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UPDATE
Bakterielle Schnelltests in der Schwangerschaft
Einsatz bei Verdacht auf Streptokokken-B-Infektion
Dr. med. Reinhard Zbinden
Bakterielle Schnelltests sind in der Regel für den Notfall gedacht und sollten deshalb rund um die Uhr verfügbar sein. Obwohl Schnelltests oft einfach sind, muss die kor-
rekte Handhabung gewährleistet sein. Zur Sicherheit werden die Resultate meistens mit konventionellen Methoden nachkontrolliert.
Für Schnelltests und die Suche nach Streptokokken der Gruppe B bei Schwangeren beziehungsweise bei Neugeborenen gilt: Gewisse Parameter müssten vor der Anwendung der Tests bekannt sein, um die Testresultate richtig interpretieren zu können und sie in die Therapieentscheidung einfliessen zu lassen. Die neuesten CDC-Richtlinien für das Screening von Streptokokken der Gruppe B schlagen eine routinemässige Kontrolle der Schwangeren in der 35. bis 37. Schwangerschaftswoche vor. Streptokokken der Gruppe B werden aus Vaginalabstrichen im Labor quasi zu 100 Prozent richtig identifiziert; dank den eingeführten Anreicherungsmedien beträgt die Sensitivität über 95 Prozent, sodass auch den negativen Kulturresultaten Vertrauen geschenkt werden kann (hoher negativer prädiktiver Wert). Wenn zum Zeitpunkt der Geburt kein Kulturresultat bekannt ist, wird in der Regel aufgrund von Risikofaktoren über eine Therapie entschieden.
Voraussetzungen für den Einsatz
An sich gibt es die Möglichkeit, aus dem Vaginal-/Analabstrich Streptokokken der Gruppe B mit einem Schnelltest* nachzuweisen. Dabei muss das Antigen der Streptokokken der Gruppe B zuerst extrahiert werden (zirka 15 Minuten), bevor es im Schnelltest (zirka 20 Minuten) nachgewiesen werden kann. Abbildung 1 zeigt auf dem Fagan-Diagramm aufgrund der Vortestwahrscheinlichkeit (entspricht der Prävalenz des Trägertums) und der «Likelihood Ratio» (aus Sensiti-
Abbildung 1:
Vor- und Nachtestwahrscheinlichkeit des Vorliegens von Streptokokken Gruppe B
Schnelltest aus Vaginalabstrich .1
.2
– Prävalenz von Streptokokken .3
der Gruppe B in der
1
35. SSW ist zirka 20%,
2
das heisst Vortestwahrscheinlichkeit : 20%
5 10
– Sens. des Tests: 82,5% Spez. des Tests: 91,8% «Likelihood Ratio» eines positiven Tests: 10 eines negativen Tests: 0.19
20
30 40 50 60 70 80
90
– Nachtest-Wahrscheinlichkeit 95
bei positivem Resultat: 72%
bei negativem Resultat: 4,5% 99
Pretest Probability
1000
500 200 100 50 20 10
5 2 1
.5 .2 .1 .05 .02 .01 .005 .002
.001
Likelihood Ratio
99
95 90
80 70 60 50 40 30 20
10 5
2 1 .5
.2 .1 Post-test Probability
Streptokokken-B-Infektion in der Schwangerschaft
Von grosser Bedeutung ist die Streptokokken-B-Infektion in der Geburtshilfe: Während der Neonatalzeit unterscheidet man zwischen der Early-Onset-Infektion, die als Sepsis verläuft und Frühund Neugeborene gleichermassen betrifft, und der Late-Onset-Infektion, die eher ältere Reifgeborene zwischen dem 6. Tag und 6 Wochen nach der Entbindung betrifft. Eine Risikosteigerung findet man bei vorzeitigem Blasensprung, Frühgeburtlichkeit, vorzeitigen Wehen, Entzündungszeichen der Mutter wie Leukozytose, einem erhöhten CRP, aber auch Fieber unter der Geburt. In diesem Fall senkt die antibiotische Prophylaxe mit zum Beispiel 3 x 2 g Ampicillin oder Amoxicillin die kindliche Infektionsrate signifikant.
Quelle: Friese, K., Schäfer, A., Hof, H.: Infektionskrankheiten in Gynäkologie und Geburtshilfe. Heidelberg 2003.
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GYNÄKOLOGIE 4/2004
UPDATE
Bakterielle Schnelltests in der Schwangerschaft
Abbildung 2:
Vor- und Nachtestwahrscheinlichkeit des Vorliegens von Streptokokken Gruppe B
Routinemässiger Schnelltest aus Urin bei Neugeborenem
.1 .2
– Prävalenz bei gesundem Neugeborenem: ca. 0.1%, das heisst Vortestwahrscheinlichkeit: 0.1%
.3 1 2
5 10
– Sens. des Tests: 95% Spez. des Tests: 95% «Likelihood Ratio» eines positiven Tests: 19 eines negativen Tests: 0.053
20
30 40 50 60 70 80
90
– Nachtest-Wahrscheinlichkeit 95
bei positivem Resultat 2%
bei negativem Resultat. 1%
99
Pretest Probability
1000
500 200 100 50 20 10
5 2 1
.5 .2 .1 .05 .02 .01 .005 .002
.001
Likelihood Ratio
99
95 90
80 70 60 50 40 30 20
10 5
2 1 .5
.2 .1 Post-test Probability
Abbildung 3:
Vor- und Nachtestwahrscheinlichkeit des Vorliegens von Streptokokken Gruppe B
Schnelltest bei Unsicherheit aus Urin bei Neugeborenem
.1 .2
.3
– Unklarheit für Kliniker,
1
Vortestwahrscheinlichkeit: 50% 2
– Sens. des Tests: 95% Spez. des Tests: 95% «Likelihood Ratio» eines positiven Tests 19 eines negativen Tests: 0.053
5
10
20
30 40 50 60 70 80
90
– Nachtest-Wahrscheinlichkeit 95
bei positivem Resultat: 95%
bei negativem Resultat: 5%
99
Pretest Probability
1000
500 200 100 50 20 10
5 2 1
.5 .2 .1 .05 .02 .01 .005 .002
.001
Likelihood Ratio
99
95 90
80 70 60 50 40 30 20
10 5
2 1 .5
.2 .1 Post-test Probability
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vität und Spezifität berechnet) bei einem
positiven beziehungsweise negativen Re-
sultat die Nachtestwahrscheinlichkeit
des Vorliegens von Streptokokken der
Gruppe B. Statistisch wird aufgrund ei-
nes positiven Resultates jede vierte Frau
unnötig behandelt. Der Schnelltest ist
bedeutend einfacher, wenn direkt im
Neugeborenenurin – ohne Extraktion –
die ausgeschiedenen Streptokokken der
Gruppe B-Antigen getestet werden kön-
nen. Das generelle Testen bei Neugebo-
renen ergibt unnötig viele falsch-positive
Resultate. Wenn für den Arzt die Vor-
testwahrscheinlichkeit einer Streptokok-
ken-Gruppe-B-Infektion 50 Prozent be-
trägt (Abbildung 3), dann kann dieser
Test ihn unterstützen, nicht unnötig An-
tibiotika zu geben. Wenn der Arzt einen
starken Verdacht auf Streptokokken-
Gruppe-B Infektion hat, hilft der Test
wohl nicht, da er selbst bei einem nega-
tiven Resultat therapieren würde.
Es werden in Zukunft sicher vermehrt
bakterielle Schnelltests angeboten, die
aber nur dann hilfreich eingesetzt wer-
den können, wenn Parameter wie Sen-
sitivität und Spezifität bekannt sind und
bei der Testung die Vortestwahrschein-
lichkeit berücksichtigt wird. Auch virale
Schnelltests für die Bestimmung des Im-
munstatus bei Varizellen oder der HIV-
Antikörper müssen konventionell nach-
kontrolliert werden.
◗
PD Dr. med./lic. phil. II Reinhard Zbinden, Wissenschaftlicher Abteilungsleiter Bakteriologie
Institut für Medizinische Mikrobiologie Universität Zürich Tel. 01-634 26 08
E-Mail: rzbinden@immv.unizh.ch
*STREP B OIA, Thermo Biostar, FDA-zugelassen. Vertretung in der Schweiz: DMD AG, Talstrasse 40, 4144 Arlesheim.