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Akne bei jungen Mädchen und Frauen
Aufgabe der Gynäkologie im ärztlichen Management
Behandlungsoptionen bei Akne: hormonell oder nichthormonell? Systemisch oder (vorerst) topisch? Bei der Erkennung von Ursachen und den Behandlungsoptionen weiblicher Akne spielt der Frauenarzt als endokrinologischer Experte
eine zentrale Rolle. Auf der Therapiepalette spielen hormonale Ovulationshemmer eine wichtige Rolle, daneben sind weitere sytemische und orale Behandlungen (Antibiotika, Retinoide, Steroide) zu evaluieren.
Akne ist eine sehr häufige Hauterkrankung, die einen Grossteil der jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren trifft und sich bis zum 30. Lebensjahr und danach fortsetzen kann. Jugendliche haben oft schwer daran zu tragen, weil die Hautläsionen in einer wichtigen Phase der psychosozialen Entwicklung verstärkt auftreten und das ohnehin allgemein eher labile Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen können. Gerade Mädchen fühlen sich vor allem bei mittelschweren bis schweren Formen oft unattraktiv. Wenn sie negative Reaktionen aus ihrem Familien- und Bekanntenkreis fühlen, können sozialer Rückzug und Depression die Folge sein. Ferner ist nicht zu übersehen, dass Akne bleibende Narben hinterlassen kann. Dem Frauenarzt, der heute häufig schon die Rolle des Primärarztes der Frau besetzt, kommt als endokrinologischem Experten eine wichtige Aufgabe im Management leichter bis mittelschwerer Formen von Akne bei Frauen zu. Bei schweren Formen in Zusammenhang mit zugrunde liegenden hyperandrogenen Zuständen und mit der Verordnung von oralen Kontrazeptiva ist die Zusammenarbeit mit dem Dermatologen sehr sinnvoll bis unerlässlich.
Krankheitsbild und Schweregrade
Acne vulgaris kann sich in den talgdrüsenreichen Hautarealen wie Gesicht, Prästernalregion, Schulterpartien, Oberarmen sowie intertriginösen Regionen ausbreiten. Sie zeichnet sich durch eine übermässige Talgproduktion (Seborrhö)
Die adäquate Hauthygiene hat bei allen Akneformen Priorität. Besserung auch bei mittelschweren Läsionen bringt oft die therapeutische Gabe der Pille.
Fotos: Archiv
und follikuläre Proliferations- und Retentionshyperkeratose aus, die zunächst zur Bildung kleiner Hauterhabenheiten führt (geschlossene Komedonen bzw. «Mitesser»). Später öffnen sich diese weissen Komedonen; zentral entsteht durch die Oxidation von Lipiden und Melanin ein dunkler Pfropf (offene Komedonen). Danach kommt es zu entzündlichen Hautveränderungen, Papeln, Pusteln, Knoten und schliesslich hypertrophen Narben und Keloiden. Schwere Verläufe der Akne können sehr entstellend sein.
Akne wird entsprechend dem Typ und der Ausbreitung der Läsion in drei Schweregrade eingeteilt: ◗ Leichte Akne: Komedonen, wenige
Papeln oder Pusteln, keine Knoten ◗ Mittelschwere Akne: Komedonen,
wenige bis viele Papeln und Pusteln, einige Knoten ◗ Schwere Akne: Komedonen, zahlreiche ausgeprägte Papeln, Pusteln und Knoten.
Pathogenetische Einflussfaktoren
In der Entwicklung der Acne vulgaris spielen neben genetischen und exogenen vor allem hormonelle Faktoren eine gesicherte Rolle. Das zentrale Geschehen in der Pathophysiologie der Akne ist die follikuläre Hyperkeratose. Der genaue Pathomechanismus der Verhornungsstörung ist noch ungeklärt. Zu den beteiligten Faktoren werden Störungen der Keratinexpression, der Keratinozytenadhäsion und ein direkter Einfluss von Androgenen auf follikuläre Keratinozyten gezählt. Androgene erhöhen die Sebumproduktion, welche die Besiedlung von Propionibakterien begünstigt. Bei jugendlichen Mädchen ist insbesondere die Umstellung des Hormonstatus in der Pubertät mit einem Anstieg der Androgene sowohl adrenalen als auch ovarialen Ursprungs zu beachten. Die direkte Testosteronproduktion in den Ovarien beträgt 25 Prozent des TestosteronGesamtspiegels bei der normalen Frau, bei Frauen mit Hirsutismus ist hier den Anteil noch grösser. Weitere 25 Prozent werden in der Nebennierenrinde gebil-
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det. Der restliche Teil entsteht durch periphere Konversion des in den Ovarien produzierten Androstendions. Zu beachten ist, dass systemische Krankheiten schwere Formen von Akne verursachen wie auch einen frühen Beginn (im späten Kindesalter) begünstigen können. Insbesondere bei Hirsutismus sollte an Hyperandrogenismus gedacht werden. Testosteron produzierende Tumoren, ein Spätbeginn einer kongenitalen adrenalen Hyperplasie und Morbus Cushing gehören zu den seltenen Krankheiten, die mit Hirsutismus und Akne einhergehen. Nicht zu übersehen ist ferner, dass auch Kosmetika und Arzneimittel wie systemische Kortikoide, Anabolika, Steroide, Lithium und Isoniazid Akne auslösen können. Besonders sollte ein polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) in die Differenzialdiagnose eingeschlossen werden, insbesondere bei Zeichen von Hyperandrogenismus und Oligomenorrhö oder anovulatorischen Zyklen. Der Nachweis einer manifesten PCOS – bei erwachsenen Frauen mit einer Inzidenz von 7 bis 10 Prozent – hat erhebliche gesundheitliche Konsequenzen. Vorsicht sollte geboten sein, wenn die betroffene Frau zur Kontrazeption bereits die Pille einnimmt, da deren Begleitwirkungen einen leichten Hyperandrogenismus verdecken kann oder die Diagnose eines PCOS erschweren kann. Laboruntersuchungen sind bei Verdacht unerlässlich und müssen der indizierten Einnahme von Ovulationshemmern in diesen Verdachtsfällen vorausgehen. Die Behandlung eines PCOS durch den Gynäkologen ist unerlässlich, denn mit der indizierten Hormontherapie (ÖstrogenAntiandrogen-Kombination) sind nicht nur Hauterscheinungen wie Akne und Hirsutismus, sondern auch schwere Langzeitfolgen (kardiovaskuläre Krankheiten, Typ-2-Diabetes und Endometriumkarzinom) vermeidbar.
Topische Therapie
Der Gynäkologe wie der gynäkologisch tätige Allgemeinarzt sollten sich mit der topischen und systemischen Behandlung
Guideline zur Aknebehandlung
Alle Aknetypen q adäquate Hauthygiene
Komedonale Akne q topisches Tretinoin
Leichte bis mittelschwere inflammatorische Akne q Beginn mit topischer Therapie:
Benzoylperoxid und/oder topische Antibiotika q bei suboptimalen Ergebnissen: systemische Behandlung mit oralen Kontrazeptiva (OC) und/oder systemischen Antibiotika
Schwere Akneformen (und bei Nichtansprechen der o.g. Therapie) q Überweisung an den Dermatologen q OC weiterführen, unbedingt vor der
Verordnung von Isotretinoin
leichter bis mittelschwerer Akne auskennen. Als First-line-Therapie gilt die lokale Behandlung.
Retinoide Komedonale Akne spricht normalerweise gut auf die lokale Anwendung von Tretinoin an, das in verschiedenen Dosierungen als Creme, Gel und Lösung angeboten wird. Die Substanz wirkt speziell auf Mikrokomedonen, den Präkursor der Akne. Sie wirkt antimikrobiell und verhindert damit die Entwicklung neuer Läsionen. Tretinoin beschleunigt die Konversion geschlossener in offene Komendonen. Ferner fördert Tretinoin die Absorption anderer topischer Substanzen wie Benzoylperoxid und Antibiotika. Zu den Nebenwirkungen gehören Rötung, Brennen und Peeling, welche aber durch die anfängliche niedrig dosierte Applikation an jedem zweiten Tag minimiert werden können. Von den neuen Retinoiden, welche besser verträglich sind, ist vor allem Adapalene (Differen®) herauszuheben.
Benzoylperoxid Benzoylperoxid wirkt sowohl antiinflammatorisch als auch austrocknend und
verringert die Kolonisation des Propionibacterium acne. Die Substanz wird in verschiedenen Wirkstärken (von 2,5 bis 20 Prozent) und Applikationsformen (als Lotion, Creme, Gel, Maske und Flüssigkeit) angeboten. Die meisten Jugendlichen haben die Substanz als OTC-Präparat schon ausprobiert, oft aber nicht lange genug angewendet, damit sich die volle Wirkung entfaltet. Topische Antibiotika Erythromycin, Clindamycin und Tetracyclin sind Beispiele topischer Antibiotika, welche die Besiedlung des Propionibacterium acne verringern und minimale Nebenwirkungen haben. Allerdings ist in den letzten
Abbildung 2: Bei schweren Läsionen wie der hier gezeigten Acne papulopustulosa ist die Zusammenarbeit mit dem Dermatologen erforderlich.
20 Jahren die zahl der Resistenzen gestiegen. Als günstig hat sich die kombinierte Anwendung von Benzoylperoxid mit einem topischen Antibiotikum erwiesen.
Systemische Therapie Diese ist bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer entzündlicher Erkrankung indiziert. Bei der systemischen The-
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rapie von Frauen mit Akne kommt den oralen Kontrazeptiva (OC) besondere Bedeutung zu, wie weiter unten erläutert wird. Daneben stehen orale Antibiotika, in schweren Fällen orales Isotretinoin, auch in Kombination mit OC, auf der Therapiepalette.
Orale Antibiotika Die Behandlung mit oralen Antibiotika wird meist in Kombination mit topischen Präparaten als «Second line» der Aknetherapie beschrieben. Häufig werden Minocyclin, das sich durch eine noch sehr geringe Resistenzentwicklung auszeichnet, daneben auch Erythromycin und Clindamycin verordnet.
Die Rolle der kombinierten oralen Kontrazeptiva Die Gabe von oralen Kontrazeptiva steht in der systemischen Therapie der Akne bei jungen Frauen ganz vorn. Die Gabe erscheint umso sinnvoller, als damit verschiedene Ziele erreicht werden können. Zum einen sei daran erinnert, dass kein geringer Teil der jungen Mädchen, die wegen Akne behandelt werden wollen und die Pille nicht primär zur Antikonzeption verlangen beziehungsweise regelmässig einnehmen, «unverhofft» ungeschützten Geschlechtsverkehr haben und dann mit der Pilleneinnahme vor der Konzeption geschützt sind. Als besonders günstig hat sich die Gabe von Cyproteronacetat in Kombination mit Ethinylestradiol (Diane-35®) erwiesen. Weitere kombinierte OC, auch mit den Gestagenen Levonorgestrel oder Norestindron, wurden im Hinblick auf ihre positive Beeinflussung der Akne untersucht und haben Behandlungserfolge hervorgebracht. Potenzielle androgene Nebenwirkungen dieser Gestagene wie eine tiefer werdende Stimme und Gewichtszunahme sind bei der sehr niedrigen Dosierung in den OC nicht zu erwarten. OC sind vor allem indiziert, wenn die jungen Mädchen oder Frauen gleichzeitig unter einer Dysmenorrhö oder/und starken Monatsblutungen leiden, ferner natürlich bei Kontrazeptionswunsch. In jedem Fall sollten die Patientinnen, die
in erster Linie wegen Akne mit OC behandelt werden, über deren Nebenwirkungspotenzial aufgeklärt werden (leicht erhöhtes Thromboembolierisiko bis Durchbruchsblutungen, gelegentlich Übelkeit, Brustspannen, Kopfschmerz) sowie über die Tatsache, dass ein positiver Effekt auf die Akne erst im Langzeitverlauf eintritt (erste Einschätzung des Effekts nach zirka drei Monaten). Risiko, Nebenwirkungen und Nutzen im individuellen Fall sind im Beratungsgespräch gegeneinander abzugrenzen, und eine Auswahl eines geeigneter OC ist zu treffen. Hormonale Ovulationshemmer bewirken durch verschiedene Mechanismen eine Verringerung der gesamten und freien Androgenspiegel und reduzieren damit die Talgproduktion. Der Östrogenanteil stimuliert die Produktion von Sexhormon-bindendem Globulin (SHGB) in der Leber, welches zur Reduktion des freien Testosterons führt. Gleichzeitig unterdrücken die OC die Produktion der ovarial und adrenal gebildeten Androgene.
Orales Isotretinoin Bei schweren Formen der Akne mit ausgeprägten Papeln, Pusteln und Knoten (Acne papulopustulosa, Acne conglobata) sowie bei mittelschwerer Akne, die auf die konventionellen Therapeutika nicht ansprechen, ist orales Isotretinoin zur Verhinderung von Narben angezeigt. Isotretinoin (Roaccutan®) ist ein Vitamin-AAnalogon, das alle Faktoren der Aknebildung beeinflusst, indem es die Talgproduktion, die übermässige Verhornung der Talgdrüsenfollikel und die bakterielle Besiedlung reduziert. Das Präparat wirkt bekanntermassen teratogen mit Malformationen im Gesicht, des ZNS und des Herzens beim Ungeborenen; die Gabe setzt eine sichere Schwangerschaftsverhütung voraus. Die Teratogenität in utero wird auf 15 bis 45 Prozent geschätzt, wobei das Risiko im ersten Schwangerschaftstrimester am höchsten ist. Daher ist für Frauen, die mit Isotretinoin behandelt werden, eine sichere Kontrazeption einen Monat vor, während und nach der Behandlung bei umfassender
Aufklärung über die Substanzwirkung un-
erlässlich. Bei der Indikation für orales Iso-
tretinoin sollte interdiziplinär (Dermato-
loge und Gynäkologe) vorgegangen
werden, wobei der Dermatologe Anwen-
dung und Nebenwirkungen des Isotreti-
noin und der Gynäkologe die sichere Kon-
trazeption überwacht.
◗
Bärbel Hirrle
Quellen: Deitch, Helen, R. et al.: A gynecologist’s guide to acne. Contemporary Ob/Gyn 2002; 1: 88–94. Böni, R., Nehrhoff, B.: Akne: Ursache und neuere Behandlungsmöglichkeiten. Medicos 2003; 2: 19–24. Arzneimittelkompendium der Schweiz 2003. Sterry, W., Paus, R.: Checkliste Dermatologie. Stuttgart 1999. Huber, J.: Endokrine Gynäkologie. Wien, München, Bern 1998.
Merksätze
q Bei jungen Mädchen und Frauen mit sehr schwerer Akne oder frühem Beginn der Läsionen sind systemische Grundkrankheiten, v.a. auch ein PCOS, auszuschliessen.
q Bei Nichtansprechen der Akne trotz Pillenverordnung: Umstellung auf ein anderes, geeigneteres Präparat erwägen.
q Bei Indikation für Isotretinoin eine begleitende Kontrazeption sicherstellen.
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