Transkript
POLITFORUM
Hausarztfreundliches Tarifsystem
XUNDHEIT IN BÄRN
MOTION vom 29.9.2011
Fraktion CVP/EVP/glp (Sprecherin: Ruth Humbel)
Der Bundesrat ist aufgefordert, gesetzliche Grundlagen für die Schaffung eines hausarztfreundlichen Tarifsystems vorzulegen. Dabei geht es insbesondere um folgende Bereiche: ❖ Artikel 59c KVV ist so zu revidieren, dass
nicht einzig eine Kostenbetrachtung für Tarife massgebend ist, sondern ebenso der Nutzen mit den Kriterien von Zweckmässigkeit und Wirksamkeit. ❖ Regional differenzierte Tarmed-Taxpunktwerte müssen ausgehandelt werden können, um die Aufrechterhaltung eines ausreichenden GrundversorgerAngebotes zu begünstigen.
❖ Die Analysenliste mit einem adäquaten Tarif für das Point-of-Care-Labor der Hausarztpraxis muss angepasst werden.
❖ Eine gesetzliche Grundlage zur Ermöglichung eines zweiten schweizweiten (Einzelleistungs-)Tarifs für Hausärzte muss geschaffen werden.
Begründung Die Hausärzte sind ein zentraler Pfeiler unseres Gesundheitswesens. Mit 7 Prozent des Gesamtaufwandes lösen sie 90 Prozent der Gesundheitsprobleme ihrer Patientinnen und Patienten selber und gehören damit zu den kostengünstigsten Leistungserbringern des Gesundheitswesens. Die Förderung der Hausarztmedizin ist deshalb ein wichtiger Beitrag zur finanziellen Stabilisierung eines Bereiches, in dem die Kosten in den letzten Jahren stetig stiegen. Insbesondere in ländlichen Gebieten zeichnet sich ein Hausärztemangel ab, die medizinische Versorgung der Bevölkerung in diesen Regionen ist langfristig gefährdet. Je weiter
sich die Spezialisierung entwickelt und verästelt, desto wichtiger werden aber Generalisten mit immer wieder aktualisierten Kenntnissen der Methoden und Technologien, die zur Verfügung stehen. Hausärzte nehmen als Grundversorger eine wichtige Orientierungsund Lenkungsfunktion ein, die wesentlich dazu beitragen kann, bei guter Behandlungsqualität Kosten zu stabilisieren. Deshalb müssen Anreize geschaffen werden, um eine ausgewogenere regionale Verteilung von Hausarztpraxen zu erreichen. Der Tarif hat einen wesentlichen Einfluss auf die Attraktivität der Facharztgruppen. Die Verzerrungen mit einer zu hohen Tarifierung gewisser technischer Leistungen – welche endlich gesenkt werden müssten – und der zu tiefen Honorierung hausärztlicher Leistungen ist hinlänglich bekannt. Die Tarifierung hausärztlicher Leistungen muss daher flexibler und gesondert gestaltet werden können.
Aus der Stellungnahme des Bundesrates vom 30.11.2011
Der Bundesrat erachtet die Hausarztmedizin als wichtigen Pfeiler der medizinischen Grundversorgung. Er ist jedoch der Auffassung, dass die Hausarztmedizin als Teil der umfassenden medizinischen Grundversorgung betrachtet und gefördert werden soll.
Im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung können Leistungen nur vergütet werden, wenn die Erfordernisse der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt sind. Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung sieht vor, dass Tarife und Preise in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern nach dem Grundsatz der Tarifautonomie vereinbart werden. Nach Artikel 59c der Verordnung über die Krankenversicherung darf der Tarif höchstens die transparent ausgewiesenen Kosten der Leistung und höchstens die für eine effiziente Leistungserbringung erforderlichen Kosten decken. Tarmed ermöglicht die Anwendung eines schweizweit ein-
heitlichen Einzelleistungstarifs für ambulant erbrachte ärztliche Leistungen. Der Taxpunktwert wird durch die Tarifpartner ausgehandelt und von der zuständigen Kantonsregierung genehmigt oder im Falle erfolgloser Verhandlungen von dieser festgesetzt.
Wie er in seiner Antwort auf die oben genannte Interpellation erwähnte, ist der Bundesrat der Ansicht, dass eine Erhöhung des Taxpunktwertes, die sich nicht an die oben erwähnten Tarifgrundsätze hält und einzig aus regionalpolitischen Gründen erfolgt, dem im KVG verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot widerspreche. Eine Differenzierung nach Spezialität oder geografischer Ansiedlung des Leistungserbringers ist daher nicht in Betracht zu ziehen.
Der Bundesrat teilt die Auffassung der Motionärin, dass der Tarmed einer Revision bedarf. Insbesondere soll es das Ziel sein,
die intellektuellen gegenüber den technischen Leistungen aufzuwerten, was auch der Hausarztmedizin zugutekommen würde. Allerdings sind die Tarifverhandlungen seit Längerem blockiert. Das EDI hat daher die an Tarmed beteiligten Partner eingeladen, die Grundzüge einer Revision festzulegen. Obwohl auch diese die Notwendigkeit einer solchen Revision erkannt haben, konnten sie sich bislang auf kein gemeinsames Konzept einigen. Die parlamentarische Initiative der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N), die der Nationalrat bereits angenommen hat, soll dem Bundesrat ermöglichen, bei fehlender Einigung der Tarifpartner im Rahmen der Tarifautonomie einzugreifen und nötige Anpassungen durchzusetzen, wenn sich eine Tarifstruktur als nicht mehr sachgerecht erweist. Der Bundesrat unterstützt diese Revision und ist damit bereit, auf dieser gesetzlichen Grundlage Anpassungen der Tarifstruktur im oben genannten Sinne vor-
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zunehmen, wenn sich die Tarifpartner weiterhin nicht einigen können.
Wie der Bundesrat bereits in seiner Antwort auf die Motion von Siebenthal (Medizinische Grundversorgung in Gefahr) ausführte, ist die revidierte Analysenliste bezüglich der Durchführung von Laboranalysen im Praxislabor so ausgestaltet, dass eine medizinisch sinnvolle und gleichzeitig effiziente, qualitativ hochstehende Versorgung weiterhin gewährleistet und finanzierbar ist. Im Rahmen des begleitenden Monitorings zur Einführung der revidierten Analysenliste wird geprüft, welches die Auswirkungen der Revision sind. Eine abschliessende Beurteilung erfolgt mit dem Schlussbericht per Ende 2011. Für den Bereich der Praxislaboratorien wurde jedoch bereits entschieden, den Übergangszuschlag um ein Jahr zu verlängern, was insbesondere auch den Grundversorgern entgegenkommt. Auf Basis des Schlussberichtes wird auch das weitere Vorgehen beschlossen, und dabei werden die bestehenden Vorschläge geprüft.
Weitere wichtige Arbeiten zur Aufwertung der Grundversorgung wurden unternommen: In seiner Sitzung vom 16. September 2011 hat der Bundesrat den direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Ja zur Hausarzt-
medizin» und die entsprechende Botschaft ans Parlament überwiesen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Verfassungsnorm stellt die koordinierte, interdisziplinäre medizinische Grundversorgung von hoher Qualität, in welcher der Hausarztmedizin eine zentrale Rolle zukommt, in den Mittelpunkt. Der direkte Gegenentwurf wird zudem von einem Massnahmenpaket begleitet, um kurz- und mittelfristig auf die Schwierigkeiten in der Hausarztmedizin zu reagieren. Der Bundesrat hat zudem den Bericht in Erfüllung der Motion Jacqueline Fehr (Strategie gegen Ärztemangel und zur Förderung der Hausarztmedizin) verabschiedet. Beide Geschäfte wurden inhaltlich eng aufeinander abgestimmt.
Am 27. Januar 2010 hat der Bundesrat einen Bericht in Beantwortung der Postulate der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates betreffend die Aufwertung der Hausarztmedizin vorgelegt. In diesem Bericht werden ausgehend von einer Klärung des Begriffs Grundversorgung das Tätigkeitsprofil der Grundversorger analysiert, der Reformbedarf in Aus- und Weiterbildung untersucht, die Frage der ärztlichen Grundversorgung in Randregionen angegangen und die Einkommenslage der Grundversorger aufgezeigt.
Das Parlament hat in der Schlussabstimmung vom 30. September 2011 die vom Bundesrat vorgeschlagene Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung im Bereich Managed Care angenommen. Im Zentrum der Versorgungsnetze, die sich in den kommenden Jahren bilden sollen, stehen die Hausärztinnen und Hausärzte, die eine Lenkungs- und Orientierungsfunktion haben werden, wie es die Verfasserinnen und Verfasser der Motion wünschen.
Der Bundesrat teilt die Besorgnis der Verfasserinnen und Verfasser der Motion. Er ist aber der Ansicht, dass die ärztliche Grundversorgung mit den bereits eingesetzten oder initiierten Massnahmen und im Einklang mit den Grundprinzipien der Tarifierung gesichert werden kann. Er ist aber bereit, innerhalb der Grundprinzipien des KVG die Handlungsmöglichkeiten möglichst so zu gestalten, dass sie gleichzeitig der Sicherstellung der Grundversorgung zuträglich sind. In diesem Sinne lehnt der Bundesrat die Motion ab.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
Abschaffung der Kopfprämien bei der Krankenkassen-Grundversicherung
MOTION vom 21.12.2011
Max Chopard-Acklin Nationalrat SP Kanton Aargau
Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Gesetzesvorlage mit einem neuen Finanzierungssystem anstelle der heutigen einkommensunabhängigen Kopfprämien
bei der Krankenkassen-Grundversicherung vorzulegen. Dabei soll im Minimum das Ziel erreicht werden, dass kein Haushalt mehr als 8 Prozent seines Einkommens für die obligatorische Grundversicherung aufwenden muss.
Begründung Das heutige Kopfprämiensystem in der Krankenkassen-Grundversicherung ist extrem unsozial und bedeutet für viele untere und mittlere Einkommensklassen und Familien eine grosse finanzielle Belastung. Etliche Versi-
cherte bezahlen bereits mehr Krankenkassenprämien als Steuern. Die als Teilausgleichsmassnahme gedachte Verbilligung der Krankenkassenprämien für tiefere Einkommen ist im Vollzug kompliziert und wird für mögliche Anspruchsberechtigte schweizweit nicht einheitlich umgesetzt. Es ist ein neues und sozial gerechteres Finanzierungssystem ohne Kopfprämien anzustreben.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.
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