Transkript
SCHWERPUNKT
Follikelreifung und Ovulationsinduktion
Die heutigen Ansätze in der Sterilitätsbehandlung
Dr. med. Peter Fehr
Etwa 10 Prozent aller Frauen im reproduktionsfähigen Alter sind ungewollt kinderlos. Sehr häufig ist dabei eine hormonell bedingte Follikelreifungsstörung Hauptursache
der Sterilität. Heute stehen dem Spezialisten verschiedene Medikamente zur Überwindung dieser Probleme zur Verfügung.
Anovulation ist als das Ausbleiben der Ovulation definiert. Neben dem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) können auch eine Ovarialinsuffizienz als Folge des Alters oder weitere Gründe für die Anovulation vorliegen, darunter vor allem Hyperprolaktinämie, Schilddrüsendysfunktion und Hyperandrogenämie. Für die praktische Therapie ist es wichtig, im Voraus festzulegen, welches Ziel die Behandlung anstrebt: Soll lediglich eine Ovulation im Sinne einer Normalisierung der Ovarfunktion erreicht werden (monofollikuläre Stimulation), oder ist eine multifollikuläre Reaktion für eine extrakorporale Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF) geplant?
Monofollikuläre Stimulation
Zur ovariellen Stimulation werden von den Antiöstrogenen vor allem Clomiphen sowie verschiedene Gonadotropine eingesetzt. Ziel ist die Optimierung der Follikelreifung und die Reifungsinduktion von maximal zwei sprungreifen Follikeln. Die vorsichtige Verordnung und ein sorgfältiges Monitoring der Stimulation sind entscheidend für die Reduktion des Mehrlingsrisikos. Eine ovarielle Stimulationsbehandlung darf nur von erfahrenen Kollegen beziehungsweise solchen mit entsprechender Ausbildung (vaginalsonografische Kenntnisse) durchgeführt werden, um schwere unerwünschte Wirkungen und Risiken zu vermeiden.
Clomiphen
Die Substanz (Clomid®, Serophene®) wirkt über eine Blockierung der zentralen und
peripheren Östrogenrezeptoren, was reaktiv zu einer erhöhten Gonadotropinausschüttung und somit zu einer verstärkten ovariellen Stimulation führt. Die antiöstrogene Wirkung beeinflusst auch das gelegentlich beträchtliche Nebenwirkungspotenzial, zu dem vor allem Dysmukorrhö, ungenügender Endometriumaufbau, Hitzewallungen und Kopfschmerzen gehören. Zu beachten sind insbesondere Sehstörungen durch Ischämie des N. opticus, welche eine sofortige ophthalmologische Kontrolle erfordern!
Schritte zur In-vitroFertilisation:
Ausführliche Information des Paares, Sterilitätsabklärung und nach der Ovulationsinduktion: die sonografisch gesteuerte transvaginale Follikelpunktion zur Eizellgewinnung (Bild unten).
Fotos: Peter Fehr
Zur Anwendung: Die Dosierung umfasst 50 bis 100 mg täglich, am besten abends, vom dritten bis siebten Zyklustag. Alternativ kann auch ab viertem oder fünftem Zyklustag behandelt werden. Ultraschallkontrollen sind ab zirka elftem Zyklustag empfohlen. Ohne Möglichkeit einer Sonografie darf Clomiphen nicht abgegeben werden, da ein beträchtliches Risiko einer multifollikulären Reaktion mit entsprechender Mehrlingsproblematik auftreten kann. Die Ovulationsinduktion mit 5000 oder 10 000 IE uHCG oder 250 µg rHCG ist
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GYNÄKOLOGIE 4/2004
SCHWERPUNKT
Follikelreifung und Ovulationsinduktion
Kasten 1: Häufige endokrine Sterilitätsfaktoren
1. Lutealinsuffizienz Definition: Ungenügende Progesteronproduktion des Corpus luteum. Im Spontanzyklus Folge einer Follikelreifungsstörung.
Therapie: q Als alleinige Massnahme im Spontanzyklus keine Verbesserung der Schwangerschaftschance. q Progesteron intravaginal während 15 Tagen. q Beginn der Behandlung 2 Tage nach LH-Anstieg im Morgenurin bzw. nach Ovulationsinduktion. Bei positivem Schwangerschaftstest Fortsetzung bis zur 10. Schwangerschaftswoche.
2. Anovulation Definition: Ausbleiben der Ovulation trotz Follikelreifung mit entsprechender Östrogenproduktion und anschliessendem Untergang des Follikels durch Atresie. Meist unregelmässige Zyklen mit z.T. starken und lang dauernden Menses. Fliessender Übergang zu Oligomenorrhö und Amenorrhö mit zuletzt völlig ausbleibender Follikelreifung.
Therapie: a) Behandlung der Anovulationsursache (Hyperprolaktinämie, Schilddrüsendysfunktion, Hyperandrogenämie o.a.) b) Clomiphen (hCG) Bei Resistenz (fehlende Follikelentwicklung) oder Dysmukorrhö trotz guter Follikelreifung Wechsel auf: Gonadotrophin mit hMG bzw. FSH/hCG
Quelle: Imthurn, Bruno et al. (Universitätsspital Zürich, Departement Frauenheilkunde, Klinik für Endokrinologie): Richtlinien zur Abklärung und Behandlung von Hormon-, Zyklus- und Fertilitätsstörungen. Zürich 2004.
Kasten 2: Indikationen für Clomifen:
Ziel: Optimierung der Follikelreifung, Induktion von maximal 2 sprungreifen Follikeln q Follikelreifungsstörungen (Anovulation) q Inseminationsbehandlungen q Ungeklärte Sterilität (im Rahmen des Stufenplans) Behandlungsdauer: 3 (bis 6) Behandlungszyklen. (Die meisten Schwangerschaften werden in den ersten 3 bis 4 Zyklen erreicht.)
Indikationen für Gonadotropine Ziel: Optimierung der Follikelreifung, Induktion von maximal 2 sprungreifen Follikeln q Hypogonadotrope Amenorrhö (immer mit LH-Zusatz!) q Clomiphen-Resistenz q Dysmukorrhö unter Clomiphen-Therapie q Hypergonadotrope Amenorrhö (meist diagnostisch im Rahmen eines Gonadotropin-Tests; therapeutisch nur bei positivem Gonadotropin-Test einsetzbar)
Behandlungsdauer: Bei guter Reaktion 3 bis 6 Behandlungszyklen. (Die meisten Schwangerschaften werden in den ersten 3 bis 4 Zyklen erreicht.) Quelle: Imthurn, Bruno et al. (Universitätsspital Zürich, Departement Frauenheilkunde, Klinik für Endokrinologie): Richtlinien zur Abklärung und Behandlung von Hormon-, Zyklus- und Fertilitätsstörungen. Zürich 2004.
vorteilhaft. Ebenso ist eine Unterstützung der Lutealphase mit Progesteron die Kombination mit einer Folsäureprophylaxe zu empfehlen.
Gonadotropine
Es stehen verschiedene humane Gonadotropine zur Verfügung, welche einen
direkten stimulierenden Effekt auf das Ovar haben. Diese Medikamente werden subkutan injiziert. Grundsätzlich wird zwischen urinären Produkten (aus dem Urin menopausaler Frauen extrahiert) und rekombinanten Präparationen (gentechnologisch hergestellt) unterschieden. Mischungen aus LH und FSH heissen humanes Menopausengonatropin (hMG) und sind urinären Ursprungs (hMG: Menopur®, Merional®). Reines FSH wird entweder als recFSH (Gonal-f®, Puregon®) angeboten oder auch als gereinigtes urinäres Produkt mit praktisch fehlender LH-Wirkung (uFSH: Fostimon®). RecLH (Luveris®) ist für spezielle Indikationen ebenfalls erhältlich. Indiziert sind Gonadotropine bei hypogonadotroper Amenorrhö (dort immer mit LH-aktiven Präparaten), bei Clomiphen-Resistenz oder bei beträchtlichen Nebenwirkungen unter Clomiphen. Die Injektionen erfolgen frühestens ab drittem Zyklustag. Auch hier sind Ultraschallkontrollen unabdingbar. Ovulationsinduktion und Lutalunterstützung erfolgen wie unter Clomiphen (vgl. Kasten 2).
Multifollikuläre Stimulation
Das Ziel ist hier die Reifung von mehreren Follikeln. Die Gonadotropin-Superstimulation ist der Behandlung im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation vorbehalten. Mittels GnRHa wird eine so genannte Downregulation als Vorbereitung eingesetzt. Dadurch wird endogen kein oder nur noch sehr wenig LH und FSH ausgeschüttet. Durch hohe Dosen verabreichter Gonadotropine (in der Regel 2- bis 6-mal so viel pro Tag wie bei monofollikulärer Stimulation) kommt es zur multifollikulären ovariellen Reaktion. Da alle Follikel punktiert werden, hängt die Mehrlingsrate von der Anzahl der transferierten Embryonen ab. Sie ist somit kalkulierbar. Trotzdem ist das Nebenwirkungspotenzial dieser Behandlungsform beträchtlich. Hier steht vor allem das ovarielle Hyperstimulationssyndrom, in der Regel fünf bis zehn Tage nach der hCG-Injektion, im Vordergrund (Ausbildung von Aszites und Pleura-
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ergüssen, einhergehend mit intravasalem Flüssigkeitsverlust, durch Hämokonzentration Neigung zu Thrombose und Emboliebildung).
Weitere Behandlungen
Die Behandlung einer Follikelreifungsstörung wird zur Behandlungsoptimierung durch weitere Massnahmen ergänzt, je nach Ursache der Störung. Zu diesen gehören sehr häufig:
Behandlung einer Insulinresistenz (Metformin) Eine beim polyzystischen Ovarsyndrom oft vorliegende Insulinresistenz, welche diagnostiziert werden sollte, kann mit einer begleitenden Behandlung mit Metformin so weit beeinflusst werden, dass die Stimulationsbehandlung besser wirkt oder auch weniger hoch dosiert werden muss. Die Gabe von Metformin (Glucophage®) im Rahmen einer Sterilitätsbehandlung ist relativ neu und wird in der Notwendigkeit noch nicht einheitlich beurteilt. Die gastrointestinalen Nebenwirkungen der Substanz führen in der Praxis allerdings häufig zu einem Absetzen dieser Begleitmedikation.
Behandlung einer Hyperprolaktinämie Das Vorhandensein einer Hyperprolaktinämie wird bei jeder Sterilitätsabklärung untersucht. Im Rahmen einer Sterilitätstherapie soll durch eine Normalisierung des Prolaktinspiegels ein ovulatorischer Zyklus mit suffizienter Corpus-luteum-Phase erreicht werden. Behandelt wird mittels Dopaminagonisten; die Medikamente der zweiten Generation sind in der Regel gut verträglich. Bei Eintritt einer Schwangerschaft ist sofortiger Behandlungsstopp geboten.
Behandlung einer Schilddrüsendysfunktion Ovarielle Funktionsstörungen können Folge einer Hyper- und Hypothyreose sein. Bei den meisten betroffenen Frauen handelt es sich aber um eine Hypothyreose, häufig in subklinischer Form. Eine Behandlung mit Levothyroxin verbessert die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit und reduziert die Abortrate. Die Medikation wird auch in einer Schwangerschaft weitergeführt.
SCHWERPUNKT
Aktuelle Entwicklungen in der Sterilitätstherapie Ovarielle Stimulationen, insbesondere mit Gonadotropinen, werden heute nicht mehr von allen Frauenärzten durchgeführt. Bedingt durch die zunehmende Spezialisierung, akzentuiert auch durch die Einführung des FMH-Schwerpunkttitels «speziell Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie», werden Kinderwunschbehandlungen an spezialisierte Zentren überwiesen. Es ist dort eine Grundvoraussetzung, täglich Ultraschallkontrollen und Hormonbestimmungen (Estradiol, E2) als Therapiekontrolle anzubieten. Nur durch diese Qualitätsstandards können schwer wiegende Komplikationen einer ovariellen Stimulation wie Mehrlingsschwangerschaften und ovarielle Überstimulationen verhindert werden. Durch Einführung der rekombinanten Gonadotropine, deren Vorteile bezüglich Reinheit und Wirkungskonstanz unübertroffen sind, ist der Kostenrahmen einer Kinderwunschbehandlung deutlich gestiegen. Stimulationen mit recFSH kosten 2- bis 5-mal mehr als mit urinären Produkten, was vor allem bei Behandlungen mit
In-vitro-Fertilisation rasch Mehrkosten von deutlich mehr als 1000 Franken bedeuten kann. Der Beratungsaufwand und die Abwägung der Vor- und Nachteile einer entsprechenden Therapie sind diesbezüglich wesentlich grösser und Komplexer geworden. Dies gilt besonders auch vor dem Hintergrund, dass viele betroffene Paare heute gut vorbereitet zu diesen Besprechungen in die Kinderwunschzentren kommen. Die rekombinanten Produkte werden seit kurzem als Lösungen angeboten. Damit wird es möglich, analog zur Verabreichung von Insulin so genannte Pens einzusetzen. Die Anwendung in dieser Form ist für die Frauen sehr einfach zu erlernen und im Vergleich zur früher angewendeten intramuskulären Injektion problemlos selbst durchzuführen. Die urinären Gonadotropine können dann subkutan verabreicht werden, wenn sie gereinigt, das heisst von Fremdeiweissen befreit, angeboten werden. Noch nicht abgeschlossen ist die Diskussion, ob oder wie viel LH-Aktivität in der Follikulärphase nötig ist. Die recFSHPräparate haben keine LH-Wirkung, was
insbesondere dann von Bedeutung ist,
wenn durch eine Down-Regulation die en-
dogene Gonadotropinsekretion blockiert
wurde (siehe multifollikuläre Reaktion,
IVF). Verschiedene Untersuchungen zei-
gen, dass wenig LH für die Eizellreifung ein
Vorteil sein kann. Neuere Studien belegen
sogar, dass ab einer gewissen Follikel-
grösse auch nur kleine HCG-Dosen genü-
gen, um den Follikel weiter ausreifen zu
lassen. Diese Therapieform wäre äusserst
kostengünstig, entsprechend dosierte
HCG-Präparate sind aber noch nicht er-
hältlich.
◗
Dr. med. Peter Fehr FMH Gynäkologie und Geburtshilfe
spez. Reproduktionsmedizin Rheinweg
8200 Schaffhausen E-Mail: praxis@fehr-ivf.ch Internet: www.fehr-ivf.ch