Transkript
Editorial
Damit ich zufrieden ein gutes Restaurant verlasse, muss Verschiedenes stimmen: Die Qualität des Gebotenen ist zentral wichtig, ebenso, dass ich zufriedenes Personal vorfinde, weil Höflichkeit, Freundlichkeit und eine Portion Heiterkeit sich auch positiv auf mein Befinden auswirken. Hierfür bin ich denn gerne bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Auch die Qualität von Dienstleistungsunternehmen im Gesundheitswesen fusst auf vier Säulen: ◆ der Qualität der Leistung ◆ dem Preis der Leistung ◆ der Zufriedenheit der Leistungserbringer ◆ der Zufriedenheit des Kunden.
zuerst die Leistung erbracht wird und in der Folge diese Leistung dann abgegolten wird, kassieren die Krankenkassen die Prämien mit staatlichem Segen im Vorhinein. Durch das KVG ist der einzelne Bürger auch dazu verpflichtet, die Prämie zu zahlen, unabhängig davon, wie zufrieden er mit dem Dienstleister Krankenkasse ist. Dies ergibt eine starke Verzerrung: Obwohl auch Dienstleistungsunternehmen, futieren sich Krankenkassen viel zu häufig um die Zufriedenheit ihrer Kunden und um die Qualität der Leistung, die sie einkaufen (vgl. oben!). Krankenkassen vergessen, dass sie stellvertretend für ihre Kunden, die Prämienzahler, Leistungen abgelten, und die Qualitätsdiskussion wird unredlich geführt. Argumentiert wird mit
Schnell und billig ist keine gute Qualität
Krankenkassen reduzieren das Gesundheitswesen zu einem Geldmarkt
Das Schweizer Gesundheitswesen befindet sich seit einiger Zeit – und nach wie vor – im Umbruch. Vermehrt werden Begriffe wie Patientenzufriedenheit, Kundenzufriedenheit, auch Qualität der Leistung in Diskussionen angeführt, in denen die Qualität des Gesundheitswesens insgesamt diskutiert wird. Häufig, zu häufig, wird jedoch die Qualitätsdiskussion missbräuchlich geführt. Wenn Qualitätsindikatoren einzig das Ziel haben, auf den Preis zu drücken, dann ist die Diskussion unredlich und auch unergiebig. Gerade im Gesundheitswesen zählt das, was in einem Toprestaurant wichtig ist: Die Qualität der Leistung kommt zuerst, der Preis ist dann sekundär. Ein Direktionsmitglied von santésuisse sagte anlässlich einer Sitzung: «Qualität interessiert uns nicht, Qualität setzen wir voraus.» Hier zeigt sich ein unredliches Vorgehen, indem Qualität nur so lange interessiert, als sie gebraucht werden kann, um auf den Preis zu drücken. Für den Patienten allerdings ist Qualität lösgelöst vom Preis wichtig. Patienten sind dankbar, wenn sie eine qualitativ gute Behandlung von zufriedenem Personal erhalten. Dann sind die Kosten zwar nicht gänzlich unwichtig, aber eben nicht von vorrangiger Bedeutung. Das Schweizer Gesundheitswesen ist dadurch charakterisiert, dass die Kunden – hier die Patienten – die Leistungserbringer nicht selber bezahlen, sondern das Geld den Krankenkassen überweisen, welche es treuhänderisch einsetzen sollen. Damit befinden sie sich innerhalb des Dienstleistungssektors in einer Sonderrolle: Währenddem der Dienstleistungssektor dadurch charakterisiert ist, dass
Behandlungsdauer und Kosten. Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass eine Behandlungsdauer nur unter Berücksichtigung auch von Rehospitalisierungen aussagekräftig ist. Eine kurze Behandlungsdauer bei 50 Prozent Rehospitalisation innert acht Wochen führt zwar zu tieferen Kosten je Fall – aber ob das Qualität ist? Damit bewirken die Krankenkassen etwas ausserordentlich Fatales: Sie reduzieren das Gesundheitswesen zu einem Geldmarkt. Das sensible und filigrane Netzwerk mit den vier Eckpfosten Qualität der Leistung, Zufriedenheit der Patienten, Zufriedenheit der Leistungserbringer und schliesslich auch Preis der Leistung wird so nachhaltig gestört, indem der Preis zum zentralen Element erhoben wird. Der Ursprung des Gesundheitswesens ist jedoch eine qualitativ gute Versorgung und Behandlung der Patienten. Dieser nicht deklarierte Wertewandel ist fatal. Um auf das Restaurant zurückzukommen: Einen Hamburger erhalte ich schnell und günstig – aber als Kunde will ich das nicht: Ich will qualitativ gut und nachhaltig versorgt werden – auch wenn es etwas kostet. Und übrigens – extra ins Ausland fahren, um sich verpflegen zu lassen, will ich auch nicht. Für Ferien vielleicht, aber nicht für eine Behandlung.
PD Dr. Ernst K. Hermann IDS Unternehmensberatung
Allmendstrasse 10 4116 Metzerlen
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Psychiatrie & Neurologie 3•2008