientin erfolgen. ◗ Koronare Herzkrankheit (KHK) Bei einer bekannten KHK sollte keine Hormonsubstitution eingeleitet werden. Bei der Diagnosestellung einer KHK und bei gleichzeitigem Bestehen klimakterischer Beschwerden kann eine Substituti-
onsbehandlung hingegen weitergeführt werden, da sie eine schützende Wirkung auf das Myokard ausübt. ◗ Hypercholesterinämie Vor Beginn einer HRT sollte ein Lipidprofil erstellt werden. Die Resultate können für die Wahl des Hormonpräparates mitentscheidend sein. Bei einer Hypercholesterinämie ist eine orale Substitutionsbehandlung empfehlenswert. Als Gestagen ist Progesteron oder Dydrogesteron zu verwenden. Jährliche Lipidkontrollen sind unerlässlich. ◗ Hypertriglyzeridämie Die transdermale HRT oder Tibolon werden bei dieser Diagnose bevorzugt. Regelmässige jährliche Kontrollen des Lipidprofils sind erforderlich. ◗ Endometriose Tibolon ist geeignet zur Add-Back-Therapie bei einer langfristigen Down-Regulation mit GnRH-Analoga. Die kontinuierlich-kombinierte Hormonsubstitution ist auch bei Zustand nach Hysterektomie empfehlenswert. ◗ Chronische Hepatopathie Bei schwerer Leberschädigung liegt aufgrund der ungenügenden Metabolisierungskapazität der Leber häufig eine chronische Hyperöstrogenämie vor. Wenn eine Hormonverabreichung notwendig ist, sollte nur eine transdermale oder intranasale Verabreichung erfolgen.
Nichthormonale Therapien
Für die Behandlung des klimakterischen Syndroms können auch nichthormonale Wirkstoffe verwendet werden. Schwach wirksam sind folgende Substanzen:
1. SSRI (Selektive Serotonin Reuptake Inhibitoren): Unter den Antidepressiva Venlafaxin und Fluoxetin kann es innerhalb von vier Wochen im Vergleich zu Plazebo zur mässigen Linderung der klimakterischen Beschwerden (Hitzewallungen) kommen. Diese Substanzen sind eher indiziert, wenn das klimakterische Syndrom auch mit einer antidepressiven Stimmung einhergeht.
2. Clonidin (0,1mg täglich)
Clonidin ist ein a-adrenerger Agonist («Alphablocker») und wird als Antihypertonikum eingesetzt. Es beeinflusst günstig die Zentren der Hirnbasis einschliesslich den Hypothalamus und verringert die zirkulierende Konzentration des Noradrenalins, welches massgeblich an der Entstehung der Hitzewallungen beteiligt ist. Clonidin ist deutlich weniger wirksam als eine herkömmliche Behandlung mit Hormonen.
3. Phytotherapeutika
Diese werden aus Pflanzen wie Cimici-
fuga racemosa gewonnen und können
bei leichten klimakterischen Beschwer-
den verwendet werden. Grosse, rando-
misierte, plazebokontrollierte Studien
zur Wirksamkeit fehlen. Die Langzeit-
wirkung von Phytotherapeutika auf
Brust und Blutgerinnung sind weit ge-
hend unklar.
◗
Vorstand der Schweizerischen Menopausengesellschaft (SMG),
unter Mitwirkung von: Prof. Dr. med. Martin Birkhäuser, Bern
PD Dr. med Bruno Imthurn, Zürich PD Dr. med. Marius Kränzlin, Basel Prof. Dr. med. German Marbet, Basel
Dr. med. C. Wölfle, Basel
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Christian De Geyter Präsident der Schweizerischen Menopausen-
gesellschaft (SMG)
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